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Mädchen, warum zockt ihr andere Games als wir?

Foto: unsplash/jeshoots Bearbeitung: jetzt

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Wenn wir uns früher zum Zocken getroffen haben, wart ihr meistens nicht dabei. Wir saßen mit Eistee und Chips in unseren Zimmern und drückten fünf Stunden mit klebrigen Fingern auf irgendwelchen Controllern rum. Mittlerweile tun das aber nicht mehr nur wir Jungs. Ihr zockt auch – und zwar fast genauso viel wie wir. Laut des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (Ja, den gibt es!) waren 2017 in Deutschland von insgesamt 34,1 Millionen Gamern genau 17,9 Millionen Männer und 16,2 Millionen Frauen. Wenigstens bei den Gamern haben wir es in unserem Land also geschafft, dass es ungefähr gleich viele Männer wie Frauen gibt. Juhu! Und trotzdem finde ich, dass es zwischen zockenden Jungs und zockenden Mädchen irgendwie einen Unterschied gibt.

Denn zum Beispiel jedes Mal im September, wenn das neue FIFA rauskommt, ist das Internet voll mit Memes und Kommentaren über das Spiel. Und die sind meist weiblicher Herkunft und ziemlich anti. „FIFA stole my boyfriend“, „Toll, jetzt erstmal zwei Monate keinen Sex“ und „I Hate FIFA“-Bilder fluten unsere Timelines und ich frage mich da, was euch an diesem Videospiel so aggressiv macht?

Zugegeben, es gibt sicher etwas Cooleres, als einen Typen, der animierte Spieler per Controller über den Bildschirm jagt und bei jedem Fehlschuss vor Wut beinahe die Wohnzimmereinrichtung demoliert. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ihr gegen Fifa-Zocker eine spezielle Aggression hegt. Woher kommt die? An was denkt ihr, wenn ihr über einen Typen, den ihr gut findet, hört, dass der zwei Stunden seines Tages mit Fifa verbringt?

Viele von uns Jungs zocken hauptsächlich, um ihren Spieltrieb auszuleben. Auf dem Bildschirm können wir Sachen erleben, die im Real-Life eher unwahrscheinlich sind. Zum Beispiel eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, ein Champions-League-Finale, bei dem wir selber auf dem Platz stehen oder eine Mission im brasilianischen Regenwald, bei der wir die Welt vor ihrem Untergang bewahren können.

Das sind natürlich alles ziemlich klischeehafte Männer-Phantasien. Gibt es beim Zocken denn auch klischeehafte Frauen-Phantasien? Was ist euch denn bei Videospielen wichtig? Wir hören zum Beispiel immer von endlosen Sims-Sessions einiger Freundinnen, die auch noch Mitte 20 ihre virtuelle Familie großziehen. Und das checken wir mal so gar nicht. Warum sollte man einen stinknormalen Alltag, in dem man Pflanzen gießen, Kinder zur Schule bringen und den Müll raustragen muss, auf einem Bildschirm nachspielen?

Mit meiner Theorie, dass ihr anders zockt als wir, stehe ich nicht alleine da, es gibt sogar wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research sind Sportspiele das von Männer favorisierte Game-Genre in Deutschland. Bei Frauen sind es Puzzle-Spiele. Könnt ihr uns das erklären? Irgendwie scheinen euch beim Zocken andere Dinge wichtig zu sein, als uns. Verratet ihr uns mal, was genau?

Eure Jungs

Die Mädchenantwort

Liebe Jungs,

unsere – nennen wir es mal – Abneigung gegenüber FIFA begann vermutlich in einer Zeit, in der es immer hieß, wir wären schon weiter als ihr. FIFA spielende Jungs erinnern uns nämlich an Krümel-Eistee zum Auflösen, an Jugendzimmer, die eigentlich Kinderzimmer mit einer Schlafcouch für Besuch sind – und an massive Nichtbeachtung. Denn eigentlich sind wir nur in eure Jugendzimmer gekommen, um ein bisschen zu knutschen, dann haben wir aber unsere Nachmittage damit verbracht, euch beim FIFA zocken zuzugucken – ohne, dass wir selbst auch mal spielen durften. Und hättet ihr das mit dem Knutschen damals schon gewusst, hättet ihr die Playsi vermutlich direkt aus dem Fenster geworfen. Aber vielleicht wolltet ihr auch einfach nur zocken und wir waren euch wirklich noch sehr egal.

