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4600 Euro brutto für die Historikerin

Mariko arbeitet als Historikerin.
Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Wie ich Historikerin geworden bin

Mir war auf keinen Fall immer klar, dass ich einmal Geschichte studieren werde. Aber ich habe schon als Kind Bücher verschlungen, die mit Geschichte zu tun hatten - Sachbücher, historische Romane, Mangas. Wenn wir Ausflüge gemacht haben, wollte ich am liebsten zu Denkmälern oder Kirchen. An der Uni Freiburg habe ich mich dann auch für Neuere und Neueste Geschichte eingeschrieben, damals noch im Magister, mit den Nebenfächern Geologie und Latein. Um mir die Option Lehramt offenzuhalten, habe ich auch ein Staatsexamen in Geschichte und Latein abgelegt. Ich bin aber im Anschluss nie an die Schule gegangen.

Mein Dozent hat einmal gesagt, es gibt keine arbeitslosen Historiker, sondern nur Historiker mit Zusatzqualifikationen. Das Studium bietet einem in der Tat viele Möglichkeiten. Wir lernen Dinge wie Textarbeit, Recherche und uns kritisch mit Quellen und Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen – dadurch qualifiziert einen das Studium für eine breite Auswahl an Berufen.

Was eine Historikerin macht

Die Berufsrichtungen sind etwa die Archiv- und Museumsarbeit, Journalismus, in der freien Wirtschaft, das Unterrichten an der Schule oder das Lehren und Forschen an einer Universität. Das mache ich. Letztes Semester habe ich ein Seminar über die Geschichte Japans in der Neuzeit angeboten. Neben der Lehre forscht man dann noch zu bestimmten Themen. 

Mein Schwerpunkt ist die historische Katastrophenforschung. In dem Bereich habe ich dann auch meine Doktorarbeit geschrieben und dieses Jahr abgegeben. In meiner Dissertation habe ich mich damit beschäftigt, wie das staatliche Katastrophenmanagement in Japan etabliert wurde, etwa in der Zeit zwischen 1890 und 1970. Dabei habe ich mir vor allem japanische Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen angeschaut, die sich dafür eingesetzt haben, Präventionsmaßnahmen einzuführen und allgemein bekannt zu machen.

Vorstellung vs. Realität

Ich denke, man sollte dieses Bild von Historiker:innen, der nur einsam im Archiv sitzt und Akten durchwühlen, aus dem Kopf bekommen. Klar, Archivarbeit ist wichtig für die Forschung und es gibt auch Historiker:innen, die Archivar:innen sind. Aber aber die Arbeit als Forschende ist viel kommunikativer als man denkt. Auf Tagungen und Konferenzen treffen sich Historiker:innen und diskutieren über neue und bereits bekannte Forschungsergebnisse. Während man Aufsätze schreibt oder an einem Buch arbeitet, holt man sich Feedback von den Kolleg:innen ein. Für Forschungsreisen ist man teilweise viel unterwegs und sieht was von der Welt. Auch als Dozent:in an einer Uni tauscht man sich viel aus, mit anderen Dozierenden wie mit Studierenden.

Welche Eigenschaften man als Historikerin braucht

Das kommt natürlich ein bisschen auf die Richtung an, in die man geht. Auf jeden Fall sollte man neugierig, flexibel und offen für Neues sein. Als Dozentin sollte man pädagogische Fähigkeiten mitbringen. Aufgrund der unsicheren Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler:innen in Deutschland, die seit dem Hashtag #IchbinHanna wieder diskutiert werden, sollte man eine gewisse Ausdauer und Geduld mitbringen, was Jobfragen angeht. Nur sehr wenige schaffen es bis zur Professur. Diese Unsicherheit muss man ertragen können. Es ist daher auch sehr wichtig, dass man gut organisiert ist und sich seine eigenen Netzwerke aufbaut. Und auch wenn es eben nicht nur Schreibtischarbeit ist - Sitzfleisch und eine gewisse Lust am Lesen und Schreiben muss man natürlich auch haben.

Die Herausforderungen, die man als Historikerin hat

Wie gesagt, in Deutschland ist es unglaublich schwer, langfristig einen Arbeitsvertrag zu bekommen. Wegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bekommt man die Stellen an den Universitäten in der Qualifikationsphase, also während und nach der Doktorarbeit, nur befristet und muss sich alle paar Jahre oder sogar alle paar Monate erneut Gedanken um seine Zukunft machen. Nach zwölf Jahren befristeter Anstellung ist dann Schluss, wenn man keine Professur ergattert oder eine der wenigen Mittelbaustellen, die meistens für die Studienberatung mit zuständig sind. Wirklich sicher ist das insbesondere finanziell nicht. Wenn man eine Habilitation absolviert hat, ohne die man als Historiker:in praktisch keine Professur bekommen kann, und Privatdozent:in wird, muss man weiter lehren, um diesen Titel nicht zu verlieren. Wenn man nicht angestellt ist, dann arbeitet man eben ohne Gehalt. Deshalb sollte man als Historiker:in immer einen Plan B haben. Bei mir ist das das Lehramt.

Was das mit dem Privatleben macht

Dass ich einen neuen Job finde, darum mache ich mir keine Sorgen. Ich weiß nur nicht, wo und für wie lange. Es kann sein, dass ich nächstes Semester in Japan oder Singapur arbeite, oder auch wieder in Deutschland. Dieses ganze Hin und Her ist alleine und wenn man jung ist noch ganz gut zu bewältigen. Mit einem Partner ist es dann schon schwieriger. Man muss immer wieder Fernbeziehungen in Kauf nehmen. Darum gibt es viele Paare bei den Historiker:innen, die dann zusammen unterwegs sind. Mit einer möglichen Familie mit Kindern kann ich mir das dann aber gar nicht mehr vorstellen. So einen Ortswechsel alle paar Jahre möchte ich meinen Kindern nicht zumuten, vor allem, wenn sie in die Schule kommen. Vor allem Frauen entscheiden sich deswegen oft gegen eine Karriere in der Wissenschaft. Inzwischen gibt es da aber einige Professorinnen, die beides unter einen Hut bringen. Ich bin sehr dankbar, solche Vorbilder zu haben.

Das Gehalt

Letztes Semester habe ich an der Uni etwa 4600 Euro brutto verdient. Wir sind Angestellte des öffentlichen Dienstes und bekommen Entgeltgruppe E13. Das Gehalt kommt auf den Umfang der Tätigkeit und das Dienstalter an. In meinen ersten Anstellungen, das waren Doktorandenstellen, habe ich um die 1700 Euro brutto verdient.

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

„Fährst du dann später Taxi?“ – das habe ich oft gehört. Ich erzähle dann immer von meinen bisherigen Jobs und den Möglichkeiten, die mir offen stehen. Und selbst wenn es mit der Karriere an der Universität irgendwann nicht mehr weitergeht, kann ich noch Lehrerin an einer Schule werden. Das würde mir auch Spaß machen.

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