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Junge Mexikaner sprechen über die Wahl und die Zukunft des Landes
Gestern wurde Andrés Manuel López Obrador – auch „Amlo“ genannt – zum neuen Präsidenten von Mexiko gewählt. Der Sieg des Kandidaten der linksnationalen Partei „Morena“ (ein Akronym aus „Movimiento Renovación Nacional“, deutsch: „Bewegung der nationalen Erneuerung“) ist nicht überraschend. Schon in Prognosen hatte er einen großen Vorsprung vor seinen wichtigsten Konkurrenten: Ricardo Anaya von der konservativen PAN und José Antonio Meade, dem Kandidaten der bisher amtierenden „Partei der institutionalisierten Revolution“ (PRI). Dennoch bedeutet López Obradors Sieg einen Umbruch und ist ein klares Zeichen gegen die bisherige Politik. Die PRI hatte das Land von 1929 an 71 Jahre lang autoritär regiert und kam nach einer Niederlage im Jahr 2000 und zwei Amtszeiten der PAN 2012 wieder an die Macht – bis zu den aktuellen Wahlen.
Die Menschen in Mexiko leiden seit Jahren unter Korruption, Armut, dem Drogenhandel und der damit verbundenen Gewalt. Der neue Präsident hat der Korruption und der Armut im Land den Kampf angesagt und verkörpert für viele Mexikaner eine Alternative zum bisherigen System. Wir haben vier junge Mexikaner gefragt, für welchen Kandidaten sie gestimmt haben, ob sie glauben, dass der neue Präsident seine Versprechen halten kann und welche Hoffnungen sie für die Zukunft haben.
„Es ist normal geworden, über Todesfälle, das Verschwinden von Menschen und Gräber voller Leichen zu lesen“
„Für mich und viele andere galt: Hauptsache nicht mehr PRI. Auch wenn die Alternativen nicht besonders vielversprechend waren, wollten die meisten hier vor allem einen Wechsel. Am Anfang war ich noch für den Konservativen Anaya. Doch es stellte sich heraus, dass er auch nur ein manipulativer Lügner ist, der alles versucht hat, um an die Macht zu kommen. Deshalb habe ich mich für Amlo entschieden.
Bis er sein Versprechen einlöst, die Korruption zu bekämpfen, kann es allerdings noch eine Weile dauern. Tatsächlich sind wir bereits an einem Punkt, an dem die Leute für denjenigen stimmen, der zumindest weniger stiehlt als der andere. Denn es wird angenommen, dass alle korrupt sind. Wenn das jetzt ein wenig besser wird, wäre das schon ein Gewinn.
Was die Gewalt angeht, hat sich die Lage in den letzten zehn Jahren sehr verschlimmert. Die Atmosphäre in Mexiko kann sehr beängstigend sein. Es ist normal geworden, über Todesfälle, das Verschwinden von Menschen und Gräber voller Leichen zu lesen.
Mexiko ist ein sehr vielfältiges und ungleiches Land. Es gibt nicht die eine Lösung. Aber ich glaube, dass die Politik zumindest schrittweise unsere Lebenssituation verändern kann: Wir müssen daran arbeiten, Ungleichheit zu beseitigen, Menschen in Armut zu helfen und Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Auch müssen Besserverdiener höher besteuert werden und es muss mehr in Bildung investiert werden. Nur so kann zukünftigen Generationen und Mexiko insgesamt geholfen werden.“
„Mexiko sollte sich nicht über seine Politiker, sondern über seine Menschen definieren“
Cecilia Vázquez, 25, arbeitet als Biochemikerin in Mexiko-Stadt
„Ich habe Ricardo Anaya gewählt. Er wäre als einziger wirklich darauf vorbereitet gewesen, dieses Land zu regieren.
Das politische Klima in Mexiko war sehr gespalten, da viele entweder für Amlo waren oder sich gar nicht erst für Politik interessiert haben. Wir brauchen aber jemanden, der der immer stärker werdenden Korruption und Kriminalität gewachsen ist. Und ich glaube nicht, dass Amlo das ist. Er will zwar viel verändern, aber hat keinen Plan, wie er das anstellen soll. Das konnte man immer sehr gut beobachten, wenn er bei einer Debatte dazu befragt wurde, wie er in Zukunft vorgehen will. Anaya dagegen wusste besser, was er konkret vorhat. Er hatte auch moderne Ideen, zum Beispiel wollte er die erneuerbare Energien ausbauen. Außerdem kann er gut reden und hätte sich somit mit anderen politischen Führern in dieser Welt auf einer Ebene auseinandersetzen können.
