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743 Euro brutto für die Tanzlehrerin in Ausbildung

Wenn ihre Eltern sie nicht finanziell unterstützen würden, könnte Julia ihren Traum nicht realisieren.
Foto: privat; Illustration: jetzt

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Wie der Arbeitsalltag einer Tanzlehrerin aussieht

„Ich gebe Kurse an einer Tanzschule und fange erst nachmittags gegen 15 Uhr an zu arbeiten. Um die Zeit haben wir oft Kurse für Kinder. Die Paartanz- und Fitnesskurse sind erst später am Abend, wenn die Teilnehmer selber nicht mehr arbeiten müssen. Früher habe ich vor allem Anfängerkurse gegeben, inzwischen unterrichte ich auch höhere Stufen. Daneben fällt noch Büroarbeit an. Ich muss die nächsten Kurse organisieren, mich um An- und Abmeldungen kümmern, E-Mails schreiben und so weiter. Gegen 23 Uhr gehe ich dann nach Hause – manchmal früher, manchmal später, je nachdem, wie viel zu tun ist. 

Wie die Ausbildung abläuft 

Im Moment befinde ich mich noch in dualer Ausbildung. Das heißt, zusätzlich zu den 40 Stunden Arbeit in meiner Tanzschule habe ich sechs Stunden pro Woche Ausbildung in einer anderen Tanzschule. Dort haben wir Tanztraining und lernen Standardtänze wie den langsamen Walzer, Tango, Wiener Walzer und lateinamerikanische Tänze wie Cha-Cha-Cha, Rumba und Jive. Außerdem gibt es Weiterbildungen für speziellere Tänze wie Rock ’n’ Roll und Hip Hop oder für Kindertanzen. Das kann man sich je nach Vorliebe aussuchen.

Wir besprechen auch einzelne Figuren und die zugehörige Technik. Die Bewegungen sind alle in Technikbüchern festgehalten, aus denen wir auch für unsere Prüfungen lernen. Am Ende jeden Jahres, immer im Sommer, habe ich eine Abschlussprüfung. Die besteht aus einem praktischen Teil, in dem ich das vortanzen muss, was ich über das Jahr hinweg gelernt habe, und einem theoretischen Teil. Das ist eine mündliche Prüfung, in der die Technik abgefragt wird.

Ich bin gerade im letzten Ausbildungsjahr und werde danach von meiner Tanzschule übernommen. Das ist eigentlich für die meisten Auszubildenden so. Aber ich habe auch Freunde aus der Ausbildung, die wollen danach studieren oder auf Kreuzfahrtschiffen Tanzunterricht geben. Ich halte aber die Zeit mit Corona nicht für die beste, um mir etwas Neues zu suchen. 

Wie ich dort hingekommen bin 

Ich komme ursprünglich aus Italien, wo ich lang Volkstanz getanzt habe. Während meiner Schulzeit habe ich dort einen Kurs für Tanzlehrer gemacht und wollte danach unbedingt noch mehr lernen. Da es in Italien keine Berufsverbände für Tanzlehrer gibt, bin ich 2019 nach Deutschland gekommen. Ich hatte zu Beginn der Ausbildung den Vorteil, dass ich das Prinzip von Führen und Folgen schon sehr gut kannte. Der Führende bestimmt also, welche Figuren getanzt werden, wie groß die Schritte sind, bestimmt Rhythmusvariationen. Der Folgende geht auf die Körperbewegungen des Führenden ein und macht das idealerweise nach. Ich hatte durch das viele Tanzen damals schon ein gewisses Körpergefühl. Aber es war natürlich trotzdem nicht leicht, einen Haufen neue Schritte auf einmal zu lernen. Das Gute an der Ausbildung ist, dass jeder am Ende relativ gut mitkommt, wenn er sich anstrengt. 

