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3500 Euro brutto für den Kanalarbeiter

Manni hat früher in der Automobilindustrie gearbeitet.
Foto: Privat

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Was ein Kanalarbeiter macht 

Kanalarbeiter, offiziell „Fachkräfte für Rohr-, Kanal- und Industrieservice“, kümmern sich um das Rohrkanalnetz, von der Hausanschlussleitung bis zum Klärwerk. Unsere Hauptaufgabe ist dabei die Reinigung der Kanäle mit Hochdruckspülfahrzeugen. Das sind große LKWs, die wir von außen steuern können.  

Wir reinigen aber nicht nur, sondern überprüfen auch den Zustand der Kanäle. Auch hier kriegen wir technische Unterstützung: Wir nutzen kleine ferngesteuerte Kameraroboter, um nach Schäden zu suchen. Außerdem messen wir, wie hoch der Wasserstand in den Kanälen war und wie viel Niederschlag es in den vergangenen Monaten gab. Manchmal reinigen wir auch Regenrückhaltebecken. 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

Frühmorgens werden wir in Dreier- oder Viererteams eingeteilt, denn wir sind nie allein unterwegs. Am Einsatzort angekommen, platzieren wir den sogenannten Saugschlauch im Kanal. Aus der Reinigungsdüse schießt Wasser mit hohem Druck heraus und spült den Dreck – zum Beispiel Kies oder Schlamm – in Fließrichtung zum nächsten Kanalschacht. Dort saugt der Saugschlauch den Schmutz ein und der LKW nimmt ihn auf. Früher war das anders, da musste man noch selbst mit Besen und Schaufel runtergehen. Im Bereitschaftsdienst helfen wir bei Notfällen, zum Beispiel, wenn jemand seinen Schlüssel im Gulli verloren hat. Oder bei Starkregen, wenn ein Gully verstopft ist und dadurch eine Straße unter Wasser steht. 

Ob mich die Arbeit ohne Tageslicht runterzieht 

Gerade im Winter gibt es Tage, an denen wir nicht an der Oberfläche arbeiten können. Dann sind wir auch mal bis zu vier Stunden am Stück unten. Aber das passiert eher selten. Durch die moderne Technik, die wir nutzen, sind wir meist nur eine halbe Stunde zum Auf- und Abbauen von Schläuchen und Düse im Kanal und lassen den LKW arbeiten. Also nein, die Dunkelheit zieht mich nicht runter. 

Wie ich Kanalarbeiter geworden bin 

Früher habe ich in der Automobilindustrie gearbeitet, dann wollte ich die Branche wechseln. Ich hatte keine konkreten Vorstellungen, doch ich wollte die Aussicht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag und einen sicheren Arbeitsplatz für die Zukunft. Bei meiner Internetsuche hatte ich alle Filter ausgestellt.  

Durch Zufall bin ich auf die Münchner Stadtentwässerung gestoßen und habe dort ein Praktikum gemacht. Mir haben das Betriebsklima und die abwechslungsreiche Arbeit sehr gut gefallen, da man im ganzen Münchner Stadtgebiet unterwegs ist. Auch die Arbeitszeiten fand ich – nach einer kurzer Eingewöhnungsphase – angenehm. Man fängt zwar schon um 6.30 Uhr an, aber kann um 15.15 Uhr nach Hause gehen. Das Gesamtpaket hat mir so gut gefallen, dass ich nach dem Praktikum die dreijährige Ausbildung begonnen habe. Juni vergangenen Jahres habe ich die Ausbildung beendet und bin seitdem fest angestellt. 

Welche Eigenschaften ein Kanalarbeiter braucht 

Teamfähigkeit hat bei uns oberste Priorität. Wir sind nie allein unterwegs. Für den stillen Einzelgänger ist das der falsche Job, denn wir müssen immer miteinander reden. Manche Kanäle da unten sind zehn Meter tief unter der Straße und der Einstieg ist mit großen Gefahren verbunden. Wir müssen uns zu hundert Prozent aufeinander verlassen können. 

