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Tote Gruppenchats sind die Geisterschiffe des digitalen Lebens

tagstiles.com / photocase.de

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Manchmal herrscht einfach eine unerträgliche Flaute auf dem Display. Kein Lüftchen regt sich. Nicht auf Facebook, nicht auf Tinder, nicht auf Lieferheld. Da kommt es schon mal vor, dass man angeödet den Chatverlauf von Whatsapp in die weniger befahrenen Gefilde runterscrollt und dabei auf die (altbackene Seefahrtsmetaphern gehen immer) Geisterschiffe des Instant Messaging stößt: auf verlassene Whatsapp-Gruppenchats.

Oft wurden sie zu besonderen Anlässen gegründet: Urlaub, Geburtstagsfeier, Familienfeier, Urlaub. Das ganze Gute-Laune-Zeugs eben. Auf diese Höhepunkte treiben sie dann zu und schlafen danach ziemlich schnell wieder ein. Und diese Erinnerung an glorreiche, aber eben vergangene Zeiten ist einer der Gründe, warum einen eine satte Breitseite Wehmut erwischen kann, wenn man es wagt, einen Fuß auf die morschen Planken dieser ehemals stolzen Fregatten (ja, ich zieh das jetzt durch!) zu setzen.

Ein anderer Grund ist die Crew, die einen aus leeren Augenhöhlen anstiert. Alte Freunde, enge Verwandte, die Besten der Besten. Mit den meisten hat man zwar weiterhin einen lebendigen tête-à-tête-Chat und vielleicht kommt ja sogar auch die Gruppe noch mal irgendwann in derselben Konstellation zustande (Papa hat ja jedes Jahr Geburtstag und man muss sich wieder ein gemeinsames Geschenk überlegen). Trotzdem, die Euphorie kurz nach der Gründung, das identitätsstiftende Insider-Rumgealbere, der gottverdammte Spirit dieses einmaligen Bündnisses – alles irgendwann abgeebbt.

Man hatte sich zusammengeschlossen, wollte zu großen Abenteuern aufbrechen und jetzt vegetiert diese leere Hülle von Gruppe irgendwo im Verlauf vor sich hin. Es schaut einen nur noch höhnisch der – eigentlich schon ziemlich starke – Gruppenname (BadAssBrunchladiesMärz’14) an. Aber mit dem Ziel hat auch der Weg geendet. Alle sind wieder auf ihre Einzelschicksale verteilt. Separate Realitäten. Jeder auf seiner Insel und doch so fern vom Meer.

Nur manchmal, wenn die Planeten richtig stehen und die Springflut an den Küsten leckt, da juckt es irgendwo irgendjemanden in den Fingern, die alten Tage wieder zu beschwören. Dann brummt es unerwartet in einer Handvoll Taschen, weit voneinander entfernt. Und in einer ersten Ahnung kommen zarte Erinnerungen auf. An Gemeinschaft. An Zugehörigkeit. Ein Bild. Ein Text: „lol!!! wisst ihr noch?? der matze! so! hart! rumgekotzt!“ Ein verträumtes Lächeln huscht über die Gesichter. Und vielleicht – aber nur vielleicht – unter der Augenklappe hervor, rollt eine stille Träne der Rührung über vernarbte Seemannswangen: „Arrr...“.

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