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3850 Euro brutto für den Müller

Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Nach der Realschule war es Steven Erlers großer Traum, Polizist zu werden. Heute ist er 24 und Müller. Ein Beruf, den sich viele vielleicht noch romantisch vorstellen, mit großen Mühlsteinen und Eseln, die Mehlsäcke schleppen. Steven beschreibt den Job heute aber ganz anders.

Was ich als Müller mache

„Ich arbeite als Müller, beziehungsweise als Verfahrenstechnologe für Mühlen- und Getreidewirtschaft in einer Schäl- und Flockiermühle. Es ist meine Aufgabe, Rohhafer anzunehmen, ihn zu schälen, zu reinigen und zu flockieren – also eine perfekte verzehrfertige Haferflocke herzustellen. Unsere Haferflocken landen dann später in Müslis, auf Riegeln oder in Vogelfutter. Seit der vegane Lebensstil boomt, kommt außerdem ein großer Teil unseres Umsatzes aus der Herstellung von Hafermehl, das später zu Hafermilch weiterverarbeitet wird.

Wir verbringen etwa 50 Prozent der Arbeitszeit in der Schaltwarte, wo wir an Bildschirmen die Anlagen steuern und überwachen, und 50 Prozent in der Produktion. Dort kontrollieren wir Prozesse und sichern eine gute Qualität. Es geht zum Beispiel darum, ob zu viel Spelz, also zu viel von der Hülle des Haferkorns, im Produkt ist oder die Flockierung, sprich die Flockendicke und die Feuchtigkeit der Flocken, passt.“

Wie ich zu dem Job gekommen bin

„Das war ein großer Zufall. Nach der Realschule war mein großer Traum, Polizist zu werden. Ich bin aber nur 1,66m groß, die Mindestgröße bei der Polizei lag damals bei 1,70m. Das hat mir also einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heute kann ich sagen: zum Glück. Ich bin dann mit meinen Eltern auf eine Berufsbildungsmesse bei uns im Ort gegangen und hatte dort ein sehr nettes Gespräch mit Mitarbeitenden aus unserem Unternehmen. Einen Tag später habe ich mich für eine Ausbildung beworben und wurde genommen. Die Lehre zum Verfahrenstechnologen für Mühlen- und Getreidewirtschaft dauert drei Jahre. In jedem Lehrjahr hat man zwei Schulblöcke und arbeitet ansonsten im Betrieb. Mittlerweile arbeite ich seit etwa drei Jahren als ausgebildeter Geselle.“

Weshalb ich Müsli jetzt mit anderen Augen sehe

„Ein ganz wichtiger Teil der Arbeit ist, das Muster ziehen. Das bedeutet, dass ich stündlich 100 Gramm aus unterschiedlichen Teilen des Prozesses ziehe und kontrolliere, ob ich Teile sehe, die nicht in die Probe gehören, wie kleine Steine oder andere Getreidekörner. Ich schaue mir auch an, ob der Hafer dunkler ist als gewöhnlich oder komisch riecht. Wenn uns dabei etwas Ungewöhnliches auffällt, greifen wir sofort in die Produktion ein.

Diesen Blick kann ich mittlerweile auch in meiner Freizeit nicht mehr ablegen. Während ich früher im Supermarkt einfach irgendein Müsli gekauft habe, ohne darauf zu achten, was da genau drin ist oder ob das Produkt komisch aussieht, gehe ich mittlerweile durch die Regale und schaue immer ganz genau, welche Packung am besten aussieht. Ich kontrolliere immer: Ist da Spelz drin? Und wo kommt das Produkt eigentlich her? Da dauert der Einkauf dann auch mal länger.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Wir arbeiten in Früh-, Spät- und Nachtschichten, die wöchentlich wechseln. In jeder Schicht passiert aber grundsätzlich das Gleiche. Das Erste ist natürlich: Kaffee kochen. Dann machen wir eine Übergabe mit der Vorschicht und teilen die Aufgaben für die nächste Schicht ein. Anschließend beginnt der erste Produktionsrundgang. Wir als Müller gehen dann durch unsere zwei Mühlen und kontrollieren, ob die Maschinen ordentlich eingestellt sind, wie der Hafer an unterschiedlichen Prozessschritten aussieht oder ob Havarien, wie zum Beispiel verstopfte Rohre, entstehen können. Der nächste Schritt ist eine Mischung aus Muster ziehen, Überwachung der Prozesse und Anpassungen, die sich aus unseren Rundgängen und der Überwachung ergeben.“

