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Horror-Date: Der Insektenkiller

Illustration: Katharina Bitzl

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Dating Situation: zweites Date mit dem Kollegen eines Freundes

Geschlecht und Alter des Dates: männlich, 32 Jahre

Horror-Stufe: 5 von 10

Ich hatte ihn auf dem Geburtstag eines Studienfreundes kennengelernt. Er war zurückhaltend, lustig, gebildet, arbeitete als Videokünstler und hatte bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Es war eine dieser Partys, auf denen man sich den ganzen Abend mit einer Person unterhält und dann ist es unbemerkt hell geworden. 

Wir tauschten Nummern und hatten bald darauf ein schönes erstes Date. Wir gingen zu einem israelischen Filmabend und danach noch was Essen. Zum zweiten Date lud er mich zu sich nach Hause ein und ich dachte: Na gut, es kann ruhig ein bisschen persönlicher werden, denn das erste Date war nett, aber auch etwas distanziert. 

Die Wohngegend war schön, aber schon als ich die Wohnung betrat, kam sie mir ein wenig kahl und seltsam vor. Ich hatte mir ausgemalt, dass wir gemütlich auf dem Sofa sitzen, Musik hören und Wein trinken würden, doch stattdessen standen im sogenannten Wohnzimmer ein Tisch und ein Stuhl - sonst nichts. Für sich rollte er noch einen Schreibtischstuhl heran. Das Getränk, das er mir anbot, war Wasser aus dem Hahn. Das Knabberzeug, das ich mitgebracht hatte, lag einsam zwischen uns.

Da schlug er vor, dass wir doch was Kochen könnten. Ah, dachte ich, vielleicht ist die Küche das Herzstück dieser Wohnung. Was soll ich sagen - ich wünschte mir später, ich wäre im Wohnzimmer geblieben. Ein Bild, das sich mir bis heute eingebrannt hat, waren die riesigen Klebestreifen voller toter Fliegen, die von der Decke hingen. Ich meine, bei sowas denkt man doch an Serienkiller und an sonst nichts! Es ist mir heute unerklärlich, warum ich noch geblieben bin und sogar dem Kochen zustimmte. Wahrscheinlich weil ich in einer Art Schockstarre war und Angst hatte, ihn zu verärgern. Er hatte fürs Kochen ja nichtmal Zutaten da! In einem Regal mit fingerdicker Staubschicht fand er schließlich eine Avocado, die er zerteilte, mit Öl, das er unter der Spüle lagerte, bestrich und mit Streukäse garniert in den Ofen schob.

Was war das für eine Datesituation? Und was bitte war das für ein Film??

Höflich aß ich mit, aber das Essen lag mir wie Ziegelsteine im Magen. Mein Datepartner kaute währenddessen zufrieden und fragte mich, wahrscheinlich um die etwas angespannte Stimmung aufzulockern, ob ich Lust hätte, einen seiner Filme anzusehen. Als Gastgeber konnte er bei mir nicht punkten, aber vielleicht ja doch noch als Künstler?

Wie sich herausstellte, bedeutete Homekino, dass ich mich auf den Schreibtischstuhl setzen und mit Kopfhörern auf seinen Laptop starren sollte. Was war das für eine Datesituation? Und was bitte war das für ein Film?? Minutenlang sah ich mir an, wie immer wieder zwei Frauen einer dritten auf den Kopf und in den Bauch schlugen, es folgte eine verstörende Sexszene. Mein Date verließ währenddessen das Zimmer und ich merkte, wie Panik in mir aufstieg. Warum hatte dieser höfliche und zuvorkommende Mann vom ersten Date so erschreckende Fantasien? Wäre das hier ein Horrorfilm und ich die Protagonistin, würden alle Zuschauer über mich stöhnen: Wie kann sie nur die ganzen Warnungen übersehen? Ich blickte mich um und lüftete die Kopfhörer, um zu hören, was in der Küche vor sich ging. Im Kopfkino malte ich mir schon aus, dass dieses Date wohl mein letztes sein würde. 

Mit schlurfenden Schritten kam er zurück. Auf dem Teller eine weitere öltriefende Avocado. Er fragte, ob ich auch noch eine Hälfte wollte und leckte sich die Finger ab. Ja, er war ein Serienkiller - aber nur von Insekten. Für mich war das trotzdem Adrenalin genug für einen Abend gewesen. Er war etwas enttäuscht, dass ich ihm keine fundierte Kritik mehr zu seinen Film gab, sondern mich hastig verabschiedete.

Das Essen rumorte in der U-Bahn in meinem Magen und zu Hause musste ich mich sogar noch übergeben – ich weiß nicht, ob es nur am Essen lag, am Schrecken oder an den toten Fliegen. Ich bekam noch eine Nachricht von meinem Date, Wünsche zum Neuen Jahr, die ich nicht beantwortete, dann habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich weiß nur, dass er mit seinen Filmen inzwischen sehr erfolgreich ist.

Die Autorin dieses Textes hat darum gebeten, anonym bleiben zu dürfen. Sie ist der Redaktion aber bekannt.

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