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Weg mit den riesigen Damen-Geldbeuteln!

Illustration: Katharina Bitzl

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Besucht man Kaufhäuser auf der Suche nach einem Geldbeutel, bieten einem die Verkäuferinnen ja mittlerweile Behältnisse an, gegen die selbst ein geräumiges Kellnerportemonnaie die reinste Schrumpfnummer ist. Man bekommt dann Gegenstände empfohlen, die man für Laptoptaschen halten würde, hätte der Verkäufer sie nicht gerade ausdrücklich als Geldbörse angepriesen. Fragt man ihn schließlich, was das soll, zuckt er mit den Achseln. „Des macht man halt jetzt so, des ham die Fraun halt heut gern“.

Erste Frage also: Warum zur Hölle gibt es eigentlich Damenportemonnaies? Einen Geldbeutel zieht man nicht an, es ist ihm folglich egal, ob man breite Hüften oder Brüste hat oder nicht, man muss solcherlei Dinge nicht geschlechterspezifisch verkaufen.

Und zweitens: Wie konnten Damenportemonnaies überhaupt so groß werden? Nicht nur, was ihr Volumen angeht, sondern auch ihre Verbreitung?

Ich hätte es fast vergessen, aber bis vor kurzem war ich selbst noch Großportemonnaie-Besitzerin. Ich habe es mir vor etwa drei Jahren zugelegt, nachdem ich bei einer Freundin gesehen hatte, wie sie mit einem Kellnerportemonnaie ein Eis bezahlte. Irgendwas an diesem großen Ding fand ich wahnsinnig cool, souverän, gleichsam geheimnisvoll – als steckten in diesem großen Portemonnaie die Eintrittskarten und Fahrtkarten und Ausweise für jedes Land und jede Veranstaltung der Welt, und als könne sie mit diesem Portemonnaie alles bezahlen und regeln und organisieren und voraussehen. Mit diesem Portemonnaie schien es, als habe sie ihr Leben auf großzügige, lässigste Art im Griff. Ein Portemonnaie mit Format, mit Größe, mit Klasse, das im Moment des Rausholens fast zu sprechen schien: „Ich regle das jetzt, Freunde“, sagte es.

Ich brauchte ein Portemonnaie, das eine Ansage war. Das aussah wie das Portemonnaie eines Menschen, für den Geldausgeben etwas ist, worüber man nicht nachdenkt.

Diese Assoziationen und Interpretationen fanden natürlich alle nur in meinem Kopf statt. Wir haben darüber kein Wort verloren. Ich sah das große Portemonnaie später am selben Tag in einem Café auf einem Tisch neben meinem kleinen, alten Portemonnaie liegen, das mir daneben plötzlich so oll und eng und uncool vorkam wie ein altes, abgewohntes Kinderzimmer. Schluss mit der Teenie-Finanzpolitik, dachte ich! Ich brauchte ein Portemonnaie, das man nicht übersah. Ein Portemonnaie, in das mehr passte, als nur Taschengeld. Ein Portemonnaie, in das ein Gehalt passte. Ein eigenes Leben. Ein Portemonnaie, das eine Ansage war. Das aussah das Portemonnaie eines Menschen, der Rechnungen schreibt und Rechnungen bezahlt und nicht mehr darüber nachdenkt, ob er sich die letzten drei Drinks, die Streifenkarte oder den teureren Rohrreiniger überhaupt leisten kann. Ein Portemonnaie, das aussah, als sei Geldausgeben etwas, worüber man nicht nachdenkt, weil man es nicht muss, weil das Geld immer reicht. Also zog ich los und besorgte mir eines.

Und merkte natürlich schnell: Man kann Souveränität nicht kaufen. In Form von großen Geldbeuteln schon mal gleich gar nicht. Natürlich nicht, denn das ist ja das Denkwürdige am Geldbeutel-Kauf: Man gibt Geld aus für einen Behälter, in dem man Geld aufbewahren will und hat es danach nicht mehr. Mein Einkommen jedenfalls wurde von einem größeren Geldbeutel nicht mehr, mein Verhalten nicht erwachsener, mein Alltag nicht strukturierter.

Ich folgere: Der Trend zu großen Portemonnaies ist ein ähnlich großes Missverständnis in Sachen Handtascheninventar wie der Trend zum SUV in Sachen Stadtstraßenverkehr. Beide sind unhandlich und sperrig, beide wollen dem Besitzer das Gefühl geben, etwas zu sein, was er nicht ist – souveräner Geldmensch oder die Wildnis durchfahrender Draußenmensch. Beide stiften letztlich zu nichts als zur Vermüllung an. Man trägt plötzlich die abgelaufenen BahnCards und Kredit- und Krankenkarten und voll gestempelte Burrito-Bonuskarten der letzten drei Jahre mit sich herum, weil sie ja alle reinpassen. Man zahlt auch nicht mehr mit Münzen, weil das für sie vorgesehene Fach ja nie überläuft. Die Tasche wird nur ärgerlich viel schwerer, aber naja, so ist das dann eben, man nimmt es hin. 

Doch es kommt der Tag, da lässt man das Riesenportemonnaie sehr oft zuhause, weil es eben zu groß und zu schwer ist, um es mal eben auf einen handtaschenlosen Spaziergang um den Block mitzunehmen. Oder in die Bar. Oder in den Club. Mit großen Portemonnaies wird man also auch noch zum Schnorrer. Schnorren muss man dann im Zweifel vom männlichen Begleiter, der in der rechten Hosentasche immer und grundsätzlich und fast unmerklich ein irre schlankes, irre praktisches Männer-Portemonnaie mit sich trägt, in das alles reinpasst, was ein Mensch unterwegs so braucht.

 

Ich habe daher Konsequenzen gezogen. Ich habe mir jetzt wieder ein kleines Portemonnaie angeschafft. Die Suche danach hat etwas länger als zehn Monate gedauert, denn kleine Portemonnaies sind selten geworden. Hoffentlich sieht mich bald eine Freundin mit diesem kleinen Portemonnaie und beneidet mich darum. Wie wendig und kompakt und elegant es wirkt. Und kauft sich auch eins. Und beeindruckt noch eine Freundin damit. Dann kann sich schnell alles wieder umdrehen und der Spuk um den Trend zum Riesenportemonnaie ist für immer vergessen. 

 

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