Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

6069 Euro brutto für den Urologen

Jonas wollte möglichst früh selbst operieren, so ist er zur Urologie gekommen.
Foto: Sarah Rondot; Bearbeitung: SZ Jetzt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Wie ich Urologe geworden bin

Eigentlich habe ich mich immer als Herzchirurg gesehen. Erst im letzten Jahr meines Studiums habe ich mich für die Urologie interessiert. Im praktischen Jahr ist man jeweils vier Monate auf einer Station und arbeitet dort mit. Für die letzten drei Monate durfte ich die Station frei wählen und die Abschlussprüfung liegt dann auch in diesem Fachbereich. Da hat es eine große Rolle für mich gespielt, wo ich möglichst bald selbst operieren darf. Das ist in der Urologie deutlich früher möglich als in der Herzchirurgie. Außerdem muss man für die Urologieprüfung weniger lernen als für andere Fachbereiche. Die Urologie ist zwar ein kleines, aber sehr vielseitiges Fach. Trotzdem wird es immer noch etwas stiefmütterlich behandelt. Von 500 Studierenden bei meiner Examensfeier haben nur zwei sich für die Urologie entschieden. Konkurrenz hatte ich bei der Suche nach einer Assistenzarztstelle aber trotzdem, denn es ist eben auch ein kleines fachliches Gebiet. Zudem wollte ich gerne in München arbeiten, aber zum Zeitpunkt meines Abschlusses waren hier keine Stellen frei. Dann habe ich erst mal zweieinhalb Jahre in Erlangen gearbeitet, bis ich die Stelle in der München Klinik Bogenhausen bekommen habe.

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

Meine Schicht fängt um sieben Uhr morgens an und endet um 15:30 Uhr. Meistens wird es dann doch etwas später, aber spätestens um 17:30 verlasse ich die Klinik. Morgens findet als erstes die Visite statt. Das ist aber nicht so wie in den Arztserien, wo Patienten den Arzt immer ausfragen. Ich bespreche immer schon mit der Oberärztin den Verlauf des Patienten bevor wir das Zimmer betreten. Im Anschluss haben wir dann eine gemeinsame Sitzung mit dem Personal der Station. Der Arzt, der Nachtdienst hatte, erzählt, wie die Schicht abgelaufen ist und ob er oder sie eine Operation durchgeführt hat. Die 24-Stunden-Schicht haben wir Assistenzärzte nur etwa viermal im Monat: Ich hatte zum Beispiel letzte Nacht Dienst. Ich habe von acht bis 16 Uhr ganz normal Schicht und anschließend bleibe ich im Krankenhaus und habe Bereitschaftsdienst. Wir haben ein Dienstzimmer mit Bett und Dusche, wo ich schlafe. Gestern Nacht musste ich eine Hodentorsion operieren. Da dreht sich der Hoden einmal um sich selbst und wenn man nicht schnell operiert besteht die Gefahr, dass er abstirbt. So ein Notfall kommt aber nicht häufig vor. Meist kommen die Patienten wegen Harnleiter- oder Nierensteinen, Harnwegsinfekten oder Blut im Urin zu uns.

Welche Eigenschaften man als Urologe braucht

Gynäkologen und Urologen brauchen im Vergleich zu anderen Ärzten eine extra Portion Empathie. Denn viele, die zu uns kommen, schämen sich. Und man muss sehr professionell sein. Die Patienten lassen hier wortwörtlich die Hose runter, da ist lachen in dem Moment natürlich völlig unangebracht. Humor an sich ist allerdings wichtig. Ich habe das Gefühl, Urologinnen und Urologen haben unter den Medizinern den besten Humor. Dadurch fühlt sich auf der Station alles viel angenehmer an. Es bringt schließlich niemandem etwas, wenn ich schlecht gelaunt bin, weil um zwei Uhr nachts ein Patient in der Notaufnahme steht, der etwas in seinem Hoden ertastet hat – und der genauso gut hätte tagsüber kommen können. Ich versetze mich dann in ihn hinein: Vielleicht hat er um Mitternacht geduscht, etwas ertastet und Panik bekommen und jetzt steht er eben mitten in der Nacht vor mir.

Was ich auf Partys immer gefragt werde

Wenn ich erzähle, ich bin Arzt, höre ich immer: „Wow, cool, total super.“ Doch sobald ich sage, dass ich Urologe bin, ist das eher von Nachteil für mich. Gerade wenn schon das ein oder andere Bier getrunken wurde, fragen dann nämlich einige: „Meinst du, ich kann dir mal eben was zeigen?“ Und machen dann ganz ungeniert ihre Hose auf. Ich habe auch schon viele sehr explizite Fotos zur privaten Diagnose auf mein Smartphone geschickt bekommen. Da sage ich dann: „Komm behalt die Hose oben und mach einen Termin in der Urologie. Bitte nicht hier auf der Party oder per Handyfoto.“ Da trenne ich Privates und Berufliches doch sehr gerne.