Was der Job mit meinem Privatleben macht

„Ich bin seit mehr als einem Jahr in einer Beziehung. Da ist es manchmal schwierig, wenn man abends zusammen zu Bett gehen möchte, ich dann aber um 22 Uhr bei der Nachtschicht sein muss. Genauso ist es an Feiertagen oder Wochenenden. Das ist ein großer Nachteil und kann zu Streitigkeiten führen. Gleichzeitig sind wir in unserem Betrieb sehr flexibel. Daher ist es oft kein Problem zu sagen: Ich komme morgen zwei Stunden später und mache dafür übermorgen Überstunden. Diese Flexibilität ist mir persönlich sehr wichtig.“

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme

„In 95 Prozent der Fälle fragen Menschen: Was? Das gibt es noch? Dann sage ich immer: ‚Haferflocken entstehen nicht von selbst, die muss schon irgendwer herstellen.‘ Zwar hat sich der Beruf verändert, aber natürlich gibt es ihn noch. Egal wo man ist, ob auf einer Party, einem Geburtstag, oder auf Familientreffen, der Beruf ist immer ein Thema und jeder möchte mit dir darüber sprechen. Das ist etwas, das mich sehr stolz macht.“

Welche Eigenschaften ich für den Job brauche

„Man muss in der Lage sein, die Übersicht über viele Prozesse und Mitarbeitende zu behalten. Wir haben zum Beispiel Produktionshilfen, die Absacker, die das Endprodukt in große Säcke abfüllen. Wir als Müller sagen den Absackern, wie sie das machen sollen, an welchen Anlagen und wie lange. Als Müller macht man nie nur eine Sache, sondern fragt sich im Hinterkopf die ganze Zeit: Wann muss ich welche Anlage umstellen? Wie viel Produkt muss ich herstellen? Wie muss ich das Produkt herstellen, um die perfekte Qualität zu erzeugen?“

Vorstellung vs. Realität

„Ich habe mir den Job auf jeden Fall romantischer vorgestellt. Es ist nicht so, dass wir mit dem Esel und dem großen Mahlstein arbeiten oder selbst noch Säcke schleppen. Der Beruf ist inzwischen sehr technisch, die Atmosphäre ist eher klinisch-rein. Klar, denn wir stellen ja Lebensmittel her. Anders könnten wir auch gar nicht jede Woche über 1000 Tonnen Haferflocken erzeugen. Ich würde aber nicht sagen, dass das eine negative Überraschung war – ganz im Gegenteil.“

Warum mich mein Job glücklich macht

„Durch die technischen Veränderungen ist der Job keiner mehr, der einen körperlich in zehn oder fünfzehn Jahren kaputt macht. Einen großen Teil der physischen Arbeit übernehmen die Maschinen. Vieles läuft aber auch nicht automatisch, Prozesse müssen überwacht und angepasst werden. Das heißt, ich muss mehr Köpfchen einsetzen als Körper – das finde ich toll. Gleichzeitig sitzen wir nicht nur in der Schaltwarte vor den Bildschirmen, sondern sind auch viel im Betrieb unterwegs. Diese Balance ist etwas, was ich immer wollte.

Mit Blick auf die Zukunft gibt mir mein Job große Sicherheit. Natürlich werden auch bei uns Prozesse automatisiert, gleichzeitig glaube ich nicht, dass wir je ganz von künstlicher Intelligenz ersetzt werden. Die KI kann zum Beispiel nicht riechen oder schmecken – Eigenschaften, die man bei uns unbedingt braucht, um eine gute Qualität der Haferflocken zu sichern. Es wird also immer Fachpersonal wie mich brauchen.“

Wie viel ich verdiene

„Mein durchschnittliches Bruttogehalt liegt bei 3850 Euro. Das schwankt immer etwas und setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen: Dem Grundgehalt, Schicht-, Wochenend- und Feiertagszulagen und Überstunden. Für heutige Verhältnisse ist das gutes Geld, gerade weil hier in Sachsen meine Fixkosten relativ gering sind. Ich mache das, was mir Spaß macht, und ich komme mit meinem Gehalt sehr gut über die Runden. Also: Alles richtig gemacht.“

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