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„Schwierigkeiten gibt es doch immer, auch ohne Kind“

Illustration: Julia Schubert

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Vater + Mutter = Kind – das war einmal. Heute ist die Frage nach der Familienplanung hochpolitisch. Will man überhaupt welche? Was bedeutet das für die Beziehung? Und wenn man sich dafür entscheidet – geht das dann so einfach? In dieser Kolumne erzählen Menschen von ihrer Entscheidung für und gegen Kinder. 

Christin, 25, hat ihren Sohn während ihres Ökotrophologie-Studiums bekommen. Ein schlechter Zeitpunkt? Nein, sagt sie. Denn als Studierende haben sie und ihr Partner viel Zeit. Und finanziell klappt es auch, irgendwie.

„Ich war gerade im dritten Semester, als sich Emil angekündigt hat. Ich weiß noch ganz genau, wie ich aus dem Badezimmer gekommen bin und zu Roland gesagt habe: ‚Ich glaub, ich bin schwanger.‘ Zu dem Zeitpunkt waren wir gerade ein halbes Jahr zusammen und frisch zusammengezogen. Dementsprechend hat Roland auch ziemlich überrascht reagiert und wusste gar nicht, was er sagen sollte. Er wollte ja auf jeden Fall mal Kinder haben. Nur eben im besten Fall erst fünf Jahre später. Wenn er fertig mit dem Studium ist und ein bisschen Geld zur Seite gelegt hat. Bei mir selbst war es ein bisschen anders: Im ersten Moment war ich total happy. Sorgen und Gedanken habe ich mir dann erst später gemacht. Vor allem ums Finanzielle. Und natürlich darum, ob ich das Studium mit Kind überhaupt weitermachen kann. Und was, wenn er nicht gesund ist?

Es war aber nicht ab der ersten Minute klar, dass wir das Kind bekommen. Wir mussten erst mal ganz viel darüber sprechen und nachdenken, wie wir das packen sollten. Nachdem wir dann aber zusammen beim Frauenarzt waren und Emil zum ersten Mal auf dem Ultraschall-Bild gesehen haben, stand für uns fest: Es wird passieren, wir bekommen ein Baby.

Wir sind im Freundeskreis das einzige Paar mit Kind

Als wir unseren Freunden davon erzählt haben, waren die Reaktionen erstmal super positiv. Sie haben sich für uns gefreut, aber natürlich auch Bedenken geäußert. Immerhin waren wir beide mitten im Studium und somit auch mitten im Studentenleben drin, wo man viel unterwegs ist und seine Abende eher nicht nur zu Hause verbringt, wie es mit einem Kind oft ist. Wir sind in unserem Freundeskreis das einzige Paar mit Kind. Einerseits ist das schön, weil Emil viel Aufmerksamkeit von unseren Freunden bekommt, aber andererseits müssen wir viel einstecken. Zum Beispiel, wenn es um spontane Urlaube oder die Abendplanung mit Freunden geht. Aber wirklich viel auf Partys oder so waren wir vorher auch nicht wirklich. Deswegen vermissen wir das auch mit Kind nicht.

Unsere Familien hatten hingegen ganz andere Ängste. Gerade Rolands Mutter hat anfangs gesagt, dass es ein schlechter Zeitpunkt war. So mitten im Studium. Heute können wir aber sagen: Als Studierende haben wir viel Zeit, können sie uns selbst einteilen. Und das ist unglaublich schön. Gestern waren wir zum Beispiel mit Emil auf dem Spielplatz. Da war kein einziges Paar außer uns. Vor allem die meisten Papas sehen ihre Kinder lediglich morgens und abends nach der Arbeit. Wie gut haben wir es, dass wir in der Regel den ganzen Tag zusammen verbringen können.

Und so richtig krass hat sich unser Leben seit Emils Geburt tatsächlich gar nicht verändert. Emil war ziemlich lieb zu uns und hat in der ersten Woche sogar schon richtig viel geschlafen. Roland sagt immer, dass er ein Kind ist, über das man eigentlich gar nicht reden will, weil man sonst von anderen Eltern verprügelt wird. Was das Studium angeht, konnte ich aber natürlich nicht so weitermachen wie ohne Kind. Im vierten Semester war ich hochschwanger. Deswegen habe ich einige Prüfungen nicht mitgeschrieben. Und nach der Entbindung habe ich dann ein ganzes Jahr komplett ausgesetzt.

Schwierigkeiten gibt es ja immer

Die Klausuren und das Praktikum, das in der Zeit anstand, muss ich jetzt natürlich nachholen. Aber Schwierigkeiten gibt es doch immer, auch ohne Kind. Ich würde sagen, dass einzige Problem, das wir durch Emil haben, ist, dass wir manchmal zu wenig Schlaf bekommen. Aber wir hatten viel Glück und viel Unterstützung. Sogar unsere Vermieter nehmen uns Emil manchmal ab, damit wir zum Beispiel lernen können. Und finanziell werde ich von meinen Eltern unterstützt. Ich muss aber zugeben, dass sich das schon irgendwie komisch anfühlt. Natürlich würde ich lieber selbst für mein und Emils Leben verantwortlich sein.

Neben der Unterstützung meiner Eltern habe ich in Emils erstem Lebensjahr auch Elterngeld bekommen. Eigentlich wird das ja am Einkommen im vergangenen Jahr berechnet. Da hatte ich neben dem Studium aber nur Nebenjobs. Also habe ich den Mindestsatz bekommen: 300 Euro. Jetzt ist Emil schon ein Jahr und einen Monat alt und ich bekomme das Geld nicht mehr. Deswegen suche ich mir gerade einen Nebenjob. Das wird jetzt sicher alles ein bisschen stressiger als im vergangenen Jahr, in dem ich mit Emil zu Hause war. Ich arbeite ab diesem Semester und gehe auch wieder in die Uni. Da muss ich mich bestimmt erst mal wieder ein bisschen reinfinden und schauen, wie das mit dem Lernen funktioniert. Von der Uni werde ich in den Einschreibezeiten bevorzugt behandelt. Das heißt, ich darf vor den regulären Fristen meine Kurse wählen. Es gibt auch Mütter, die bringen ihr Kind mit zu den Vorlesungen. Aber das wollte ich nicht. Ich will nicht wegen des Kindes so im Mittelpunkt stehen.

Viele unserer Kommilitonen sind schon fertig mit dem Studium

Stattdessen ist Emil seit einem Monat hier am Campus in der Krippe. Zum Glück fühlt er sich da sehr wohl. Müssten wir die Krippe selbst bezahlen, würde es finanziell sehr eng werden. Deswegen haben wir einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt und auch bewilligt bekommen. Die Stadt bezahlt nun also den Krippenplatz. Tja, und Roland und ich sind jetzt im siebten Semester – die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester. Viele der Kommilitonen, mit denen wir begonnen haben, sind also schon fertig. Unser Studium hingegen hat sich ganz schön in die Länge gezogen. Aber Roland und ich haben gerade erst festgestellt, dass wir alles wieder genau so machen würden. Gerade weil wir so viel Zeit für uns und Emil haben. Wir können jedem nur empfehlen, jung Kinder zu bekommen. Wenn Emil 18 wird, sind wir gerade mal Anfang 40. Wir haben einfach das Gefühl, dass wir als junge Eltern bedeutend flexibler und eventuell noch nicht so ‚verkopft‘ sind, weil wir nicht alles zerdenken. Und Unterstützungen gibt es so viele. Man muss sich nur beraten lassen.“ 

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