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3286 Euro brutto für den Sachbearbeiter für ordnungsbehördliche Bestattungen

Marvin führt in seinem Job viele Gespräche mit Angehörigen.
Foto: Fotostudio Berlin Rudow / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Marvin Bloch ist Sachbearbeiter für ordnungsbehördliche Bestattungen. Er kümmert sich um Todesfälle, bei denen zunächst keine Angehörigen erreichbar sind. Vom Schreibtisch aus sucht er Angehörige, setzt diese über den Todesfall in Kenntnis und plant Beerdigungen.

Wie ich zu dem Job gekommen bin 

„Bereits während eines Schülerpraktikums in der Pathologie eines Forschungszentrums habe ich festgestellt, dass der Umgang mit Verstorbenen für mich psychisch nicht so belastend ist wie für viele andere. Für mich war schon früh klar, dass ich im Bestattungswesen arbeiten möchte. Ich habe insgesamt sechs Jahre lang in Hamburg in dem Beruf gearbeitet. Da ich jedoch als Quereinsteiger in die Bestattungsbranche gekommen war, standen meine Aufstiegschancen schlecht. Und auch die Wochenend- und Nachtdienste sowie die körperliche Belastung haben mich gestresst. 

Ich habe daher meine Stelle gekündigt und mich für eine Umschulung zum Kaufmann für Büromanagement in Berlin entschieden. Während der Pandemie wollte ich einen sinnvollen Job machen, weshalb ich mich beim Gesundheitsamt beworben habe. So bin ich bei den ordnungsbehördlichen Bestattungen gelandet, in derselben Branche, die mich ja früher schon gereizt hat.“

Sachbearbeiter für ordnungsbehördliche Bestattungen vs. beauftragter Bestatter

„Im Bestattungsinstitut habe ich früher alles vom Gespräch mit den Angehörigen über den Ersttransport, das Herrichten der Verstorbenen bis hin zur Planung und Durchführung der Trauerfeier gemacht. Jetzt arbeite ich überwiegend vom Schreibtisch aus. In meinem heutigen Job bearbeite ich jene Sterbefälle, bei denen es keine ermittelbaren oder bekannten Angehörigen gibt. In dieser Rolle sorge ich zum Beispiel dafür, dass es einen Transport für den Leichnam gibt, er eingeäschert wird oder eine Erdbeisetzung erhält, und suche parallel nach Angehörigen. Ich habe aber keinen direkten Kontakt mehr zu den Leichen der Verstorbenen.“

Mein Arbeitsalltag 

„Im Gesundheitsamt Treptow-Köpenick in Berlin haben wir ein leichtes Gleitzeitmodell, die Kernarbeitszeiten liegen zwischen 9 und 15 Uhr. Wenn uns ein neuer Sterbefall gemeldet wird, überprüfen wir zunächst im Online-Melderegister, ob er in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Daraufhin trage ich alle Informationen und Dokumente, die uns vom Bestatter, vom Krankenhaus oder der Polizei übergeben wurden, zusammen und lege eine Akte an. Die Verstorbenen geben wir in der Regel nicht direkt zur Einäscherung frei, sondern suchen erstmal nach den Angehörigen.  

Diese Suche können wir nicht jedes Mal so umfangreich ausführen, wie wir gerne würden. Zum einen sind die Dokumente der Verstorbenen teilweise lückenhaft, aus der ehemaligen DDR oder noch deutlich älter. Zum anderen ist eine detaillierte Spurensuche zeitlich sehr aufwendig. Aber wir bemühen uns dennoch, Angehörige zu finden. Als Quellen dienen uns Betreuer, die der Verstorbene zu Lebzeiten hatte, Verweise von Krankenhäusern auf Freunde oder Ähnliches. Zudem gehen wir über die Melderegister und schauen nach, ob es Verweise auf Eltern, Kinder, eine Ehe oder Scheidung gibt.“

Wie ich mit dem Zeitdruck umgehe

„In der Regel haben wir sieben Tage Zeit, um mögliche Angehörige zu finden. Stirbt beispielsweise eine Person im Pflegeheim, so wartet auch der Bestatter nach der Abholung eine Woche, um zu sehen, ob sich jemand aus der Familie meldet. Passiert nichts, werden wir um eine ordnungsbehördliche Bestattung gebeten. Wir geben dann die Einäscherung frei. Diese findet ein bis zwei Wochen später statt. 

