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Was bedeutet Männlichkeit für einen trans Mann?
„Groß, stark und mächtig“ – in dieses Bild muss heute kein Mann mehr passen. Aber was kommt stattdessen? Das haben wir uns für diese Männerkolumne von alten und jungen, bekannten und ganz normalen Männern erzählen lassen. Folge 7: Benjamin Melzer, 33, ist trans Mann. Heute arbeitet er im Vertrieb und ist nebenbei Buchautor und Model. Was bedeutet für ihn Mannsein im Jahr 2020?
Was bedeutet für dich Männlichkeit?
Für mich gibt es keine Standard-Männlichkeit. Die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht und die damit verbundenen Erwartungen sollten eigentlich nicht mehr so eine große Rolle spielen. Was vielmehr zählt, ist Menschlichkeit – vor allem Toleranz und Empathie sind heute wichtig. Um ein Mann zu sein, muss man nicht mehr breitbeinig sitzen, besonders männlich gehen oder sich fragen, ob man nun ein rosa Shirt anziehen darf oder nicht. Was männlich ist und was nicht, sollte überhaupt nicht mehr wichtig sein.
Was das Thema Transgender angeht, so habe ich es satt, ständig als trans Mann betitelt zu werden. Das war mein Weg, den ich gegangen bin, aber den habe ich auch hinter mir gelassen. Heute bin ich durch und durch Mann. Das ist auch ein Grund, weshalb ich ein Buch über das Thema geschrieben habe – um die unzähligen Fragen zum Thema Transgender ein für alle Mal zu beantworten. Denn diese Fragen langweilen mich. Ich hoffe, mit dem Buch Vorurteile aus dem Weg zu räumen und für mehr Akzeptanz und Verständnis in der Öffentlichkeit zu sorgen.
Ist heute alles besser?
Als ich damals dabei war herauszufinden, wer ich wirklich bin, gab es noch keine sozialen Netzwerke. Ich hatte kaum Möglichkeiten mich zu informieren, genauso wenig wussten andere Leute über das Thema Bescheid. Man merkt, dass sich jetzt schon vieles getan hat, aber eben noch nicht genug. Es stört mich wie gesagt sehr, nach wie vor als trans Mann betitelt zu werden, aber zumindest kann ich dem Thema so mehr Aufmerksamkeit verschaffen und dafür sorgen, dass sich die Leute informieren.
In meinem persönlichen Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Als Kind sah ich bereits aus wie ein Junge und habe mich auch so verhalten. Gemeinsam mit meinem Cousin habe ich dann auch mal für Chaos gesorgt. Während er von meinem Onkel dafür oft richtig Ärger bekam, wurde ich eher verschont. Für meinen Onkel war es damals wohl schwer, mich einzuordnen, schließlich war ich ja eigentlich die kleine Yvonne, auch wenn ich eben nicht so aussah. Heute sieht er mich einfach als Mann und weiß seitdem viel besser mit mir umzugehen. Dem Klischee von einem Mann entspreche ich aber nach wie vor nicht, das möchte ich auch gar nicht. Denn die Ansicht, dass der Mann arbeiten geht und die Frau beispielsweise zu Hause bleibt, ist eh völlig veraltet. In meiner Beziehung wird daher niemand in eine Rolle gepresst. Meine Freundin und ich handeln einfach, wie wir handeln wollen. Mal kocht sie, mal ich, mal macht sie die Wäsche, an anderen Tagen übernehme ich das. Und genau da ist sicherlich auch die Gesellschaft in einem Wandel und akzeptiert wiederum die Emanzipation der Frau viel mehr.
Wie stehst du zu #metoo?
Ich finde es sehr gut, dass es die Möglichkeit gibt, sich gegenseitig zu unterstützen und Missstände öffentlich zu machen. Allerdings würde ich das Ganze weniger auf das Geschlecht beziehen, denn es gibt sowohl Gewalt gegenüber Frauen als auch gegenüber Männern. Auch ich fühle mich manchmal sexuell belästigt. Das geschieht vor allem, wenn mich die Leute fragen, wie mein Sex oder mein Orgasmus sind oder wie ich zwischen den Beinen aussehe. Das fragen mich oft Menschen, die ich in dem Moment zum allerersten Mal treffe. Das ist für mich völlig respektlos.
Ich stelle dann die gleichen Fragen zurück und erst dann merken die Leute, wie blöd man sich dabei vorkommt. Zum Glück bin ich in der Hinsicht nicht auf den Mund gefallen, doch es gibt auch andere, die mit solchen Situationen nicht so gut umgehen können. Daher bräuchte es aus meiner Sicht eigentlich ein #metoo für beide Geschlechter.