Es gibt auch Tanzschulen, die Tanzlehrer auch ohne Ausbildung anstellen. Wenn man genug weiß über das Tanzen, also zum Beispiel Turniertänzer ist, braucht man die Ausbildung nicht zwingend. Aber für Leute wie mich, die vorher nicht viel mit lateinamerikanischen Tänzen zu tun hatten, ist die Ausbildung unheimlich bereichernd. Neben dem Tanzen lernen wir in Unterrichtstheorie viel über Kommunikation mit den Schülern. Das ist alles sehr spannend und trägt natürlich zur Unterrichtsqualität bei.

Welche Eigenschaften man als Tanzlehrerin braucht

Ich finde das so schön, wenn ich mit den Paaren in einem Einsteigerkurs anfange und dann sehe, wie sie immer besser werden und sich weiterentwickeln. Und natürlich macht mir das Tanzen selbst unheimlich viel Spaß. Man muss es schaffen, diese Leidenschaft, die man hat, rüberzubringen. Man muss charismatisch, witzig und freundlich sein. Ich glaube, dass ich das kann, weil die Leute immer am Ende sagen, dass ihnen das Tanzen Spaß macht. 

Es gibt Tage, an denen es einem einfach schlecht geht, aus welchen Gründen auch immer. Manchmal bin ich auch genervt von gewissen Kursteilnehmern. Man muss dann aber trotzdem in den Kurs gehen und entertainen. Das kann schwer sein. Das Schöne ist aber, dass meine Kollegen die gleichen Probleme haben und wir uns beieinander auskotzen können. 

Was die meisten Menschen von dem Job abhält, sind tatsächlich die Arbeitszeiten. Wenn man Paartanz unterrichtet, arbeitet man am Wochenende und spät abends, das muss einem schon bewusst sein. Ich persönlich bin kein Frühaufsteher, deshalb passen mir diese späten Arbeitszeiten sehr gut.

Die Frage auf der Party

Solange ich nicht direkt danach gefragt werde, erzähle ich nicht von meinem Job. Denn die Leute denken dann immer, dass ich richtig gut tanzen kann. Das schüchtert viele ein, sie trauen sich dann nicht mehr, mit mir zu tanzen. Viele wissen außerdem nicht, dass man das als Vollzeitjob machen kann. Da kommt dann immer die Frage: „Und was machst du hauptberuflich?“

Wie viel man als Tanzlehrerin verdient

Als Auszubildender bekommt man Mindestlohn. Und es werden gleich die Kosten für die private Ausbildung rausgerechnet, deshalb bekomme ich 743 Euro brutto pro Monat. Beim Einstiegsgehalt kommt es ziemlich darauf an, wo man wohnt und wie viel man arbeitet. Tanzlehrer ist kein staatlich anerkannter Beruf, die Gehälter sind sehr unterschiedlich. Man kann zum Beispiel Zuschläge bekommen, wenn man sonntags oder spät abends arbeitet. Aber ganz allgemein würde ich das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung auf etwa 1800 Euro brutto schätzen. 

Mein aktuelles Gehalt reicht mir in meinem Wohnort Ingolstadt eigentlich nicht aus, weil dort die Miete ziemlich teuer ist. Deshalb bekomme ich noch ein bisschen Unterstützung von meinen Eltern. Und ich habe mir die letzten Jahre etwas angespart, weil ich ja nicht gleich nach der Schule mit der Ausbildung angefangen habe, sondern vorher gearbeitet habe. Ich komme deshalb ganz gut klar.

Was der Job mit dem Privatleben macht

Ich arbeite dann, wenn andere Freizeit haben. Meine Freunde kann ich deshalb nicht so oft sehen. Aktuell habe ich aber zum Glück freitags frei. Viele meiner Freunde sind Studenten, die kann ich auch mal vormittags treffen. In meiner Tanzschule gibt es auch Ferien, die sich meistens mit den Schulferien decken. Das nutze ich dann immer, um mich mit Freunden zu treffen oder nach Italien zu fahren. Wenn ich nach der Arbeit heimkomme und noch nicht müde bin, mache ich meine Kopfhörer rein und tanze ein bisschen. Viele Leute sagen, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, ist das nur noch Arbeit. Ich sehe das anders. Ich habe auch in meiner Freizeit noch Lust auf Tanzen.

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