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2000 Euro brutto für die Jugendarbeiterin

Gülden hat in ihrem Job als Jugendarbeiterin auch gelernt, Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen.
Foto: Privat

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Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

Ich arbeite 29 Stunden pro Woche in einem gemeinnützigen Jugendverein. Mein Arbeitsalltag ist unterschiedlich. Wir orientieren unser Angebot an den Jugendlichen und machen vieles gemeinsam. Wir kochen zum Beispiel, machen Ausflüge, gehen ins Kino oder in den Vergnügungspark. Wir bieten aber auch besondere Aktivitäten an. Zum Beispiel organisieren wir einen „Mädchenclub“, der jede Woche stattfindet. Dann dürfen nur Mädchen vorbeikommen und wir unternehmen Dinge, auf die sie Lust haben, wir hören gemeinsam Musik oder spielen. An normalen Tagen haben wir zwei Stunden lang „open house“. Das heißt, die Jugendlichen können in dieser Zeit in unseren Räumlichkeiten abhängen. Es wird nie langweilig und das ist auch einer der Hauptgründe, wieso ich mich für diesen Beruf entschieden habe.  

Wie ich Jugendarbeiterin geworden bin 

Als ich mein Studium im November vergangenen Jahres abgeschlossen hatte, war mir klar, dass ich in die offene Kinder- und Jugendarbeit gehen möchte. Eigentlich spielte ich schon Jahre zuvor mit dem Gedanken, Jugendarbeiterin zu werden. Aber es wurde mir immer wieder ausgeredet. Oft habe ich zu hören bekommen, dass man für den Beruf psychisch stabil sein müsste und keine mentalen Probleme haben dürfte. Damals hatte ich häufig Depressionen, deswegen habe ich mich etwas vor dem Job gefürchtet. Ich dachte, ich würde für die Jugendlichen nicht so da sein können, wie sie es brauchen. 

Aus diesem Grund habe ich nach der Schule zunächst Lehramt studiert. Als ich selbst Unterricht gegeben habe, ist mir allerdings aufgefallen, dass das Verhältnis zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen total distanziert ist. Ich hatte keine Zeit, mit den Kindern zu reden und habe gemerkt, dass es nicht das ist, was ich machen möchte. Nach einigen Semestern Lehramtsstudium habe ich mich dann spontan an der Fachhochschule für soziale Arbeit beworben. Bereits während des Studiums habe ich begonnen, als Sozialarbeiterin zu arbeiten. Den Verein, in dem ich jetzt arbeite, habe ich durch ein Praktikum kennengelernt. Zwei Jahre später habe ich dort als Vertretung für eine abwesende Person begonnen.  

Was der Job mit meinem Privatleben macht

Ich habe mich zum Positiven verändert. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, reflektiere ich nochmal den Tag. Was habe ich erlebt und wie geht es mir mit der Situation? Sowas habe ich früher nie getan. Ich merke, dass ich jetzt eine andere Sichtweise auf Kinder und Jugendliche habe. Früher dachte ich, dass ich sie belehren und immer die Strenge sein müsse. Mittlerweile weiß ich, dass das nichts bringt. Man muss mit den Jugendlichen reden und nicht nur über sie. Nur so kann man eine richtige Verbindung zu ihnen aufbauen. 

Welche Fragen man auf Partys gestellt bekommt 

Das ist unterschiedlich. Wenn ich meinen Job erkläre, bekomme ich allerdings häufig zu hören: „Ist ja voll chillig. Du musst gar nichts machen.“ Das sagen mir zum Beispiel immer wieder Familienangehörige. Mich stört das besonders, weil sie meine Arbeit herunterspielen. Andere fragen, wie ich mit der Anstrengung im Job umgehe und ob ich keine Angst habe. Sie gehen davon aus, dass die Menschen, mit denen ich arbeite, und die häufig aus schwierigen sozialen Milieus kommen, automatisch aggressiv oder kriminell seien. 

Welche Eigenschaften man für den Job braucht

Empathie. Die braucht man aber in jedem Job, bei dem man mit Menschen arbeitet. Damit man das Leben der Jugendlichen verstehen kann, muss man sich in ihre Situation hineinversetzen können und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Damit hatte ich am Anfang ein bisschen Probleme. Ich habe oft die strenge Pädagogin gespielt und wollte ständig alles unter Kontrolle haben. Das kommt aber nicht so gut an. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, den Kindern klassische Musik aufzuzwingen, wenn sie eigentlich Deutschrap hören. Es ist wichtig, dass man sich an ihrer Lebenswelt orientiert. Sonst wird man nicht ernst genommen. Ab und zu muss man trotzdem durchgreifen, zum Beispiel wenn Beleidigungen fallen. Dann kommt es auch mal zu Diskussionen darüber, wer Schuld an einem Streit ist. 

Vorstellung vs. Realität 

Ein häufiges Vorurteil ist, dass Jugendarbeiter:innen einen ruhigen und entspannten Job haben. Das wir den ganzen Tag nur sitzen, nichts zu tun haben und mit den Kindern spielen. Und tatsächlich hatte ich auch gedacht, dass ich in dem Job vor allem pädagogische Freizeitaktivitäten machen würde. Ich habe aber ziemlich schnell begriffen, dass diese Aktivitäten nur dazu dienen, einen Zugang zu den Jugendlichen zu finden. Wir reden mit ihnen, um sie zu entlasten und ihnen ein Gehör zu geben. Das ist aber nicht so einfach, wie man es sich vorstellt. Man muss starke Nerven haben, weil die Pubertierenden sich häufig nichts sagen lassen wollen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir mehr von den Jugendlichen lernen als sie von uns.  

Wie viel man als Jugendarbeiterin verdient

Es kommt darauf an, welche Ausbildung man gemacht hat. Auch die Berufserfahrung macht einen Unterschied. Ich kriege brutto ungefähr 2000 Euro pro Monat.

Wie ich den Jugendlichen konkret helfe

Wir reden über private Angelegenheiten oder unterstützen sie, wenn sie aufs Amt müssen. Es kann sein, dass jemand erzählt, dass er oder sie viel mit den Eltern streitet. In diesem Fall hören wir ihnen zu und versuchen, deeskalierende Ratschläge zu geben. Es kann aber auch sein, dass jemand eine Begleitung zum Gericht oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen für das Finanzamt braucht. Wir versuchen die Jugendlichen zu entlasten. Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund und tragen schon in jungen Jahren viel Verantwortung. Zum Beispiel müssen sie amtliche Formulare ausfüllen oder Briefe übersetzen, da die Eltern häufig die deutsche Sprache nicht gut beherrschen. Hier versuchen wir, sie so weit wie möglich zu unterstützen. 

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