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3500 Euro brutto für den Sommelier

Seitdem sich Richard als „Munichwineguy“ selbstständig gemacht, kann er seinen Berufsalltag flexibler gestalten.
Illustration: Pia Wermuth

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Der Weg

Im Gegensatz zu vielen anderen Sommeliers habe ich keine  klassische IHK-Ausbildung in der Restaurant- oder Hotelfachbranche absolviert. Die Gastronomie war aber immer ein Hobby von mir. Unter anderem habe ich als Kellner und Barkeeper gearbeitet und mich durch praktische Erfahrungen in verschiedenen Restaurants bis zum Oberkellner, Schichtleiter und gastronomischen Leiter hochgearbeitet. In den vergangenen sieben Jahren war ich als Gastronomieleiter in Restaurants in Neuseeland und Australien tätig und habe sogar ein neues Hotel auf einem Weingut mit aufgebaut. Dort habe ich dann meine Leidenschaft für das Produkt entdeckt und gemerkt, wie spannend und vielseitig Wein eigentlich ist. Denn im Gegensatz zu einem Brauer, der in der Regel alles versucht, um ein gewisses Geschmacksprofil zu erreichen – ein Augustiner wird immer wie ein Augustiner schmecken – versucht der Winzer, den besten Wein aus dem zu produzieren, was das Jahr ihm geboten hat. Nach meinem Entschluss, mich beruflich auf das Thema Wein zu fokussieren, habe ich daraufhin eine zweieinhalbjährige Weinausbildung an der Londoner Weinakademie „Wine & Spirit Education Trust“ absolviert. Momentan bilde ich mich außerdem noch an der Weinakademie Österreich und einer Universität zum Weinakademiker weiter.

In der Ausbildung lernt man alles über den Weinanbau, die Arbeit des Winzers bis hin zur Abfüllung in die Flasche. Außerdem muss man jede Weinregion der Welt mit den typischen Rebsorten kennen. Am Ende der Ausbildung steht uns dann eine Prüfung bevor. Dafür muss man verschiedene Weine blind verkosten, beschreiben und zuordnen können. Außerdem lernt man auch etwas über Schaumweine, Brände und Spirituosen und wird so auch zum Spezialisten für Gin, Whisky oder Wodka ausgebildet.

Die Tätigkeiten

Als Sommelier organisiert, präsentiert und kontrolliert man das Weinangebot in gastronomischen Betrieben. Da ich selbstständig bin, mache ich aber hauptsächlich Weinproben, bei denen ich dem Publikum als „Munichwineguy“ etwas über Wein und seine Qualität erzähle. Da die Wein-Welt als sehr „snobby“ gilt, ist es mir wichtig, dem Ruf der Branche zu etwas mehr Bodenständigkeit zu verhelfen und auch mehr junge Leute an das Thema Wein heranzuführen. Dabei versuche ich, die Gäste nicht mit Fachfloskeln zu langweilen, sondern sie mit lustigen Anekdoten zum Thema Wein zu unterhalten. Zudem trainiere ich Servicepersonal und suche Weine aus, die Restaurants oder Hotels dann passend zu ihren Speisen in ihre Weinkarte aufnehmen.

Das Geld

Momentan verdiene ich als selbstständiger Weinsommelier etwa 3500 Euro brutto im Monat. Da ich mein eigener Chef bin, kommt das aber immer auf die Auftragslage an. Je mehr Weinverkostungen oder Seminare gebucht werden, desto höher mein Verdienst. Festangestellte Sommeliers, die zum Beispiel in einem Restaurant oder Hotel arbeiten, rechnen mit einem monatlichen Durchschnittsgehalt von etwa 2825 Euro brutto.

Die Geruchs- und Geschmacksnerven

Um die Qualität und die verschiedenen Sorten des Weines zu erkennen, braucht man einen ausgeprägten Geruchssinn und sehr gute Geschmacksnerven. Über die Nase lassen sich zehn bis 16, beim Geschmack fünf bis acht Komponenten und Aromen unterscheiden. Dafür ist ein gewisses Naturtalent hilfreich, aber nicht notwendig, man kann den Geruchs- und Geschmackssinn auch trainieren. Bei mir hat es etwa ein Jahr gedauert, bis es „klick“ gemacht hat. Mein Ausbilder hat uns damals gesagt, dass wir raus auf den Markt gehen sollen, um an verschiedenen Kräutern und Gewürzen zu riechen und uns die Aromen gut einprägen sollen. Außerdem sollten wir zum Beispiel drei Apfelsorten kaufen, an ihnen riechen und den Geschmack der Äpfel probieren, um die verschiedenen Säure- und Reifegrade zu erkennen. So wurden wir Stück für Stück an die Komplexität des Weins herangeführt.

Der Beruf und das Privatleben

Man muss sich über zwei Dinge im Klaren sein: Zum einen erfordert der Beruf Flexibilität. Zwar habe ich als Selbstständiger nun eine bessere Work-Life-Balance, da ich meine Termine selbst legen kann und dadurch auch mehr Zeit für Familie und Freunde habe. Trotzdem gehört es dazu, auch mal am Wochenende zu arbeiten. Zum anderen lässt einen der Wein nie wirklich los. Als Sommelier muss man sich auch privat viel mit Wein auseinandersetzen und sich immer wieder weiterbilden, um keine Trends zu verpassen. So gehört zu meiner Wochenendbeschäftigung gelegentlich auch ein Besuch bei Winzern dazu und auch meine Urlaube haben meist etwas mit Wein zu tun.

Der Tipp

Viele Leute fragen mich immer nach einem Tipp, wie man im Supermarktregal am besten einen guten Wein auswählt. Man sollte zunächst schauen, aus welcher Region der Wein kommt. Je weiter südlich die Region, desto reifer die Traube und desto vollmundiger der Geschmack. Das sieht man dann auch an der Farbe des Weins. Wenn der Rotwein also sehr dunkel ist, kommt er aus einer sehr südlichen Region. Obwohl der Durchschnitt der Supermarkt-Kunden in Deutschland nur 2,92 Euro für einen Liter Wein ausgibt, ist meine persönliche Faustregel, niemals eine Flasche unter fünf Euro zu kaufen. Bei diesen Preisen steckt meist Massenabfertigung und damit auch keine gute Qualität dahinter. Außerdem erhalten die Winzer in der Regel nicht mehr als ein Viertel des Verkaufspreises, wenn sie ihre Weine an Supermärkte verkaufen. Will man also guten Wein kaufen, in dem noch echte Handarbeit der Winzer steckt, sollte man sich vom Fachpersonal im Weinhandel beraten lassen.

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

Der Klassiker ist: „Ah, dann trinkst du wahrscheinlich sehr viel Wein, oder?“ Als Weinsommelier wird man schnell als Berufsalkoholiker abgestempelt. Tatsächlich trinkt man in diesem Beruf aber viel weniger Wein, als es Außenstehende vermuten würden. Denn bei Verkostungen schluckt man den Wein nicht herunter, sondern spuckt ihn wieder aus. Sonst wären die Geschmacksknospen ja belegt, die man als Weinsommelier braucht, um die Weinaromen zu schmecken. „Schade um den Wein!“ ist übrigens die häufigste Reaktion darauf.

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