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Mädchen, wie wichtig ist es euch, im Intimbereich schön zu sein?

Bildrechte: nanihta / photocase.de; Illustration: jetzt

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Liebe Mädchen,

man liest ja immer wieder Geschichten über Schönheitsoperationen im Intimbereich, und auch uns hat vor einer Weile eine Frau von ihrer OP und ihren Beweggründen dahinter erzählt. Dieser Text wurde recht viel gelesen – sehr wahrscheinlich liegt das auch daran, dass sonst kaum jemand darüber redet, wie er oder sie mit der Ästhetik seines Intimbereichs zufrieden ist und was sie daran vielleicht gerne ändern möchte oder sogar schon geändert hat.

Es ist auch schwierig, an belastbare Zahlen zu Intim-Schönheits-OPs zu kommen, weil derartige Eingriffe meist aus eigener Tasche bezahlt werden und in den Statistiken von Krankenkassen nicht auftauchen. Aber nach allem, was man so hört und liest, werden es immer mehr. Und das verwirrt uns – denn irgendwie wussten wir gar nicht, dass offenbar so viele von euch ein Problem mit ihrer Optik untenrum haben. Woher kommt das?

Wir wollen jetzt gar nicht nur nach OPs fragen. Aber wir wüssten gerne mal, wie eigentlich euer Verhältnis zu euren Vulven und ihrem Aussehen so ist. Welche Bedeutung es für euch hat, ob wirklich so viele von euch unzufrieden sind. Bei uns Jungs ist das nämlich eher nicht so das Riesenthema. Die meisten von uns haben sich damit abgefunden, dass der Penis grundsätzlich nicht der erste Anwärter auf den Schönheitspreis der Körperteile ist. Wie ein Penis genau aussieht, ist relativ egal – mal abgesehen von dem Thema Größe, das uns natürlich schon viel Kopfzerbrechen bereitet. Vor allem, je jünger und weniger selbstbewusst wir sind.

Aber wie ist das bei euch? Machen sich tatsächlich so viele von euch ab der Pubertät Gedanken über die „Intimoptik“? Gleicht ihr euch selbst mit dem ab, was als „normal“ gilt? Wenn ja, woran macht ihr fest, was als normal gilt? Sprecht ihr miteinander darüber? Nehmt ihr Pornobilder als Maßstab? Und wenn ihr bei euren Betrachtungen zu dem Schluss kommt, dass es bei euch Schönheitsdefizite gibt: Was hat das für Folgen? Zwischen „Lieber Licht aus beim Sex” und „Ich lass da was wegschneiden“ liegt ja doch noch eine beträchtliche Spanne.

Eure Jungs

Die Mädchenantwort:

Liebe Jungs,

Gegenfrage: wie findet ihr denn unsere Vulven so? Wenn ihr darauf mit „alle voll in Ordnung“ oder „wunderschön“ antworten würdet, dann möchten wir euch an dieser Stelle bitten, das bei nächster Gelegenheit (in einem einvernehmlichen Bettmoment vielleicht) auch mal kundzutun.

Denn tatsächlich zweifeln die meisten von uns ganz schön an ihrer „Intimoptik“, wie ihr sie hier liebevoll nennt.

Das hat vermutlich damit zu tun, dass man so wenige Vergleichsvulven hat. Zumindest als heterosexuelle Frau. Denn während wir an der besten Freundin, der Mutter, der Schwester eigentlich alles kennen, so kommen wir doch in den seltensten Fällen mit ihren Vulven in Kontakt. Die Vulva ist die eine intime Stelle, die wir wenn überhaupt, bei anderen Frauen nur aus den Augenwinkeln in der Sauna oder beim Umziehen sehen. Und diese Perspektive erlaubt es dann meistens nicht, sie mal genau abzuchecken. Dabei würde uns schon einiges daran interessieren: Wie sieht das bei ihr von unten aus? Wie ist da das Verhältnis von inneren und äußeren Vulvalippen? Hat die Verfärbungen da unten oder ist die Haut genauso hell wie überall sonst?

Die einzigen Vulven, die wir richtig aus der Nähe sehen, sind, und das habt ihr schon geahnt, die aus Pornos. Ganz schön fies. Schließlich werden die Frauen darin oft genau danach gecastet, dass ihre Geschlechtsteile zu einem gewissen Schönheitsideal passen. Da greift dann vermutlich der gleiche Mechanismus, wie mit anderen Körperteilen, die uns in Medien als schön verkauft werden: Wir beginnen, uns an diesem kaum erreichbaren Vorbild zu messen. Und weil wir im Gegensatz zu Nasen oder Körperformen nur diesen einen Vulvatypus als schön vorgestellt bekommen und seine Normalität nicht im „echten Leben“ überprüfen können, glauben wir, dass bei der Entwicklung unseres Genitals eventuell etwas schrecklich schief gelaufen ist.