Während wir euch also schon interessant fanden, wart ihr noch viel mit eurem Jungs-Zeugs beschäftigt. Deswegen können wir uns diese „FIFA stole my boyfriend“-Memes nur so erklären, dass dieses Nichtbeachtungs-Ding aus unserer Jugend wirklich ein globales Problem ist, das sehr, sehr viele Frauen noch immer erleben müssen. Und vor allem JEDES JAHR WIEDER!!1! (Das sind wohl die Aggressionen, von denen ihr sprecht.)

Wir glauben aber auch, liebe Jungs, ihr unterschätzt uns und die Spiele, die wir zocken, ein bisschen. Wir spielen nämlich nicht nur Sims oder Puzzles, sondern eigentlich alles das, was ihr auch spielt und haben dabei so ziemlich die gleichen Phantasien wie ihr auch. Außerdem müsst ihr zugeben, ein Fußballspiel auf der Konsole nachzuspielen ist jetzt auch gar nicht mal so weit weg vom pflanzengießenden Alltag und kein so weltbewegendes, im echten Leben niemals erlebbares Event. Aber wenn ihr schon danach fragt, dann bleiben wir einfach mal bei Sims als Klischee-Frauen-Spiel: Wenn wir Sims spielen, geht es uns nicht darum, unseren Alltag nachzuspielen, sondern darum, auszuprobieren was man mit dem Leben alles so machen kann. Oder wir machen unser eigenes Leben besser, indem wir ein komplettes Paralleluniversum mit den gleichen Menschen und Beziehungsgeflechten kreieren – nur, dass diesmal alles so läuft, wie wir es wollen und dass auch geknutscht wird.

Wir leben in diesen Spielen auch unseren Hang zum Morbiden und Zerstörerischen aus

Und bevor jetzt jemand behauptet, wir würden uns bei Sims nur auf unsere in der Gesellschaft vorgesehene Rolle vorbereiten (Familie großziehen, Kinder zur Schule bringen und Müll raustragen), sollten wir noch kurz erklären, was wir da sonst noch so machen: Wir leben in diesen Spielen nämlich auch unseren Hang zum Morbiden und Zerstörerischen aus. Während ihr euch durch brasilianische Urwälder ballert, schicken wir unsere Sims in den Swimmingpool, bauen die Leiter ab und lassen sie dort so lange vor sich hin dümpeln, bis sie an Erschöpfung sterben. Upsi.

So viel zu unseren persönlichen Sims-Erfahrungen. Nun zurück zu euch und dem FIFA-Problem: Wenn wir hören, dass ein Typ, den wir gut finden, jeden Tag zwei Stunden vor FIFA hängt, dann fragen wir uns schon, warum er nicht einfach rausgeht und das Ganze live auf dem Bolzplatz erlebt. Und weil wir dann natürlich auch an all die Warnhinweise und das Stichwort „Spielsucht“ denken müssen, klingt das immer ein bisschen nach Kontrollverlust und Selbstaufgabe: Zunächst zockt man nur ein bisschen und ehe man sich versieht, schwimmt man mittendrin und irgendjemand baut die Leiter ab.

Unsere FIFA-Abneigung liegt also weniger an dem Spiel an sich, sondern eher daran, dass wir das extreme Gezocke, bei dem man alles um sich herum vergisst und die Wohnzimmereinrichtung demoliert, uncool finden. Deswegen sollten wir vielleicht einfach mehr schöne Real-Life-Dinge zusammen machen, was meint ihr?

Eure Mädchen

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