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6200 Euro brutto für die Unternehmensberaterin

Helene stört es, dass man in ihrem Job noch immer regelmäßig fliegt.
Foto: Philipp Nemenz

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Mein Weg in eine Unternehmensberatung

Ich habe vergangenen Sommer meinen Master in Sustainable Business und Innovation in Barcelona abgeschlossen. Innerhalb des Masters habe ich einen Kurs in Consulting belegt, in dem man eine Woche im Team an einem Projekt gearbeitet hat. Unsere Aufgabe war es, die Uni nachhaltiger zu gestalten. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dachte: Beratung kann ich mir vorstellen. Als ein Kommilitone bei meiner jetzigen Unternehmensberatung anfing, habe ich gesehen, dass dort eine Stelle ausgeschrieben ist und mich beworben. Man durchläuft ein Telefongespräch, mehrere Interviews und muss praxisbezogene Fälle lösen. Ein paar Tage später habe ich die Zusage bekommen.

Der Alltag als Unternehmensberaterin

In Unternehmensberatungen ist es typischerweise so, dass man an verschiedenen Projekten arbeitet. Mit meinem Team berate ich Kunden dabei, nachhaltiger zu werden. Dafür stellen wir uns folgende Fragen: Wie nachhaltig ist der Kunde aktuell? Wie lassen sich die Nachhaltigkeitsziele erreichen? Welche Strategien braucht es dafür? Ein konkretes Beispiel ist das neue Lieferkettengesetz. Es soll den Schutz der Umwelt, Menschen- und Kinderrechte entlang globaler Lieferketten verbessern. Das bringt manche Unternehmen ganz schön ins Schlottern, weil sie darauf nicht vorbereitet sind. Einem Unternehmen aus der Automobilbranche haben wir zum Beispiel geholfen, die Risken entlang seiner Lieferkette besser einzuschätzen. Risiken können zum Beispiel sein, dass sie Zulieferer aus Ländern haben, in denen es Kinderarbeit gibt. Oder dass entlang der Produktionskette Quecksilber eingesetzt wird, bei dem die Unternehmen nicht wissen, woher es kommt. Wir helfen den Unternehmen dann erst einmal die Risiken zu identifizieren, bei manchen Unternehmen sind wir dann auch an der Lösung beteiligt.

Wie eine typische Woche aussieht

Aktuell bin ich von Montag bis Mittwoch beim Kunden vor Ort. Dafür fliege ich meist montags nach Hamburg. Das bedeutet, um 5.30 Uhr aufzustehen und los gehts. An den Reisetagen ist meine Arbeitszeit ziemlich lang. An normalen Tagen arbeite ich von acht, neun Uhr bis etwa 19 Uhr. Donnerstags bin ich meistens im Homeoffice in München und freitags gehe ich ins Büro. Darauf freue ich mich immer, weil freitags viele Kollegen im Büro sind und wir gemeinsam frühstücken und zu Mittag essen.

Welche Eigenschaften man als Unternehmensberaterin braucht

Auf jeden Fall Selbstbewusstsein. Ich bin oft die Jüngste und bei meinem Projekt in Hamburg die einzige Frau im Team. Auch beim Kunden sind wenige Frauen. Da muss ich mich trauen, fünfzigjährigen Männern zu erklären, wie ihr Unternehmen nachhaltiger werden kann und warum das so wichtig ist. Auch wenn ich jung bin, bringe ich viel Wissen im Nachhaltigkeitsbereich mit. Außerdem braucht man analytische Fähigkeiten, muss Daten verstehen und große Mengen an Informationen erfassen können. Der Job setzt eine hohe Lernbereitschaft voraus, weil man sich oft in neue Themen eindenken muss. Zudem muss man fließend Englisch sprechen, weil die Absprachen teilweise ganz auf Englisch laufen.

Was der Job mit meinem Privatleben macht

Montag bis Mittwoch ist mein Privatleben eingeschränkt. Aber weil ich so viel Zeit mit dem Team verbringe, und wir uns auch auf persönlicher Ebene gut verstehen, esse ich zum Beispiel oft mit Kollegen zu Abend. Ich brauche nicht so viel Me-Time und bin gerne unter Menschen, deswegen passt das für mich. Am Freitagabend machen wir oft „After Work“ und sitzen an der Bar in unserem Münchner Büro bei einem Glas Wein oder Bier. Für meine Freunde in München habe ich dann meistens am Wochenende Zeit.

