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2800 Euro brutto für den Golfballtaucher

Kevin liebt das Tauchen – und vereint so Hobby und Beruf.
Foto: Privat

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Was man als Golfballtaucher macht

Als Golfballtaucher sorge ich in den Golfclubs für kunststofffreie Gewässer. Nicht selten landet ein Ball in einem Wasserhindernis, die zum Teil bis zu fünf Meter tief sind. Dort verrotten sie mit der Zeit. Um das zu verhindern, tauche ich die Bälle wieder nach oben. Sie werden anschließend recycelt und als „Lake Balls“ gekennzeichnet wieder verkauft. Es ist erschreckend, was Golfspieler:innen auf ihren Runden alles verlieren: Brieftaschen, Autoschlüssel oder Golfschläger – wenn ich Letztere sammeln würde, hätte ich inzwischen ein ganzes Golfbag zusammen. Letztens fand ich ein altes Portemonnaie. Der Besitzer hatte es vor Jahren verloren und konnte es sich dann wieder abholen. Wir Golfballtaucher:innen bringen den Menschen also auch ihre verlorenen Sachen zurück. Das ist ein schönes Gefühl.

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

Mein Job ist sehr abwechslungsreich, denn ich kann mir meine Arbeitszeiten sehr frei einteilen. Meist fange ich früh morgens an und ziehe mir die Tauchausrüstung an: Ganzkörperanzug und Heizweste. Um die gefundenen Bälle einzusammeln, führe ich ein Netz bei mir. Wie groß die Ausbeute an einem Tag sein wird, ist morgens allerdings noch nicht absehbar: Manchmal liegen die Wasserhindernisse so, dass kaum ein Ball vom Abschlag dorthin gelangt und manchmal finde ich darin ganze Ballansammlungen. Viele glauben, dass eine Taschenlampe zu einer vollständigen Grundausstattung gehört, doch es ist in den Seen so dunkel, dass ich mich eher herantasten muss, als dass ich etwas sehe.

Wie ich Golfballtaucher geworden bin

Nach dem Abitur wusste ich nicht, was ich werden möchte. Im Internet habe ich eine Anzeige entdeckt, die nach Golfballtaucher:innen suchte. Anfangs sagte mir der Beruf nicht besonders viel, aber da ich schon vorher das Tauchen geliebt habe, bewarb ich mich auf gut Glück. Und siehe da, ich wurde genommen. Tatsächlich brauchst du für diesen Beruf keine spezielle Ausbildung, sondern ausschließlich einen Tauchschein. Den habe ich gemacht und arbeite nun seit vier Jahren als Golfballtaucher. Es kann sich also jede:r, die:der volljährig ist und einen Tauchschein hat, als Golfballtaucher:in bewerben. So viele gibt es von uns nämlich noch nicht.

Vorstellung vs. Realität

Der Beruf hat mit den Erfahrungen, die du vom Tauchen aus dem Urlaub kennst, nicht viel zu tun: kein türkises Wasser, keine glitzernden Fische oder leuchtende Pflanzen. Da ich dort unten kaum etwas sehe, sind meine Hände mein Hauptwerkzeug. Das war mir so anfangs nicht bewusst. Durch die Heizweste ist mir nie wirklich kalt, allerdings ist der Job manchmal mental ganz schön herausfordernd: In der Dunkelheit stundenlang Bälle aufzusammeln ist nicht für jede:n etwas. Dafür kommst du aber ganz schön herum und siehst viel von der Welt, das hätte ich so nicht erwartet. Die Gegenden um die hübschen Golfanlagen sind meistens sehr sehenswert.

