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Gehalt wie viel verdient ein Balletttänzer
Wie ich Balletttänzer geworden bin
Meine Mutter hat mich zu ihrem Balletttraining mitgenommen, als ich drei Jahre alt war. Das hat mich von der ersten Minute an so sehr gepackt, dass ich früh wusste: Ich will Tänzer werden. Mit zehn Jahren bin ich auf ein Ballettinternat gegangen. Die Karriere im Tanz ist kurz, und je früher man anfängt, desto eher schafft man es. Das Schulsystem war anders: Ich bin von der zehnten Klasse direkt in den Bachelorstudiengang gerutscht. Trotzdem war es nicht immer leicht. Ich habe oft gedacht, dass ich es nicht mehr schaffe. Plötzlich war Tanzen nicht mehr „nur“ ein Hobby, sondern es ging um meine Zukunft. Insbesondere im Bachelor-Studium, wo neue Tänzer:innen in den Kurs kommen, wächst der Konkurrenzkampf. Es war hart für mich, mitzuhalten. Ich hatte das Glück, dass meine Lehrer mein Talent gesehen und mich ermutigt haben, nicht aufzugeben. Insgesamt dauerte meine Ausbildung neun Jahre, abgeschlossen habe ich mit dem Bachelor of Arts in Dance. Falls ich das Tanzen aufgeben wollen würde, kann ich damit zum Beispiel auch an einer Kunsthochschule studieren oder in eine ähnliche Fachrichtung gehen. Nach meiner Ausbildung bin ich als Eleve, als Lehrling, zum Theater Bern gegangen, jetzt bin ich im Ballett-Ensemble beim Schleswig-Holsteiner Landestheater. Das Vortanzen für eine neue Company ist immer sehr schwer. Du bist einer von Hunderten, die sich auf eine Stelle bewerben. Manchmal hast du nur eine Stunde, um die Direktoren von dir zu überzeugen, dann wird aussortiert. Oft wird auch einfach ein bestimmter Typ Tänzer gesucht wird. Da kannst du Glück haben oder nicht.
Wie der Arbeitsalltag aussieht
Ich muss jeden Tag zum Training, von Montag bis Freitag. Manchmal auch am Samstag, wenn ich eine Aufführung habe. Der Tag sieht so aus: Training ab zehn Uhr, nach einer kurzen Pause haben wir Probe bis nachmittags. Wenn abends keine Vorstellung ist, geht das Training von 18 bis 22 Uhr weiter. Am meisten gefällt es mir, auf der Bühne zu stehen. Ich bin dort ganz bei mir selbst, dem Körper und der Musik. Da kommt alles zusammen: die Tänzer:innen, das Orchester, das Licht, das ganze Team. Da erkenne ich, dass ich Teil von etwas Großem bin, ich fühle mich lebendig. Einmal musste ich in einer Produktion einen riesigen Hirschkopf anziehen. Das war für mich persönlich eine große Challenge, ich konnte in dem Ding kaum sehen oder atmen. Als Tänzer ist eben kein Tag wie der andere.
Was der Job mit dem Privatleben macht
Da ich einen sehr vollen Terminkalender habe, habe ich nicht viel Freizeit. Ich wohne in einer WG zusammen mit zwei Studierenden. Das tut gut, dann hat man Menschen um sich, die nichts mit Tanzen am Hut haben, wenn man nach Hause kommt. Leider habe ich keine Zeit, um mit meinen Mitbewohnern zusammen zu kochen oder einen gemeinsamen Abend zu verbringen. In der Mittagspause habe ich aber immerhin genug Zeit für mich, kann lesen und meditieren, und ich finds gar nicht so übel, zwischendurch eine Pause zu haben und mich auszuruhen.
Welche Eigenschaften man für den Job braucht
Ich kann mich daran erinnern, wie meine Großmutter zu mir gesagt hat: „Du weißt schon, dass du das jetzt auch durchziehen musst“, weil meine Ausbildung so teuer war. Ab der 7. Klasse und im Bachelor hat die Schule zwischen 200 und 300 Euro pro Semester gekostet. Auch wenn meine Eltern nie Druck gemacht haben – das Streben nach Perfektion ist in der Branche groß. Das ist dann nicht mehr „einfach nur Tanzen“. Ständig wird man bewertet und verglichen. Natürlich sieht man sich selbst dann auch kritischer. Gerade beim Training siehst du dich ständig im Spiegel. Deswegen ist eine gewisse mentale Stärke wichtig. In schwierigen Momenten muss man die Disziplin aufbringen, weiterzumachen. Nicht immer funktioniert dein Körper so, wie du es gerade willst, das kann frustrierend sein. Da sind Ausdauer und Motivation essenziell. Man wird sich seinem Körper viel mehr bewusst und lernt, ihn zu koordinieren. Das sind wichtige Learnings auch in anderen Lebensbereichen. Und für die Freiheit, die ich beim Tanzen spüre, zahlt sich die harte Arbeit aus. Man sollte nicht vergessen, warum man tanzt: für den Spaß!
