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Luisa Neubauer und Greta Thunberg verfassen offenen Brief an die EU

Haben sich für ihren gemeinsamen offenen Brief diesmal nur virtuell getroffen: Die „Fridays for Future“-Aktivistinnen Luisa Neubauer und Greta Thunberg .
Foto: Oliver Berg/dpa

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Zum Abschluss ein Selfie mit Masken: Am Donnerstagabend bekam die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Besuch von Luisa Neubauer und der belgischen Klimaaktivistin Adélaïde Charlier. Den Grund für das Treffen beschreibt Neubauer auf Twitter: „Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben im Moment keinen Budget- und keinen CO2-Plan und kein wirtschaftliches Konzept, die im Einklang mit Paris sind (gemeint ist das Pariser Klimaabkommen, Anm. d. Red.). Für uns, die ,nächsten Generationen‘, ist das inakzeptabel. Das muss sich ändern.“ 

Bei dem Gespräch in Brüssel waren zudem Greta Thunberg und Anuna de Wever, eine der Gründerinnen des belgischen „Fridaya for Future“-Ablegers „Youth for Climate“, zugeschaltet:

Dass Neubauer die „next Generations“ in Anführungszeichen gesetzt hat, ist kein Zufall: „Next Generation EU“ ist der Titel des geplanten Wiederaufbaupakets der EU-Kommission, mit dem den Mitgliedstaaten aus der Corona-Krise geholfen werden soll und das 750 Milliarden Euro umfasst. Wie genau dieses Geld verteilt wird und welche Teile davon als Zuschüsse ausgegeben werden oder von den Staaten zurückgezahlt werden müssen, wird vom heutigen Freitag an bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschef*innen in Brüssel verhandelt. Einen Kompromiss zu finden, den alle 27 Staaten mittragen, wird schwierig. 

Und die vier Klimaaktivistinnen, die vor dem Gipfel (teils persönlich, teils virtuell) zu Besuch in Brüssel waren, würden da gerne auch noch ein Wörtchen mitreden. Denn wenn so viel Geld verteilt wird, dann muss es ihrer Meinung nach vor allem in Nachhaltigkeit investiert werden und darf nicht wieder in die Unterstützung fossiler Industrien fließen. Darum haben sie am Mittwoch einen offenen Brief an die Staats- und Regierungschef*innen (vor allem der EU, aber auch weltweit)  veröffentlicht und diesen am Donnerstagabend mit der Kommissionspräsidentin diskutiert.

Der Brief ist überschrieben mit „Face the Climate Emergency“ und umfasst sieben Forderungen, unter anderem keine weiteren Subventionen für den Abbau fossiler Energieträger und eine transparente Angabe der Emissionen in allen Bereichen (auch für Konsumgüter). Weit oben auf der Liste, als Punkt 2, fordern die Aktivist*innen außerdem, dass „Ökozid“ vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Straftat anerkannt wird. Als „Ökozid“ bezeichnet man Verbrechen gegen die Umwelt, etwa durch extrem hohe industrielle Verschmutzung, Kampfstoffeinsätze oder die Vernichtung eines Ökosystems, das in der Folge sogar zum Aussterben von Völkern führen kann. Vor allem Indigene sind davon bedroht. 

Die Verfasserinnen nehmen die EU besonders in die Pflicht

Zu den Erstunterzeichner*innen des Briefes gehören rund 150 Prominente, Politiker*innen, Organisationen und Wissenschaftler*innen, darunter die Frauen- und Menschrechtsaktivistinnen Malala Yousafzai und Nadia Murad, die Sängerin Billie Eilish, der Schauspieler Leonardo DiCaprio und die Schriftstellerin Margaret Atwood. Mittlerweile haben mehr als 50 300 Menschen unterschrieben (Stand: 17.7., 13:00 Uhr).

Die vier Verfasserinnen nehmen die EU besonders in die Pflicht, weil sie auf dem „Equity“-Prinzip beharren, also der Klimagerechtigkeit: Europa habe die wirtschaftlichen Grundlagen beim Klimaschutz voranzugehen, aber auch die historische Verantwortung – immerhin war die Industrielle Revolution auch der Ausgangspunkt des menschengemachten Klimawandels und Europa war seitdem, neben den USA, rund 150 Jahre lang der größte Emittent von Treibhausgasen (mittlerweile wurde es von China überholt). 

Aus diesem Grund kritisieren Umweltaktivist*innen auch den „Green Deal“, den Klimaschutzplan der Kommission, und das dazugehörige EU-Klimagesetz, das im Rahmen der laufenden deutschen Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll. Das Ziel des Green Deal lautet nämlich, dass die EU bis 2050 klimaneutral sein soll. Kritiker*innen sagen, das reiche nicht, um die Klimaziele aus dem Pariser Abkommen einzuhalten und für Klimagerechtigkeit zu sorgen. Die EU müsse schon 2035 klimaneutral sein, damit Länder im Globalen Süden, die von der Klimakatastrophe am stärksten betroffen sind und sein werden, die Chance hätten, in der wirtschaftliche Entwicklung und dann auch im Klimaschutz nachzuziehen. 

Im Brief wird auch – wohl vor dem Hintergrund der „Black Lives Matter“-Proteste der vergangenen Wochen und der gesellschaftlichen Ungleichheiten, die die Corona-Krise noch sichtbarer gemacht hat – die Bedeutung der Intersektionalität betont: Dass die Klimakrise also nur gelöst werden könne, wenn man sich nicht nur auf Umweltthemen konzentriere, sondern auch Änderungen in anderen politischen und sozialen Bereiche miteinbeziehe. „Klima- und Umweltgerechtigkeit können nicht erreicht werden, wenn wir weiterhin die sozialen und ethnischen Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen ignorieren, die das Fundament unserer modernen Welt bilden“, heißt es. 

Fast zeitgleich mit dem „Climate Emergency“-Brief erschien am Donnerstag ein Appell von 20 Klimaaktivistinnen aus dem Globalen Süden an die Finanzmister*innen der G20-Staaten, die sich an diesem Wochenende ebenfalls zum Gipfel treffen, um die Corona-Krise zu bewältigen. Die Verfasserinnen aus Uganda, Indien, den Philippinen und weiteren Ländern fordern verstärkte Investitionen, um Gesellschaften resilienter und nachhaltiger zu machen, etwa in Gesundheitssysteme, erneuerbare Energien, öffentlichen Verkehr und Wohnraum. 

nasch

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