Mit einem Handspiegel untersuchte ich, was es da wohl alles abzuschneiden gäbe

Ich hatte das in der Pubertät mal sehr heftig. Da hatte ich zwar noch keine Pornos gesehen, aber einen Beitrag auf RTL. Der erklärte, dass es neuerdings den Trend gebe, sich die Vulvalippen verkleinern zu lassen. Ich war plötzlich panisch. Was, wenn das bei mir auch nötig wäre? Ich es bisher nur nicht realisiert hatte? Minuten später saß ich mit einem Handspiegel im Bad und untersuchte, was es da wohl alles abzuschneiden gäbe.

Mittlerweile, mehr als zehn Jahre später, habe ich mich von diesem Gedanken verabschiedet. Zum einen, weil ich inzwischen mit mehreren Männern geschlafen habe und sich noch niemand beschwert hat. Zum anderen, weil ich mittlerweile andere Vulven gesehen habe als nur die aus Pornos oder Bio-Unterricht-Modellen.

Es gibt schließlich inzwischen feministische Projekte, wie das der Fotografin Laura Dodworth. Sie hat 100 Vulven fotografiert und mit den dazugehörigen Frauen über ihr Verhältnis zu diesem Körperteil gesprochen. Dass dabei keine Vulva genau aussieht wie die andere und sie doch alle optisch nicht sooo weit weg sind von meiner eigenen, hat mich beruhigt. Ebenso wie die Tatsache, dass ich wohl nicht alleine bin mit meinen Sorgen, untenrum vielleicht nicht schön genug zu sein. Auch wenn mich gleichzeitig schockiert, dass offenbar so viele Frauen mit dieser Unsicherheit leben.

Die Vulva ist zwar weibliches Geschlechtsorgan, aber Männer sind oft vertrauter mit ihrem Anblick

Und das führt zu einer anderen Frage von euch: Ob wir miteinander darüber sprechen, wolltet ihr ja wissen. Es gibt sicher die ein oder andere, die das Ganze schon im Gespräch mit anderen Frauen thematisiert hat. Aber in der Regel behält man seine Vulva-Sorgen bisher doch eher für sich. Zu groß ist oft die Angst, dass man damit doch alleine ist und umsonst eine Grenze überschreitet. Auch ich, die eigentlich ziemlich häufig über Körper und Sexualität redet, muss feststellen: Das erste Mal, dass ich offen darüber gesprochen habe, wie Frauen sich mit der Optik ihrer Vulva fühlen, war vor wenigen Stunden in Vorbereitung auf diesen Text.

Keine der Frauen, die ich dazu befragt habe, meinte, das Ganze sei überhaupt kein Thema für sie. Im Gegenteil waren alle davon überzeugt, dass die Frage nach der Schönheit des Intimbereichs so ziemlich jede Frau beschäftigt.

Und es ist ja auch absurd: Die Vulva ist ein weibliches Geschlechtsorgan und doch sind Männer oft viel vertrauter mit ihrem Anblick. Tatsächlich habe ich deshalb auch schon mit einigen Sexpartnern darüber gesprochen. Sie gefragt, wie unterschiedlich Vulven eigentlich tatsächlich aussehen, welche Art ihnen vielleicht besser gefiele und welche nicht so, ob ich in irgendeine Richtung aus dem Rahmen falle. Die meisten sagten, dass es da zwar Unterschiede gebe, aber dass ihnen da jetzt noch kein Genital begegnet sein, das sie nicht angeturnt hätte.

Das war also meine Reaktion auf die Verunsicherung: Erstmal herausfinden, ob sie überhaupt angebracht ist. Googlen, lesen, Bilder anschauen, Menschen fragen, die mehr Vergleichswerte haben. Das hat soweit geholfen, dass ich weder beim Sex das Licht ausmachen muss noch an mir rumschnippeln lasse.

Sagt doch einfach mal, wenn ihr unsere Vulva schön und sexy findet

Sicherlich gibt es aber auch Frauen, die von der vermeintlichen Abartigkeit ihrer Vulva so überzeugt sind, dass sie diese Gedanken nicht so schnell loswerden. Die suchen sich dann sehr genau aus, mit wem sie schlafen, wann sie wen zum Oralverkehr runter lassen und so weiter. Und manche leiden offenbar ja auch so stark darunter, dass sie eine Operation für die einzige Option halten, damit fertig zu werden. Obwohl wir hier auch einmal kurz sagen müssen: Große innere Vulvalippen werden ja nicht nur aus optischen, sondern manchmal auch aus gesundheitlichen Gründen verkleinert; zum Beispiel, weil sie das Radfahren unangenehm machen oder so stark an der Kleidung reiben, dass das zu Entzündungen führt.

Um aber zu vermeiden, dass Frauen sich aus rein optischen Gründen zu einer OP genötigt sehen, braucht es vermutlich nur eines: Aufklärung. Und zwar rechtzeitig, sodass sich ihre Zweifel gar nicht erst verfestigen können. Deshalb sind wir dankbar für Projekte wie die Fotoserie der hundert Vulven und für Frauen, die offen miteinander sprechen. Aber eben auch dafür, wenn ihr uns dabei unterstützt. Sagt doch einfach mal, wenn ihr unsere Vulva schön und sexy findet. Wir sind vielleicht im ersten Moment peinlich berührt oder ungläubig – aber wenn wir es nur oft genug hören, hilft es bestimmt.

Eure Mädchen

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