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Noch kein Verdienst für den Backshop-Besitzer

Foto: Privat / Bearbeitung: jetzt

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Vorstellung vs. Realität  

Im November 2019 habe ich gemeinsam mit meiner Frau das Café am Arnulfpark übernommen. Man glaubt nicht, wie viel Arbeit hinter so einem Backshop steckt. Es gibt bei uns Brot und Backwaren, Salate, Sandwiches und Wraps. Viele unserer Kunden denken, dass wir 90 Prozent davon fertig geliefert bekommen. Dabei müssen wir alles jeden Tag frisch zubereiten. Bei den Sandwiches und Salaten kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen. Ganz einfach gesehen ist es ja nur ein belegtes Brötchen, wie daheim auch. Aber man muss schon ein bisschen experimentieren, die Kunden wollen immer wieder was Neues. Wir bieten außerdem in zwei Wochen pro Monat warme Speisen an, jeden Tag ein anderes Gericht – von türkischer Suppe bis hin zu Geschnetzeltem, Käsespätzle und Reis. Kaffee und Kuchen gibt es natürlich auch. 

Wie der Arbeitsalltag eines Backshop-Besitzers aussieht

Wir stehen schon vor fünf Uhr auf und gehen in den Laden, damit wir noch eine Stunde Vorbereitungszeit haben, bevor wir öffnen. Anfangs mussten wir fast jeden Tag nach Ladenschluss um 18 Uhr noch einkaufen gehen, weil wir noch nicht abschätzen konnten, wie viel wir wovon brauchen. Das waren schon sehr lange Tage. Mittlerweile können wir das mit den Bestellungen, Lieferungen und Einkäufen ganz gut abschätzen. Deshalb gehen wir nur noch einmal die Woche einkaufen. Und seit Januar haben wir nur noch bis 15 Uhr auf, dafür aber sieben Tage die Woche.

Wie ich dort hingekommen bin

Ich bin gelernter Glaser und habe fast neun Jahre lang in einer Fabrik gearbeitet. Der Beruf ist eigentlich schön, aber ich bin nicht der Typ, der 50 Jahre lang einfach nur dasteht und dieselbe Maschine bedient. Die Aufstiegsmöglichkeiten waren auch nicht so gut, dass ich gesagt hätte, ich will da für den Rest meines Lebens bleiben. Deshalb haben meine Frau und ich uns dazu entschlossen, uns selbstständig zu machen. Wir wollten uns etwas Eigenes aufbauen, unsere eigenen Sachen verkaufen. Theoretisch hätte ich auch einen Getränkemarkt aufgemacht, aber das mit dem Backshop hat sich dann ganz gut ergeben.

Meine Frau kann exzellent kochen, das hat sie von ihrer Mama. Und das mit dem Backen und der Verkauf erklären sich eigentlich von selbst. Der Backshop hat vorher schon existiert und wir kannten den Betreiber. Bevor wir das Café übernommen haben, habe ich fünf Wochen lang dort gearbeitet und gesehen, wie alles funktioniert. 

Die Buchhaltung haben wir zum Großteil von meinem Dad gelernt, der war auch jahrelang selbstständig. Und wir haben natürlich einen Steuerberater, der über alles nochmal drüber schaut und auch mal Tipps gibt, was wir noch besser machen können. 

Corona-Pandemie und Selbstständigkeit 

Es ist schon ein großer Schritt, sich selbstständig zu machen. Man hat viel Verantwortung und viele Risiken. Mein Onkel und mein Papa waren selbstständig, deshalb wussten wir schon, dass es sehr anstrengend werden wird. Aber durch die Corona-Pandemie hat sich das alles nochmal ein bisschen verändert. Unsere Hauptkunden sind eigentlich Büros, Touristen und Schüler. Die Schüler hatten Homeschooling, die Büros Home-Office und Hotels waren geschlossen. Wir haben zwar die erste Corona-Hilfe, also einmalig 5000 Euro, bekommen, aber das war es auch schon. Natürlich hat das trotzdem etwas gebracht, wir sind dafür sehr dankbar. Und seit letzter Woche geht es bergauf, auch mit den Touristen, zumindest denen aus Deutschland. Wir merken, da ist ein Licht am Ende des Tunnels und hoffen, dass es im Herbst nicht nochmal schlimmer wird.  