Vorstellung vs. Realität

Ich glaube, was Urologen genau machen, ist vielen in der Bevölkerung nicht so klar. Viele denken, es geht nur um die Prostata. Das Ertasten der Prostata mit dem Finger gehört dazu, doch das ist lange nicht das einzige. Harnröhre, Niere, Blase und das männliche Genital, das alles gehört zur Urologie. Auch Erektionsstörungen und andere Dinge, die die Sexualität beeinflussen. Und: Es ist keine reine „Männermedizin“. Auch Frauen fallen in unsere Zuständigkeit, wenn etwas im Harnbereich ist. Wir behandeln zudem auch Transfrauen, die beispielsweise Hodenkrebs haben. Es ist eine sehr vielfältige Wissenschaft. Wir machen Vorsorge, OPs, Nachsorge. Fast alles, was nicht die Prostata ist, wird in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt. Außerdem denken viele, es gibt nur männliche Urologen, das ist aber in der Realität recht ausgeglichen.

Was der Job mit meinem Privatleben macht

Der Job beeinflusst mein Privatleben wenig. Hier in der Urologie ist die Work-Live-Balance echt gut, weil wir wirklich spätestens 17:30 Uhr rauskommen und unser Chefarzt darauf achtet, dass wir neben einer guten Ausbildung auch ein Privatleben haben. Wache Ärzte sind gut für die Station. Klar, die 24-Stunden-Schicht ist anstrengend, macht mir aber auch Spaß und im Anschluss habe ich immer einen geplanten, freien Tag.

Ab wann und wie oft sollten Männer zur Vorsorge gehen?

Männer können ab dem 35. Lebensjahr zur Vorsorge gehen. Ab 45 Jahren ist es dann wirklich wichtig und wird von der Krankenkasse übernommen. Ab diesem Zeitpunkt wächst nämlich die Prostata und das Risiko von Prostatakrebs steigt. Viele Männer gehen aus Scham vor der Untersuchung der Prostata nicht zur Vorsorge und erst dann zum Arzt, wenn es ein Problem gibt. Dann ist es aber häufig schon zu spät. Wir hier in der Klinik betonen immer den „Movember“, dem Monat für Männergesundheit und Vorsorge – und lassen uns in diesem Monat alle einen Schnurrbart wachsen.

Können Männer auch selbst vorsorgen?

Auf jeden Fall. Erst ab 45 Jahren wird die Vorsorge von der Krankenkasse übernommen. Doch das Risiko für Hodenkrebs ist für Männer zwischen 20 und 40 Jahren höher und hat dann einen erneuten Alterspeak um das 65. Lebensjahr. Deswegen sollten gerade junge Männer regelmäßig ihre Hoden abtasten und sich selbst kontrollieren. Das meiste, was man ertastet, ist dann gutartig, doch es ist wichtig, in die Urologie zu kommen sobald man etwas Ungewohntes erfühlt. Für die Vorsorge in der Urologie sind aber nicht wir in der Klinik, sondern die Praxen zuständig. Mit denen arbeiten wir eng zusammen.

Kommen auch Menschen nach Sexunfällen zu dir?

Ein Teil der Patienten kommt wegen Sexunfällen. Den befürchteten Penisbruch gibt es wirklich. Es ist aber kein wirklicher Bruch, sondern ein Riss in der Membran des Penis, dann entstehen Blutergüsse und der Penis sieht aus wie eine Aubergine. Manche schieben sich aber auch etwas in die Harnröhre. Ein Patient hat sich ein Zahnarztwerkzeug in die Harnröhre gesteckt. Das war noch während Coronazeiten und ich war sehr froh über meine Maske. Denn als ich das Werkzeug auf dem Röntgenbild entdeckt habe, ist es mir bei aller Professionalität schwergefallen, ein Pokerface zu bewahren.

Wie viel man als Urologe verdient

Ich bin jetzt im fünften Ausbildungsjahr als Assistenzarzt und verdiene 6069 Euro brutto. Dazu kommen im Monat insgesamt etwa tausend Euro Zuschlag für die 24-Stunden-Dienste. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Gehalt und kann gut davon leben. Klar, wenn ich darüber nachdenke, was manche Manager verdienen, deren Entscheidungen lange nicht so eine Tragweite haben wie meine, komme ich auch mal ins Grübeln. Aber mir reicht das Geld und ich mag meine Arbeit sehr.

  • teilen
  • schließen