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Noch kein Geld für den Restaurant-Pächter

Fotos: Privat / freepik / Collage: jetzt.de

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Der Weg 

Eigentlich wollte ich Lehrer werden. Sport und Wirtschaft. Seit dem ersten Januar 2018 bin ich Pächter eines mexikanischen Restaurants in Passau. Das hat sich eher zufällig ergeben. Normalerweise gibt es zwei Wege in die Gastronomie: Entweder, du wirst hineingeboren und erbst ein Lokal – oder du jobbst nebenbei und bleibst dann dabei. 

In dem Lokal, das ich pachte, habe ich selbst acht Jahre lang als Barkeeper gearbeitet. Ich kenne den Laden in- und auswendig. Im Herbst 2017 wollte der Vorbesitzer das Lokal verkaufen und sprach mich an, ob ich mir nicht vorstellen könne, den Pachtvertrag zu übernehmen. Dann ging es erst mal sehr lange hin und her, weil er sehr viel Geld dafür wollte. Im Winter waren wir uns dann einig. Günstig war es nicht. Von dem Geld könnte man sich hier in Passau eine kleine Wohnung kaufen. 

Ich habe aber schon neben meinem Abitur-Nachholen und einer Ausbildung zum Fremdsprachenassistenten immer an der Bar und auf Volksfesten gearbeitet. Weil ich auch nicht besonders verschwenderisch lebe, hat sich da ein bisschen Geld angesammelt. Für den Kauf musste ich trotzdem das Haus meiner Großeltern als Absicherung angeben, darüber läuft jetzt die Finanzierung. 

Das Geld 

Der Vorbesitzer hat nicht besonders gut gewirtschaftet und ich glaube fest daran, dass der Laden sehr viel lukrativer sein könnte. In der Cantina steckt viel mehr Potenzial, aber es dauert, das zu entwickeln. Deshalb mussten im ersten Jahr zunächst ein paar Fehler ausgebügelt und ein paar Schrauben neu gestellt werden. Das erste Jahr habe ich kaum Gewinn kalkuliert. Wenn mein Plan aufgeht, wird das nächstes Jahr aber anders. 

Momentan mache ich keine Miesen, habe aber auch kein wirkliches Einkommen. Wenn alles glatt läuft, verdiene ich in ein paar Jahren meine 3000 Euro netto. In Zukunft würde ich schon gern von meinem Gehalt leben können, ohne jeden Tag zehn Stunden arbeiten und auf jeden Cent schauen zu müssen. Soweit zumindest der Plan. 

Die Verantwortung

Als Selbstständiger bin ich praktisch das Mädchen für alles. Wenn etwas entschieden werden muss, mach das in letzter Instanz immer ich. Das ist eigentlich ein großartiges Gefühl, sein eigener Chef zu sein, andererseits auch eine enorme Verantwortung. Der ehemalige Besitzer dieses Lokals hat die letzten acht Jahre nie selbst hier gearbeitet. Ich finde aber, es sollte Voraussetzung sein, dass du in allen Bereichen von der Küche bis zur Bar auch selbst arbeiten könntest, auch als Chef. Ich schreibe Karten, Serviceanleitungen und Wochenpläne, stehe aber auch selbst immer mal wieder hinter der Bar oder in der Küche, wenn jemand ausfällt. 

Die Work-Life Balance

Gibt es nicht. Oder besser gesagt: gibt es wenig. Wer gerne abends auf der Couch chillt, sollte sich einen anderen Job aussuchen. Wir haben jeden Tag offen und ich bin fast jeden Tag da. Dieses Stresslevel ist sicher nicht auf Dauer durchzuhalten. Ich muss mir Pausen aktiv nehmen, sonst arbeite ich die ganze Zeit durch. Außerdem musst du in diesem Beruf wahnsinnig spontan sein. Zum Beispiel eben, wenn jemand ausfällt und ich selber ran muss. Das ist manchmal echt ätzend. Wenn andere am Wochenende Party machen, ist bei uns Hauptbetrieb. Die meiste Zeit muss ich arbeiten, wenn andere frei haben. Wenn ich dann wirklich mal einen Abend nicht verpassen will, muss ich das weit im Voraus planen. 

