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Mädchen, warum wisst ihr jetzt schon, wie eure Hochzeit aussehen soll?

Foto: froodmat / photocase.de; Illustration: jetzt

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Liebe Mädchen,

man sollte meinen, dass das Konzept „Ehe“ im Jahr 2019 für euch nur noch bedingt zeitgemäß klingt. Man verspricht sich ewige Treue, dabei weiß man schon länger, dass auch andere Beziehungsmodelle funktionieren können. Der Staat belohnt einen plötzlich finanziell dafür, dass einer der Partner zuhause bleibt („Ehegattensplitting“ nennt man das) und von den ganzen problematischen Gesten bei so einer Hochzeit („Brautübergabe“ am Altar) wollen wir hier gar nicht anfangen.

Und trotzdem gibt es viele unter euch, egal ob hetero- oder homosexuell, die sich mit großer Freude ihre eigene Hochzeit ausmalen. Die irgendwie alles schon geplant haben, vom Outfit, über die Gästeliste bis hin zum Blumenschmuck und der Frage: Band oder DJ? Das verstehe ich nicht. Warum tut ihr das? Was ist euch so wichtig daran, dass ihr schon seit dem Grundschulalter Pläne für eure Hochzeit schmiedet?

Denn eigentlich sollte es an diesem Tag ja nur um euch und eure*n Partner*in gehen. Viele von euch haben diese Person aber noch gar nicht gefunden, und planen trotzdem schon die Party. Gibt euch das irgendwie Sicherheit? Macht ihr das auch ein bisschen, weil es von euch in euer gesellschaftlichen Rolle als künftige Care-Woman erwartet wird?

Oder ist das nicht, im Gegenteil, eher frustrierend, etwas zu planen, das vielleicht nie eintritt? Und wie geht das damit zusammen, dass ihr doch eigentlich immer feministisch und unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen sein wollt, zur Hochzeit euch dann aber doch zum Großteil in ein Kleid zwängt, in dem ihr ausseht wie eine Praline? Vor allem aber: Macht eure ganze jahrelange Vorplanung die Hochzeit am Ende nicht auch irgendwie langweilig? Wenn die schon, seit ihr in den Kinderschuhen steckt, in eurem Kopf komplett ausgeführt ist?

Warum werdet ihr zu Wedding-Planers ohne Wedding, liebe Mädchen? Erzählt es uns, wir sind sehr gespannt.

Eure Jungs

Die Mädchenantwort:

Liebe Jungs,

wir beginnen unsere Antwort ja nur sehr ungern mit einem Schimpfwort, aber: scheiße! Jetzt habt ihr uns! Beim Thema „Hochzeitsplanung“ fällt unser Feminismus nämlich in sich zusammen wie eine Champagnerpyramide, bei der man das unterste Glas herauszieht. Klirr. Deshalb vergeben wir für diese Frage auch nur ganz lieb gemeinte 3 von 10 Punkten – wir beantworten sie aber trotzdem.

Vielleicht habt ihr die Referenz mit den „lieb gemeinten Punkten“ nicht verstanden, das spricht für euch, aber deswegen erklären wir sie lieber noch einmal kurz. Es gibt da nämlich eine Sendung, die jeden Nachmittag läuft und in der vier Bräute gegeneinander antreten, wer die tollste Hochzeit hat. Versteht ihr? Bräute, die gegeneinander ANTRETEN, ihre Hochzeiten gegenseitig BEWERTEN und dann GEWINNEN wollen! Und leider, leider ist das näher am echten Leben dran, als uns allen guttun würde.

Ihr habt also absolut recht: Wenn es ums Heiraten geht, knicken wir ein, träumen von weit ausgestellten Prinzessinnenkleidern, Blumenschmuck und mehrstöckigen Hochzeitstorten. Dann planen wir detailverliebt unseren Abschied von der finanziellen Unabhängigkeit (Ehegattensplitting) und unseren Übergang von einer männlichen Beherrschung in die nächste (Brautübergabe). Das Ganze passiert aber nicht, weil wir einen schwachen Geist und eine noch schwächere Moral haben, nein! Wir machen dafür vollständig die Gesellschaft, die Strukturen und insbesondere das Internet verantwortlich.

Uns wurde einfach schon immer erzählt, dass die Hochzeit DER SCHÖNSTE TAG im Leben ist. Und wer will den nicht auch mal haben? Besonders dann, wenn es draußen regnet, die Ampel einfach nicht grün wird und die Milch im Kaffee flockt. Es gibt natürlich auch andere, richtig schöne Tage im Leben, die einfach so passieren. Dann sind aber meistens nicht alle, die man gernhat, dabei. Es gibt keinen Fotografen, der das für die Ewigkeit festhält, und auch keine romantische Hintergrundmusik.

So wenig zeitgemäß wie das Heiraten an sich, ist auch der Glaube, dass es dabei nur um das Brautpaar geht

Das führt natürlich auch zu einer absolut ätzenden Erwartungshaltung – und die wollen wir halt erfüllen. Während wir bei anderen Rollenerwartung gerne auch mal „Nö! Nicht mit uns!“ sagen, ist das beim Heiraten sehr viel schwieriger. Immerhin ist ja auch die eigene Familie und die Familie des Menschen, den man heiratet, involviert und man will niemanden enttäuschen. Deswegen sind wir auch etwas verbissen, was die Hochzeitsplanung angeht und lassen unwichtige Details (die Anwesenheit eines Partners oder einer Partnerin) gerne mal außen vor.

Denn in etwa so wenig zeitgemäß wie das Konzept vom Heiraten an sich, ist der Glaube, dass es dabei tatsächlich nur um das Brautpaar geht. Hochzeiten sind sowas von Allgemeingut! Heiraten ist ein Wettbewerb um Anerkennung, Bewunderung und Neid. Es geht nicht mehr nur darum, allen zu zeigen, wie sehr man sich liebt, sondern auch, dass man sehr viel Kohle hat und selbstlos oder großzügig genug ist, diese Kohle auch auszugeben.

Und als würde der Druck, den man sich selbst macht, nicht ausreichen, gibt es da ja auch noch das Internet und Instagram: Hat sich der Algorithmus erst einmal darauf eingeschossen, besteht der gesamte Feed plötzlich nur noch aus perfekten Traumhochzeiten. Ob das irgendwann langweilig wird? Nein, ganz im Gegenteil! Die Insta-Hochzeits-Inspo ist unersättlich, es gibt immer wieder einen neuen, noch unentdeckten Trend: Eine Wand an der Donuts hängen? Aha, Screenshot! Ein Hundewelpen, der die Ringe zum Altar bringt? Na logo! Goodie-Bags? Of course, sonst bist du ein Niemand!

Diese ganze Dynamik entsteht natürlich auch nur dadurch, dass alle so gerne über Hochzeiten sprechen und urteilen und ein bisschen verachten wir uns auch selbst dafür. Wir wären manchmal gerne etwas emotionsloser und weniger anfällig für Hochzeitsträumereien – so wie ihr! Das mögen wir an euch. Auch, weil je weniger Vorstellungen ihr habt, umso besser können wir unsere eigenen durchsetzen, hihi.

Küsschen,

Eure Mädchen

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