Welche Eigenschaften man als Golfballtaucher braucht

Natürlich sollte man eine große Leidenschaft fürs Tauchen mitbringen. Ich bin erst letztes Jahr nach Jordanien gereist und habe wieder gemerkt, wie mich dieses Hobby fasziniert. Außerdem solltest du über eine gewisse mentale Stärke und viel Durchhaltevermögen verfügen, denn in den Teichen ist es durch die Dunkelheit etwas beengend. Auch ich muss mir oftmals sagen, dass mir hier unten so ganz allein nichts passieren kann, doch manchmal habe ich schon ein mulmiges Gefühl. Außerdem darfst du keine Angst vor Fischen oder anderen im Wasser lebenden Tieren haben, denn natürlich kommt dir auch mal ein Karpfen entgegen, wie mir letztens in einem französischen Golfclub. Da darfst du nicht die Fassung verlieren, wenn dich etwas am Arm streift, das ganz sicher kein Golfball ist.

Was der Job mit meinem Privatleben macht

Ich bin durch meinen Job sehr viel unterwegs, denn ich tauche nicht nur deutschlandweit in vielen Anlagen, sondern auch in Frankreich oder der Schweiz. Letztens habe ich sogar einen Kollegen in Dubai besucht. Wie lange ich in einem Golfclub tauche, hängt von der Größe und Menge der Wasserhindernisse ab. Ich bleibe auch mal fünf Tage in einer Anlage. Außerdem kann ich durch meine freie Arbeitszeitgestaltung immer wieder ein bisschen Urlaub dranhängen. Das ist ein toller Benefit dieses Berufs. 

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

Ich höre sehr oft „Was? Diesen Beruf gibt es?“. Genervt bin ich aber nicht von der Frage, ich arbeite eben in einem außergewöhnlichen und noch recht unbekannten Berufsfeld. Viele wollen auch wissen, ob mir nicht sehr kalt ist unter Wasser. Ich merke durch diese Fragen, dass der Beruf des Golfballtauchers in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist. Aber wer soll denn sonst die Bälle aus den Gewässern fischen?

Das verdient man als Golfballtaucher

Ich verdiene 2800 bis 2900 Euro brutto im Monat, doch das lässt sich nicht pauschalisieren, da ich selbst entscheide, wie viel ich arbeite. Zudem hängt mein Gehalt davon ab, wie viele Bälle sich in den Gewässern befinden. Pro Ball bekomme ich sechs Cent aufwärts, was sich zunächst wenig anhört, aber es summiert sich, denn ich sage euch: Die Spieler:innen schlagen ganz schön viele Bälle ins Wasser. Je erfahrener du als Golfballtaucher:in bist, desto größer wird auch dein Gewinn pro gefundenem Ball. Ich persönlich bin sehr zufrieden mit meinem Gehalt, vor allem da ich erst 22 Jahre alt bin und noch Golfballtaucher-Anfänger. Und: Wo gibt es schon einen Beruf, der keine Ausbildung benötigt und so ein Einkommen aufweist?

Wie Golfspieler:innen auf mich reagieren

Manche wundern sich und fragen ganz interessiert, ob das denn mein Beruf sei. Andere sind genervt von mir, auch wenn ich nicht ganz verstehe, inwiefern ich sie unter Wasser störe – ich bin doch quasi unsichtbar. Manchmal ist die Zone, in der ich tauche, aber nicht abgesperrt und ein Ball platscht fünf Meter von mir entfernt ins Wasser – echt knapp! Wenn ich dann auftauche, sind die Spieler:innen ganz erschrocken, wenn sie nicht vorgewarnt worden sind. Eine verängstigte Spielerin kam mal zu mir und entschuldigte sich ganz lieb, fragte dann aber auch, ob sie denn jetzt ihren Ball wieder bekommen könne. Den habe ich ihr gegeben und die Sache war gegessen. Andere Golfspieler:innen sind davon überzeugt, dass die eingesammelten Bälle ihr Eigentum seien, jedoch ist das nicht der Fall: Wenn der Golfclub Taucher:innen wie mich engagiert, sind die Bälle unsere „Lake Balls“. Die meisten Spieler:innen verstehen das und fragen dann, wo sie sich denn ihre Bälle vergünstigt zurückkaufen könnten.

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