Was das mit dem Privatleben macht

Die Selbstständigkeit ist eine ganz große Einschränkung für das Privatleben. Im ersten Jahr haben mich die Kunden, die ich in der Früh um sechs bedient habe, um 19 Uhr immer noch im Laden gesehen. Wir waren länger im Laden als in unserer Wohnung, da waren wir eigentlich nur zum Schlafen. Man hat keine festen Arbeitszeiten, man nimmt automatisch alles mit nach Hause. Die Kunden aus den Büros, die am Wochenende nicht da sind, kommen am Montag her und fragen „Und, wie war dein Wochenende?“. Ich war aber die ganze Zeit im Café, da gibt es kein Wochenende. 

Meine Frau hat am Anfang noch Vollzeit als anästhesietechnische Assistentin in der Klinik gearbeitet. Sie ist dann immer nach Feierabend in den Laden gekommen und hat aufräumen geholfen. Es gab viele Tage, an denen wir vor ihrer Schicht zu zweit im Café standen und sie von dort aus weiter in die Arbeit gefahren ist. Das ging ein paar Wochen gut, dann hat sie auf 50 Prozent reduziert. Mittlerweile arbeitet sie nur noch 25 Prozent in der Klinik, also fünf Tage im Monat. Die restliche Zeit ist sie mit mir im Café. Wir hatten es eigentlich so geplant, dass sie nach einem Jahr Vollzeit im Café einsteigen kann und wir davon leben können. Aber jetzt, während der Pandemie, wollen wir die Sicherheit behalten. Man weiß ja nie, was passiert.

Wie viel man als Backshop-Besitzer verdient

Bisher hat sich das Café selbst bezahlt, mehr aber auch nicht. Wir haben die Übernahme durch einen Kredit finanziert und seitdem von dem Gehalt meiner Frau gelebt. Es war alles ein bisschen anders geplant. Wenn man die Zahlen von den vorherigen Jahren sieht, weiß man, dass einem am Ende des Monats eigentlich ein bisschen was in der Tasche bleiben sollte. Aber davon waren wir jetzt eineinhalb Jahre sehr weit entfernt. Da fängt man schon irgendwann an, an sich selbst und an der Idee der Selbstständigkeit zu zweifeln. In meinen Augen ist es aber eigentlich erstmal irrelevant, was man verdient. Ich habe mich nicht selbstständig gemacht, um viel Geld zu machen, sondern um mein eigener Chef sein zu können. Ich wusste von Anfang an, dass es sein kann, dass ich weniger verdiene als vorher.

Was man als Selbstständiger braucht

Man braucht viel Geduld, viel Kraft, viel Energie und eine zweite Person, die einem immer beisteht und auf die man vertrauen kann. Man hat ja einen sehr einseitigen Blick, wenn man alleine ist. Da hilft manchmal eine zweite Meinung. Auch unsere Familien, die Geschwister und Eltern auf beiden Seiten, waren immer positiv und haben uns bestärkt: „Das wird schon, das schafft ihr schon“. Wir haben zum Glück auch keine Angestellten gebraucht, weil alle für uns da waren und mitgeholfen haben. Die Familie meiner Frau lebt nicht in München. Die konnten wir zum Teil drei Monate lang nicht besuchen, weil wir so viel gearbeitet haben. Wenn wir dann mal dort waren, hat meine Schwiegermama Kuchen oder süßes Gebäck gemacht und uns mitgegeben, um es an die Kunden zu verkaufen oder zu verschenken.

Was am meisten Spaß macht

Der Kundenkontakt ist mir sehr wichtig. Ich habe meine Festanstellung aufgegeben und die Fabrik verlassen, weil die Arbeit so monoton war. Man sieht jeden Tag dieselben Leute und sagt immer nur „Hallo“ und „Tschüss“. Im Backshop hat man zwar auch oft dieselben Kunden, aber immer wieder neue Geschichten. Viele Kunden kenne ich mittlerweile schon beim Namen, mit denen mache ich jeden Tag ein bisschen Smalltalk. Ohne uns jetzt zu sehr loben zu wollen, ich glaube, es fühlen sich alle ziemlich wohl hier.

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