Aber auch die Bevölkerung muss sich ändern. Sie kann nicht immer nur darauf warten, bis die Politiker alles lösen. Die Leute müssen anfangen sich selbst stärker für ihre Ziele einzusetzen. Denn Mexiko sollte sich nicht über seine Politiker, sondern über seine Menschen definieren.“
„Es ist, als ob wir uns in einem stillen Krieg befinden“
Betsy Larios Heredia, 34, Video- und Fernsehproduzentin aus La Paz
„Trotz all der schlechten Publicity, die er im Vorfeld bekommen hat, habe ich Amlo gewählt. Er ist der Einzige, der sich nicht als korrupt erwiesen hat. Auch hatte er die besseren Vorschläge und eine echte Strategie, um das Land zu verändern. Für mich war es auch wichtig, dass er kulturelle Institutionen und angehende Künstler besser unterstützen will und nicht einfach nur das Budget kürzt. Ich hoffe nun sehr, dass er halten wird, was er versprochen hat.
Die Korruption ist ein einziger Zirkus geworden. Es geht nur noch ums Geschäft. Politik kann man das eigentlich nicht mehr nennen. Auch die Gewalt ist überall sehr präsent. Es ist wie ein Strudel, der an uns allen zerrt. Auch die bisherige Regierung war sehr gewaltbereit: Sie hat zum Beispiel ein Gesetz erlassen, das den schnelleren Einsatz des Militärs erlaubt, auch gegen Demonstranten. Das Verhältnis zwischen ihr und den Menschen ist seitdem noch angespannter geworden. Dennoch sind viele Mexikaner sehr still geworden und die Medien haben viele Skandale versteckt. Es ist, als ob wir uns in einem stillen Krieg befinden – eine unheimliche Situation.
Meiner Meinung nach muss unbedingt etwas für die Bildung der Menschen getan werden. Denn die Veränderung muss aus dem Inneren der Gesellschaft kommen. Wer nicht liest, informiert sich nicht und schätzt auch seine eigene Kultur nicht genug, um sie bewahren zu wollen.“
„Korruption ist der Krebs, der dieses Land befallen hat“
„Ich habe für Amlo gestimmt. Ich hatte den Eindruck, dass er und seine Partei die einzigen sind, die sich für alle sozialen Schichten einsetzen wollen, insbesondere für diejenigen, die sozial schlechter gestellt sind. Ich denke, dass Amlo ein Politiker ist, der sich wirklich für die Menschen interessiert und möglicherweise eine erste Stufe für einen neuen politischen Kurs darstellt, der dem Land helfen könnte.
Ich erhoffe mir von ihm, dass er der neoliberalen Politik, die nur den Reichen etwas bringt, ein Ende setzen wird, und dass er die natürlichen Ressourcen des Landes schützt. Die Mexikaner, die ihn gewählt haben, haben die Hoffnung, dass er die Korruption deutlich reduzieren wird. Denn sie ist die Wurzel fast aller sozialer Probleme in Mexiko. Ich würde sogar sagen: Korruption ist der Krebs, der dieses Land befallen hat. Diese politische Kultur hat die Menschen krank gemacht, sie sind apathisch und gleichgültig geworden. Sogar Gewalt wird zunehmend geduldet. Sie ist so alltäglich geworden, dass sich die Menschen gar nicht mehr aufregen, wenn jemand verschwindet oder ermordet wird.
Dadurch gibt es auch eine sehr kritsche Meinung über Politiker in Mexiko. Es besteht viel Misstrauen seitens der Bürger. Es herrscht die Idee, dass Politiker sowieso nur stehlen und dafür nicht einmal bestraft werden. Für viele sind sie vor allem Wirtschaftskriminelle, die Straffreiheit genießen.
Ich hoffe, dass dieses Wahlergebnis wirklich eine positive Veränderung bringt und es langfristig mehr Frieden und Lebensqualität gibt. Aber vor allem hoffe ich, dass es mit der Macht der PRI vorbei ist, die fast ein Jahrhundert lang das soziale Gefüge Mexikos zerstört hat. Die PRI hat Mexiko zu einem Drogenstaat gemacht, in dem Studenten, Journalisten und tausende andere Menschen einfach so getötet werden.
Ich glaube, die einzige Möglichkeit, sich zu verändern, besteht langfristig darin, in die Bildung von Kindern zu investieren. Bei ihnen kann man noch an ihren moralischen Werten und ihrem Gefühl für soziale Verantwortung arbeiten.“