Das Chef-Sein

Es macht mega Spaß, sein eigener Chef zu sein. Du steuerst alles selber und kommst mit so vielen Menschen in Kontakt. Zum Beispiel habe ich mich letztens mit sämtlichen Vertretern aus der Spirituosenindustrie getroffen und gemerkt, wieviel witzig viele Menschen in der Gastro-Szene drauf sind. Man sollte aber auch selbst nicht auf den Mund gefallen sein.

Ich habe vier Festangestellte und ungefähr zwölf Minijobber. Anfangs war es komisch, plötzlich der Chef von den Kollegen zu sein, mit denen ich davor selbst hinter der Bar stand. Das Verhältnis wird schwierig, wenn du plötzlich für den Laden verantwortlich bist und deine Existenz davon abhängt. Du siehst alles viel wirtschaftlicher und denkst in Zahlen. Die Freundschaften verändern sich natürlich dadurch und diejenigen, mit denen es gar nicht gepasst hat, sind gegangen. 

Leider bin ich kein besonders strenger Chef, obwohl das manchmal vielleicht angebracht wäre. Es gibt schon Sachen, die mich aufregen. Wenn zum Beispiel Dinge unter der Hand rausgegeben werden. Aber ich bin noch immer viel zu nachsichtig, glaube ich.   

Die Berufskrankheit

Essengehen hat sich für mich verändert, seit ich selbst Speisekarten entwerfe. Ich kenne mich jetzt viel besser aus. Wenn zum Beispiel ein Restaurant tausend verschiedene Gerichte von Pasta bis Burger auf der Karte hat, kann das nicht gut sein. Ich mache mir jetzt mehr Gedanken darüber, wo das Fleisch herkommt, oder wie sauber die Küche ist. Das Thema ist allgegenwärtig. Und wenn ein Restaurant verspricht, alles zu haben, leidet meistens die Qualität darunter. 

Ich koche selbst sehr gern und versuche, so oft es geht daheim zu essen. Aus Zeitgründen klappt das aber nicht immer so gut.

Obwohl wir mexikanisches Essen verkaufen, war ich selbst noch nie dort. Ich habe mir aber fest für nächstes Jahr vorgenommen, nach Mexiko zu fahren und dort die Küche noch näher kennenzulernen.  

Das Risiko

Der Winter lief gut an, aber der Sommer war mies, muss man ehrlich so sagen. Es war einfach viel zu heiß, um Essen zu gehen. Sogar Biergartenbesitzer haben mir erzählt, dass es bei ihnen auch nicht gut lief. Solche Risiken kann man natürlich nie voraussehen und sie können einen jederzeit überraschen. Mein Pachtvertrag läuft zehn Jahre, so lange will ich das jetzt auf jeden Fall durchziehen, komme was wolle.  

Die Frage, die auf Partys immer wieder gestellt wird 

„Bist du dann ständig am Trinken?“ Irgendwie glauben die Leute, dass man als Gastronom selbst ständig trinken muss, weil man ja an der Quelle sitzt. Das kann aber kein Mensch durchhalten. Ich trinke oft keinen Tropfen Alkohol, wenn ich arbeite. Obwohl, ein bisschen was ist vielleicht dran. Wir hatten mal einen Koch, der hat pro Schicht zehn Bier getrunken. Der arbeitet aber auch aus diesem Grund nicht mehr bei uns.  

Ich hatte ein paar Leute in meinem Freundeskreis die dachten, sie könnten bei mir jetzt ständig gratis essen. Das kann man natürlich nicht machen. Denen musste ich dann erklären, wie sich die Betriebskosten zusammenrechnen und dann war recht schnell klar, dass wir leider nichts herschenken können. 

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