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„Nachts um halb vier rufen die Leute schon mal an und wollen eine Kiste Bier“

Lasse Schörling ist der jüngste Herbergsvater Norddeutschlands.
Credit: Privat

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Hippe Hostels gibt es heute in Großstädten an jeder Ecke – die klassische Jugendherberge hat dagegen ein schon fast angestaubtes Image. Zu stark sind die Erinnerungen an bunte Abende im Schulandheim und Früchtetee zum Frühstück. Was hat sich in Jugendherbergen in den vergangenen Jahren eigentlich getan? Und: Wie ist es, als junger Mensch eine Jugendherberge zu leiten? Lasse Schörling ist 26 Jahre alt und seit Juli dieses Jahres Chef der Jugendherberge in Ratzeburg, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein. Damit ist er der jüngste „Herbergsvater“ in Norddeutschland.

Jetzt: Was sind Erinnerungen, die du aus deiner Kindheit mit Jugendherbergen verbindest?

Lasse Schörling:  Kaltes Abendbrot und Hagebutten-Tee. Das kann man mit heute gar nicht mehr vergleichen – der Anspruch ist viel höher geworden.

Wie sind die Ansprüche denn heute?

Allgemein ist es einfach viel komfortabler geworden. Bei uns im Haus haben wir zum Beispiel keine großen Schlafsäle mehr, wo man einmal durch den großen Korridor muss, um am Ende in den Waschraum mit Gemeinschafts-Duschen zu kommen. Heute haben die Zimmer eigentlich alle eine eigene Dusche und ein WC. Das ist im Vergleich mit vor fünfzehn, zwanzig Jahren schon ein großer Sprung.

Wieso finden die ganzen spannenden Geschichten aus der Teenie-Zeit immer in den Jugendherbergen statt?

Ich glaube, das ist tatsächlich so ein Jugendherbergs-Ding. Die meisten Leute, die hier nach einer Woche rausgehen, die bescheinigen einem hier so eine Wohlfühl-Atmosphäre und ich vermute, das hat ganz viel damit zu tun, dass viele unserer Gäste den persönlichen Umgang dem förmlichen vorziehen. Wir sind relativ nah am Gast und man weiß, dass man bestimmte Gästegruppen auch entspannt duzen kann. Weil wir ganz viel mit dem Gast reden, haben wir auch eine größere Bindung zu ihm.

Apropos Bindung zum Gast: Was erlebst du so als Jugendherbergschef?

Da ist tatsächlich alles dabei. Es kommen nicht nur Schulklassen, sondern auch viele Musikgruppen, Seminare und Sportgruppen, aber auch mal Junggesellenabschiede. Da rufen die Leute dann nachts um halb vier über die Rufbereitschaft an und wollen eine Kiste Bier, weil ihre leer ist. Wir hatten nachts auch schon mal einen Fehlalarm der Brandmeldeanlage, sodass man nachts mit Gästen und Feuerwehr ein Zusammentreffen der besonderen Art erlebt hat.

„Herbergsväter waren zu meinen Grundschulzeiten eher ältere Männer mit Rauschebart“

Hast du den Leuten denn eine Kiste Bier besorgt?

Viele gehen tatsächlich davon aus, dass die Jugendherberge 24/7 besetzt ist. Ist sie aber nicht. Wir arbeiten von morgens halb sieben bis abends um elf und für Notfälle bin ich nachts über eine Rufbereitschaft zu erreichen, wenn sich zum Beispiel Kinder aus dem Zimmer ausgeschlossen oder verletzt haben. Aber wenn nachts um halb vier noch Bier gebraucht wird, dann geht das nur in Ausnahmefällen. 

Wie haben sich die Herbergen, die du noch von früher kennst, verändert?

Damals konnte man hauptsächlich Übernachtung und Verpflegung buchen. Heute ist es üblich, dass Jugendherbergen auf Zielgruppen abgestimmte Pauschalprogramme anbieten. Das ist der ganz krasse Gegensatz zu früher, als die Lehrer sich vorher erkundigen mussten, was es in der Nähe zu tun gibt und wie man dahin kommt. Heute versuchen wir, ihnen dies von vornherein alles abzunehmen.

Was gefällt dir an deinem Job am meisten?

Tatsächlich der Gästekontakt. Aber ich versuche, meine Arbeit so zu strukturieren, dass ich morgens so früh wie möglich anfange, so um halb sieben, um die Schreibtischarbeit wegzubekommen, damit ich im Gästebereich relativ viel präsent sein kann. Ich will den Gästen zeigen und vermitteln, dass man sich gerne Zeit für sie nimmt, auch und besonders als Hausleitung. Das schätzen die Gäste sehr. 

Was spielt dein Alter als „Herbergsvater“ für eine Rolle?

Herbergsväter waren zu meinen Grundschulzeiten eher ältere Männer mit Rauschebart, so wie man sich den typischen Herbergsvater vorstellt. Da ich noch relativ jung bin, habe ich zu einigen Zielgruppen einen anderen Zugang als es vielleicht einige ältere Kollegen haben. Ich bin ja auch noch etwas näher an der Jugendsprache dran und kann daher auch mal etwas lässiger reagieren, aber sonst gibt es da nicht so viele Unterschiede. 

Was sind die Geschichten aus den Jugendherbergen, die den Arbeitsalltag interessant machen?

Interessant finde ich vor allem, dass sich Gruppen der offensichtlich gleichen Gastart von Woche zu Woche komplett unterscheiden können. Andere Wünsche, andere Ansprüche, andere Persönlichkeiten – obwohl die Gruppen eigentlich sehr ähnlich sein müssten. Für mich ist hier aber immer wieder wichtig zu sehen, dass wir uns auf unser sehr breites Gästespektrum gut einstellen können. Mit so vielen verschiedenen Gästen bleibt es automatisch interessant.                 

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