Trotz der begrenzten Zeit setzt mich das nicht wirklich unter Druck. Ich habe Routinen und geregelte Abläufe, mit denen ich möglichst schnell und effektiv meine Arbeit machen kann. Bei der Suche nach Angehörigen kommt es natürlich immer wieder zu Verzögerungen und Wartezeiten. Speziell während der Pandemie waren alle Stellen zusätzlich sehr belastet. Umso schöner ist es, wenn ich manchmal noch am selben Tag mit der Hilfe anderer Ämter einen Angehörigen finden und kontaktieren kann.“

Wenn wir keine Angehörigen finden

„Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass wir in 60 oder 70 Prozent der Fälle keine Angehörigen finden oder es einfach keine mehr gibt. Teilweise müssen wir die Suche ab einem gewissen Punkt einstellen. Zum Beispiel wenn es nur handschriftliche Dokumente des Verstorbenen aus den 30er- oder 40er-Jahren gibt. Viele Menschen, die wir betreuen, haben alle ihre Angehörigen überlebt. Konkrete Zahlen kenne ich keine, aber das Durchschnittsalter der Verstorbenen, um deren Fälle wir uns kümmern, dürfte bei über 65 Jahren liegen. Bei der Suche nach Angehörigen geht es uns einerseits darum, die Kosten von bestattungspflichtigen Angehörigen einzuholen. Zugleich will man ihnen aber auch die Möglichkeit geben, sich selbst um die Bestattung zu kümmern. Es gibt dabei eine Reihenfolge von bestattungspflichtigen Personen: Eheleute, volljährige Kinder, Eltern, Geschwister. Sie sind grundsätzlich dazu verpflichtet. Allerdings haben wir auch viele Fälle, bei denen die Angehörigen aus guten Gründen seit Jahrzehnten keinen Kontakt zu dem oder der Toten hatten, nicht bestattungswillig oder aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen nicht dazu in der Lage sind. In letzteren Sonderfällen können sie Anträge stellen, um von ihrer Bestattungspflicht enthoben zu werden.

Meistens werden die Verstorbenen eingeäschert, es gibt aber Ausnahmen. Zum Beispiel wenn wir Hinweise darauf haben, dass die Person einer Religion angehört, die eine Einäscherung untersagt. Oder wenn es Dokumente wie einen letzten Willen oder eine Willenserklärung gegenüber Heimmitarbeitern gibt. Dann wird diesen Wünschen natürlich stattgegeben. Nicht jeder Verstorbene wird also eingeäschert, wir sorgen unter Umständen auch für eine Erdbestattung oder geben Verstorbene beispielsweise zu einem Bestatter, der auf muslimische Bestattungen spezialisiert ist.“

Der emotionale Aspekt des Jobs

„Die Telefonate sind teilweise sehr einschneidende Erlebnisse. Besonders zu Anfang war es keine einfache Aufgabe. Aber man wächst hinein, sucht die richtigen Worte und versucht, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Manchmal finden wir die Angehörigen auch erst, wenn die Einäscherung schon vorbei ist und der Bestattungstermin bereits steht. Dann versuchen wir, die Wünsche der Angehörigen dennoch umzusetzen.

