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Warum eine Funktionsjacke aus den Neunzigern ein IT-Piece ist

Illustration: Federico Delfrati

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Spießiger geht es eigentlich nicht, könnte man meinen. Sogar unsere Väter und Vätersväter haben es inzwischen aufgegeben, Jacken von der Marke „The North Face“ (TNF) in der Öffentlichkeit zu tragen. Die Outdoorjacke Modell „HyVent“ war zwischen 2005 und 2010 die inoffizielle Uniform für alle jung gebliebenen mittvierziger Manager, die auf dem Weg zur Arbeit auch mal das Bike nehmen - oder zumindest gerne so wirken.

Jetzt ist die Outdoor-Marke wieder in den Fashion Blogs, seit mindestens zwei Jahren geistert das Model „Nuptse“ durch die Stylosphäre. Die Retro-Winterjacke, die in ihrer ersten Version vor mehr als 25 Jahren in den Läden lag, erkennt man an ihrer etwas kastenförmigen Form, den breiten, flauschigen, mit Daunen gefüllten Rippen, der glatten glänzigen Oberfläche und, logo, am Logo. Inzwischen wird sie auch ärmellos als Weste angeboten. Aus ihrem Exil zurückgeholt, wurde die als Funktions-Kleidungsstück entwickelte Nuptse-Jacke von der Hip-Hop-Szene – und ist damit der spirituelle Nachfolger von Jogginghose und Sneakers. Knackige 230 Dollar muss man für die Nuptse hinlegen. Da fragt man sich schon, warum, zur Hölle, wird eine derart unbesondere Jacke – man könnte fast von hässlich sprechen – die auch noch teuer ist, wieder trendy?

Es kann ja wohl nicht nur daran liegen, dass Kanye West sich in der Klamotte gezeigt hat.

Inzwischen ist die Nuptse-Jacke im festen Repertoire von erfolgreichen männlichen Mode-Instagrammern, wie dem Berliner thepatrickstinson oder dem Tokioer Style Blogger Kubo9501. Außerdem nimmt sie in dem ausgeklügelten Index des Fashion Portals „LYST“  im letzten Quarter 2018 den zweiten Platz der Kategorie „HOTTEST MEN'S PRODUCTS“ ein - geschlagen nur von dem Allzeit-Klassiker und bisher wichtigsten Männer-Accessoire: Sneakers. Die Nuptse ist ein Symbol unserer heutigen Männer-Mode geworden, aber woran liegt das?

Jochen Strähle, der Internationales Fashion Management an der Fachhochschule in Reutlingen unterrichtet, meint: „In den letzten Jahren gab es immer wieder das Phänomen, dass alte Produkte wieder auf den Markt geschwemmt wurden, die 20, 30 Jahre in der Versenkung verschwunden waren.“ Ob T-Shirts mit FRIENDS-Aufdruck, Champion-Pullover oder Fila-Shirts, die Neunziger sind so zurück, dass inzwischen vermutlich sogar das Comeback des Comebacks der Neunziger ein Comeback hatte. Strähle erklärt, dass sich die Mode um Geschichten bemüht, nach Inspirationen – die Kleidung soll also Assoziationen wachrufen. Und: „Natürlich, was man vor drei Jahren getragen hat, ist gefühlt alles langweilig und schlecht, aber nach 20 Jahren kommt der verklärte Blick. Und dann sieht man mit neuen Augen, welche Dinge interessant und gut waren. Die holt man wieder raus.“ So ist es auch der Nuptse-Jacke passiert.

Aber nicht nur Retro wird von unserer Generation gefeiert. Die Nuptse-Jacke funktioniert auch aus einem anderen Trend heraus: „Der Erfolg der Nuptse-Jacke ist ein Symptom davon, dass der Streetstyle seit zehn, fünfzehn Jahren wieder wichtiger wird“, sagt Jochen Strähle. Streetstyle ist ein Genre, das sich eben schon immer an der Hip-Hop-Kultur orientiert hat. Wer die Jacke heute trägt, spielt genau darauf an: „So we have these iconic people with that silhouette: The huge jacket and big boots. That’s New York“ erklärt der Fashion Experte  Phillip T. Annand in einem Promovideo von TNF Japan, „like when the weather is bad, zero degrees, and you are walking to the train station“. Mode, die nicht vom Laufsteg kommt, sondern von der Straße.

Die Jacke entspricht auch dem wachsenden Wunsch nach Performance Outerwear, also nach Kleidung, die nicht nur hübsch aussieht, sondern gleichzeitig etwas kann. Davon profitiert etwa auch die Marke Patagonia mit ihren Fleeces. Für die deutschen Kunden ist das nichts Neues: „Man sagt unserem Modekonsum nach, dass wir uns stärker funktional orientieren. Woanders ist man da vielleicht hedonistischer. Wir sind pragmatisch“, sagt Strähle. Und da ist was dran: Ob man die Nuptse jetzt hässlich findet oder nicht, zumindest ist sie warm, und zwar auch an den Hüften. So warm, dass man damit sogar den 7861 Meter hohen Nuptse besteigen könnte. Vielleicht schafft eine solche Jacke selbst den Hamburger Winter.

Aber wenn die Nuptse ein Symbol für unsere heutige Mode ist, ist sie automatisch ein Dauerbrenner? Strähle meint, er beobachte bei solchen Trends unterschiedliche Lebenszeiten: „Manches ist ewig. Zum Beispiel Jeans. Da gibt es zwar unterschiedliche Schnitte, aber Jeans bleiben Jeans. Andere Produkte haben einen Zyklus von drei bis sechs Jahren. Und dann gibt’s Sachen, die nur eine Saison laufen.“ Die Nuptse hält sich immerhin schon seit ein paar Jahren. Und sie hat etwas geschafft, das andere Kleidungsstücke zeitlos gemacht hat – sie hat ihre eigentliche Bestimmung überwunden: Doc Martens etwa sind eigentlich Arbeiterschuhe und der Burburry-Mantel war früher ein Teil einer Militäruniform. Wer weiß. Erst mal kommt der Sommer, und da sind uns Winterjacken eh wurst. Egal, wie schick sie sind.

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