Wie der Job wirklich ist
Früher hatte ich eine Aufführung im Jahr, davor war ich immer sehr aufgeregt. Jetzt wache ich morgens auf und sehe: „Ah ja, heute habe ich eine Vorstellung. Cool.“ Das Auf-der-Bühne-stehen, das zu Schulzeiten noch so besonders war, wird auf einmal so normal, gehört zur alltäglichen Routine. Und man sagt nicht jedes Mal nach der Vorstellung: Wow, die war richtig gut. Man hat mal bessere, mal schlechtere Tage. Überraschung, es ist tatsächlich auch einfach nur ein Job. Wenn ich tatsächlich mal frei habe, ist es für mich auch wichtig abzuschalten. Feiern zu gehen und die Nacht einfach durchzutanzen, ohne sich an eine feste Choreografie halten zu müssen, kann sehr befreiend sei. Es ist allerdings schwierig, wenn ich mich am nächsten Tag auf eine Vorstellung vorbereiten und fit sein muss. Manchmal aber ist eine solche Nacht auch hilfreich, wenn ich besonders komplizierte Bewegungen machen muss. Ich bin dann viel lockerer. Ich liebe es, dass ich mich als Tänzer frei entfalten und in verschiedene Rollen bei Produktionen schlüpfen kann – fast schon schauspielerisch. Und man lernt so viele andere Leute aus verschiedenen Ländern kennen, mit denen man diese Leidenschaft und Kreativität teilt. Das finde ich daran am schönsten.
Wie viel ich verdiene
An großen Opernhäusern gibt es eine bestimmte Hierarchie. Ganz unten ist das Corps de Ballet, also eine Gruppe von Tänzer:innen, hier fängt man als professionelle:r Tänzer:in an. Danach kommen (Halb-)Soloisten. Die höchste Stufe als Tänzer:in ist Principal. Je höher dein Rang ist, desto mehr Geld verdienst du auch. Und logisch, dass prestigereiche Spielstätten mehr zahlen als kleinere.
Ich verdiene 2715 Euro brutto im Monat, das übliche Einstiegsgehalt. Der Betrag erhöht sich, je länger man am Theater bleibt. Natürlich werde ich mit dem Job nicht reich, aber es reicht mir zum Leben: Ich kann meine Miete zahlen, kann einkaufen gehen und mir etwas zur Seite legen. Wenn man sich für diesen Weg entscheidet, macht man das wegen der Leidenschaft fürs Tanzen und nicht wegen des großen Geldes.
Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme
Für viele ist es schwer zu glauben, dass ich fürs „einfache Tanzen“ bezahlt werde. Dabei ist das echt harte Arbeit. Meistens sage ich einfach, dass ich am Theater angestellt bin. Viele assoziieren das erst mal mit Musical. Besonders oft werde ich gefragt, ob ich auf meine Figur und meine Ernährung achten muss. Nur weil man Ballett tanzt, heißt das nicht, dass man eine Essstörung hat, wie es in Filmen dargestellt wird. Man muss sich gesund ernähren, weil wir beim Tanzen viel Energie brauchen. Für besonders anstrengende Tage helfen Snacks und Süßes sogar, um schnell Energie zu bekommen.
Welche Klischees im Ballett stimmen, und welche nicht
Es gibt das Klischee, dass alle Balletttänzer schwul wären. Das betrifft andere Tanzarten wie Hip-Hop oder Breakdance nicht. Da sieht man coole Typen mit weiter Jeans und 'ner Cap. Im Ballett tragen wir weiße Strumpfhosen – die tragen Männer nicht im Alltag. In der Schule gab es auch mal den einen oder anderen, der sich über mein Hobby lustig gemacht hat. Solche Kommentare habe ich immer abgebügelt, was hat denn meine sexuelle Orientierung mit meinem Job zu tun? Dieses Stereotyp steht im Kontrast zum Männerbild innerhalb des klassischen Balletts: Der Mann soll stark sein, während die Frau Schönheit verkörpert, indem sie Spitze tanzt. Die klassischen Geschlechterrollen sind dort noch sehr verankert. So war es schon immer, aber es gibt Ausnahmen: In einer Inszenierung von Schwanensee des Choreographen Mathew Bourne tanzen die Männer die weiblichen Parts. Trotzdem glaube ich nicht, dass sich das klassische Ballett in der Hinsicht ändern wird.
Welche Rolle ich gerne mal tanzen würde
Ich bekomme immer sehr lustige und komische Rollen, dabei wäre ich echt gerne mal eine böse Figur. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir Rollen gegeben wurden, die auch zu meinem Charakter passen. Allerdings wünsche ich mir mal die Herausforderung, fremde Charakterzüge zu verkörpern.