Was ich auf Partys immer gefragt werde

Viele sagen: „Du bist bei einer Unternehmensberatung, dann arbeitest du bestimmt nur, verdienst das große Geld und deine Work-Life-Balance kannst du komplett vergessen.“ Aber die Leute merken dann irgendwann, dass ich nicht so die typische Unternehmensberaterin bin und dass ich auch sehr von dem Nachhaltigkeitsthema getrieben bin. Und dass ich auch Freizeit habe. Letztendlich ist es wie mit jedem anderen Job. Wenn man sich bemüht, kriegt man das auch hin mit der Work-Life-Balance.

Vorstellung vs. Realität

Die Vorstellung ist, viel zu arbeiten, zu reisen, das große Geld zu verdienen und wenig Freizeit zu haben. Und ja, ich arbeite wirklich viel und ich reise auch viel. Es gibt in meinem Job auch diese typischen, meist männlichen Hemdenträger aus akademischen Haushalten. Viele solcher Unternehmensberater bleiben in den Gesprächen mit den Kunden oft auf komplett professioneller Ebene. Zum Glück ist das nicht so in unserem Unternehmen. Aber wann immer ich auf solche Kollegen treffe, finde ich es cool, das typische Bild aufzubrechen. Ich bin nämlich auch als Unternehmensberaterin ich selbst und das bedeutet, dass ich locker im Umgang bin. Ich rede mit den Kunden auch mal über ihre Kinder oder die nächsten Reisepläne. Mir ist bewusst, dass ich jünger bin als die meisten und vielleicht eher Videos auf Tiktok kenne als mein Kunde. Diese Seite von mir versuche ich gar nicht zu verstecken. Ich bin professionell, aber trotzdem ich selbst.

Was mich noch vom klischeehaften Unternehmensberater unterscheidet: Ich gebe nicht damit an, viel zu arbeiten. Diese Kultur, sich mit einer hohen Arbeitszeit zu brüsten gibt es wahrscheinlich überall, aber vielleicht tendenziell noch etwas mehr in einer Unternehmensberatung. Ich bin eher stolz, wenn ich zum Beispiel einen erfolgreichen Workshop moderiert habe und am Ende gutes Feedback dafür bekomme. Was die Leute oft nicht bedenken: Man hat in der Unternehmensberatung die Chance schnell unglaublich viel zu lernen und schon am Anfang der Karriere ein Netzwerk aufzubauen. Ich versuche zum Beispiel, ganz konkret clevere Frauen zu unterstützen, die in die Unternehmensberatung wollen.

Das würde ich gerne an meinem Job ändern

Mich beschäftigt es, dass ich für meinen Job viel fliege, obwohl ich mich persönlich bemühe, nachhaltig zu leben. Ich versuche dann, das große Ganze im Blick zu behalten. Durch meinen Job habe ich einen viel größeren Hebel, die Welt nachhaltiger zu machen, als wenn ich beruflich auf Flugreisen verzichten würde. Wenn es zeitlich möglich ist, nehme ich die Bahn. Zum Beispiel bin ich zuletzt mit dem Nachtzug zu einem Workshop nach Rom gereist. Oft geht das aber zeitlich nicht, wenn ich abends noch einen Termin habe und am nächsten Tag früh morgens zu einem Workshop in einer anderen Stadt sein muss. Ich würde mir aber wünschen, dass noch mehr abgewogen wird, wofür man wirklich vor Ort beim Kunden sein muss. Außerdem müssen Unternehmensberatungen noch diverser werden. Ich wünsche mir mehr Frauen, mehr verschiedene ethnische und religiöse Hintergründe. So finden Teams auch bessere und kreativere Lösungen.

Wie viel man als Unternehmensberaterin verdient

Ich habe als Sustainability Analyst angefangen und arbeite jetzt als Consultant. Ich bekomme 6200 Euro brutto – dazu kommt noch mein Bonus am Jahresende, womit ich in der Branche wohl im guten Durchschnitt liege. Dazu kommen Benefits wie eine Unterstützung der Mitgliedschaft in einem Fitnessclub. Wer will, bekommt einen Firmenwagen oder stattdessen eine Pauschale. Ich bin echt zufrieden mit meinem Gehalt.

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