Besonders hart für mich sind Todesfälle von Kindern oder Neugeborenen. Deren Eltern können psychisch in einem solchen Ausnahmezustand sein, dass sie sich um nichts kümmern können. Wir versuchen dann, die Leute schrittweise und sehr vorsichtig an die Hand zu nehmen und sie zu begleiten. In solchen Momenten machen wir auch einen Teil des Jobs, den eigentlich ein beauftragter Bestatter machen würde. Teilweise berappeln sich die Leute innerhalb des Prozesses, sind dankbar für unsere Arbeit und kümmern sich selbst um den Rest. Bei anderen sorgen wir für die komplette Bestattung, weil der Schock so tief sitzt. Solche Fälle nehme ich emotional auch mal für ein paar Tage mit nach Hause. Zum Glück habe ich eine sehr nette und gute Kollegin, die rund 25 Jahre Berufserfahrung in dem Segment mitbringt. Mit ihr kann ich gut reden. Darüber hinaus spreche ich auch mit meiner Partnerin oberflächlich und anonymisiert über Fälle, die mich besonders mitnehmen. Das hilft.“

Welche Eigenschaften man für den Job haben sollte 

„Strukturiertes Arbeiten ist ein wichtiger Aspekt. Wir bearbeiten immer viele Fälle gleichzeitig, dementsprechend muss man ein gutes System haben. Eine gewisse Empathie und auch Einfühlungsvermögen gegenüber Angehörigen ist außerdem sehr wichtig – das fängt schon beim angemessenen Umgangston an. Das ist eine Gefühlssache und häufig eine Gratwanderung. Manchmal kristallisiert sich schnell heraus, dass es zu Lebzeiten kein gutes Verhältnis gab. Dann ist meine Funktion eher die, den Leuten die Rechtslage, ihre Pflichten und Möglichkeiten zu erklären. Wenn aber jemand einen geliebten Angehörigen verloren hat, dann tröste ich selbstverständlich auch und nehme mir hierfür mehr Zeit am Telefon.“

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

„Das hat sich ein bisschen gewandelt zwischen meiner Zeit im Bestattungswesen und der Arbeit als Sachbearbeiter für ordnungsbehördliche Bestattungen. Früher war die Frage immer: ,Oh, Bestattung, ist das nicht unglaublich eklig?‘ Jetzt, wo ich nicht mehr direkt mit den Toten arbeite, ist es: ,Oh, ist man da nicht immer unglaublich traurig?‘ Das lässt sich relativ einfach beantworten: Es ist in Ordnung und normal, einige Sachen mit nach Hause zu nehmen und über manches einen Tag länger zu grübeln. Wenn man so weit abstumpft, dass man gar nichts mehr fühlt, ist etwas verkehrt. Am Ende eines Falls fühle ich mich aber gut, wenn Angehörige sagen: ,Danke, dass Sie uns da durchbegleitet haben.‘ Dann habe ich meinen Job richtig gemacht.“

Was der Job mit dem Privatleben macht

„Der Job führt mir täglich die Endlichkeit des Lebens vor Augen. Ich sehe, wie viele Leute sich scheinbar gar nicht mit dem Thema auseinandersetzen und es zu Lebzeiten von sich wegschieben. Wenn ich irgendjemandem etwas mitgeben kann, dann ist es der Rat, sich mit dem eigenen Tod in irgendeiner Form zu befassen, auch im Gespräch mit der Familie. Ganz oft überrumpelt es die Leute vollkommen unvorbereitet und Hinterbliebene stehen da und wissen nicht, was der Verstorbene eigentlich wollte. Man muss ja nicht gleich einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen – auch wenn ich das jedem nur anraten kann. Es hilft auch schon, einer schwerkranken Person eine Visitenkarte mit den wichtigsten Kontaktpersonen ins Portemonnaie zu stecken.“

Was ich verdiene 

„Ich verdiene knapp 3300 Euro brutto im Monat und bin mit meinem Gehalt zufrieden. Der Tarif gibt mir eine Sicherheit, dass mein Gehalt sich mit weiteren Tarifabschlüssen und Erfahrungsstufen steigern wird. Zudem habe ich Planungssicherheit und das ist mir gerade in der aktuellen Zeit sehr viel wert.“

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