Was der Job mit meinem Privatleben macht 

Im Vergleich zu meinem vorherigen Job hat sich mein Privatleben deutlich verbessert. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit – und nehme abends auch nichts mit nach Hause. Früher habe ich viele Berichte geschrieben, hatte Meetings und habe mir mehr Gedanken über die Arbeit gemacht. Den Arbeitslaptop nimmt man schnell mal mit nach Hause. In irgendwelchen Konzernen denken die Leute manchmal rund um die Uhr über ihre Projekte nach, um sich dann im Büro die Köpfe einzuschlagen. Das Handwerk kann ich dagegen nur vor Ort verrichten. Und: Wir ziehen hier alle an einem Strang. Meine Beziehung zu Schmutz hat sich durch den Job übrigens nicht verändert. Mir hat das schon vorher wenig ausgemacht. Doch ich bin umweltbewusster geworden. Ich kriege jetzt mit, was die Leute alles im Klo runterspülen, was dort nicht hingehört. Feuchttücher sind zum Beispiel ein Riesenproblem. Die lösen sich nicht auf und verstopfen regelmäßig die Kanalisation. Dieses neue Bewusstsein gebe ich auch an meine Freunde weiter. 

Die größten Herausforderungen in meinem Beruf 

Zum einen fällt es mir manchmal schwer, so früh aufzustehen. Man gewöhnt sich zwar an alles, aber die Arbeit beginnt nun mal täglich um 6.30 Uhr. Ich muss also um 5.15 Uhr raus aus dem Bett. Zum anderen ist das Kanalnetz 2400 Kilometer lang. Da warten immer wieder knifflige Probleme. Bei der Kanalreinigung kommen immer wieder Verstopfungen vor oder es gibt technische Probleme mit dem LKW. Handwerkliche Kreativität hilft einem hier oft weiter.  

Wir begegnen natürlich auch Ratten im Kanal und bekämpfen sie aktiv, indem wir Giftköder auslegen. Man merkt, dass wir einen Rattenbefall haben. Die Tiere leben meistens in Bauwerken, in denen mehrere Kanäle zusammenführen. Wir müssen aufpassen, nicht gebissen zu werden. Denn mittlerweile haben sie sich an Menschen gewöhnt und fliehen nicht sofort, wenn sie uns wahrnehmen. Mir ist glücklicherweise noch nichts passiert. 

Vorstellung vs. Realität 

Früher hatte ich Vorurteile und dachte, dass man die ganze Zeit unter der Erde bleibt und die Arbeit nicht besonders anspruchsvoll ist. Doch ich habe schnell gemerkt, dass man schon was draufhaben muss, um so einen LKW für eine halbe Million Euro zu bedienen. Mir ist auch klar geworden, was für ein großes unterirdisches Netz die Stadt braucht, damit unser Abwasser bis zum Klärwerk kommt. Bis wir wieder sauberes Wasser haben, ist ein langer Prozess notwendig. Das war mir in der Form nicht klar. Vorher habe ich die Klospülung betätigt und dann ging mich das alles nichts mehr an. 

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme 

Wie ich auf den Job gekommen bin. Und: Ob es im Kanal stinkt. 

Wie es wirklich im Kanal riecht 

Das Kanalnetz ist sehr gut belüftet und das Wasser fließt durchgehend. Aber natürlich hat der Kanal seinen eigenen Geruch. Ich würde ihn am ehesten so beschreiben: wie eine Waschmaschine, in der man seine Wäsche drei Tage lang vergessen hat – ein wenig muffig. Und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Aber es ist lange nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt. Das Klima im Kanal ist übrigens gegensätzlich zu dem an der Oberfläche. Im Winter ist es unten meistens warm, im Sommer kalt. 

Ich würde den Job niemandem empfehlen, der sich schon von der bloßen Vorstellung eines Kanals ekelt oder vor großen Spinnen Angst hat. Doch ich nehme den Geruch nicht mit nach Hause, das ist ein absolutes Klischee. Wir steigen immer mit unserer Schutzausrüstung runter, also mit Einweganzügen, Gummistiefeln, Handschuhen, Maske und Helm. Außerdem duschen wir noch am Arbeitsplatz. Das zählt sogar zur Arbeitszeit. 

Was man als Kanalarbeiter verdient 

Ich verdiene 3500 Euro brutto. So viel kriegt jeder nach der Ausbildung, wenn er wie ich im Tarifvertrag angestellt ist. Und es gibt gute Aufstiegsmöglichkeiten: Man kann bei uns im öffentlichen Dienst berufsbegleitend ein duales Studium beginnen oder eine berufliche Weiterbildung zum Meister absolvieren. Das Studium geht jedoch mehr in Richtung Ingenieurwesen, während die Ausbildung weiterhin handwerklich orientiert ist. Beide beruflichen Wege kann ich mir derzeit sehr gut vorstellen. 

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