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„Menschenrechte kosten eben Geld“

Die „Sea Watch 3“ findet seit Tagen keinen sicheren Hafen.
Foto: Reuters/Darrin Zammit Lupi

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Zwölf Städte und Kommunen haben am Freitag auf einem Kongress der Initiative „Seebrücke“ das Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ gegründet. Sie fordern, dass es einfacher wird, in Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen. Darunter sind Berlin und Hamburg, aber auch kleinere Kommunen wie Rottenburg am Neckar, eine 46 000-Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg. Wir haben mit dem Bürgermeister von Rottenburg gesprochen. Denn Stephan Neher (CDU) möchte die 53 Geflüchteten in seiner Stadt aufnehmen, die seit Tagen auf der „Sea Watch 3“ ausharren und keinen sicheren Hafen finden.

jetzt: Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, die Geflüchteten aufnehmen zu wollen?

Stephan Neher: Mir ist es wichtig, dass Menschenrechte über wirtschaftlichen Interessen stehen. Vor allem wir Europäer wollen der Welt immer wieder erklären, was Menschenrechte sind und wie wichtig sie sind. Da müssen wir uns auch selber dran halten. Das ist übrigens auch ein Marinegrundsatz: Menschen, die in Seenot geraten, müssen gerettet werden. Und zwar unabhängig davon, wie sie in diese Lage gekommen sind. Ich sehe das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen global agieren und von den Vorteilen der Globalisierung profitieren. Dann müssen wir auch die negativen Auswirkungen tragen. Außerdem haben 53 Geflüchtete in Rottenburg locker Platz. In einem zweiten Schritt müssen wir dann natürlich schauen, ob die Geretteten ein Bleiberecht haben oder nicht.

Seit 2018 haben sich schon 70 Städte in Deutschland zu „sicheren Häfen“ zusammengeschlossen. Warum gibt es jetzt zusätzlich die „Städte Sicherer Häfen“?

Wir wollen uns besser koordinieren und vernetzen können. Und den Druck auf den Bund erhöhen, unsere Forderungen umzusetzen. Wir hoffen, dass immer mehr Städte zu „sicheren Häfen“ werden. Dann kann sich der Bund nicht querstellen. Wir wollen einfach selbst entscheiden, ob wir mehr Geflüchtete aufnehmen, als wir es über den Verteilungsschlüssel ohnehin tun würden – jede Kommune nach ihren eigenen Möglichkeiten. Wir haben unseren Beschluss an das Bundes- und Landesinnenministerium geschickt. Doch es wurde abgelehnt, Sonderkontingente für Menschen zu schaffen, die aus Seenot gerettet wurden.

oberbuergermeister neher

Stephan Neher sagt: „Menschenrechte kosten eben Geld.“

Foto: Steffen Schlüter

Was halten Sie davon?  

Das ist nicht der richtige Weg. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Abschreckung nicht funktioniert. Die Not vieler Menschen ist so groß, dass sie auch in Boote steigen, wenn sie wissen, dass ihre Chancen, in Europa anzukommen, gering sind.

Sie sind selbst in der CDU – und das Bundesinnenministerium, das sich in der Frage querstellt, ist CSU-geführt.

Ja, es gibt immer mal wieder Leute, die mich fragen, ob ich eigentlich in der richtigen Partei bin. Aber ich finde: Ja, bin ich. Mir geht es um ein christliches Menschenbild, in dem jeder einzelne Mensch gesehen wird und wichtig ist. Und beim „Städte Sicherer Häfen“ sollte die Partei ohnehin keine Rolle spielen.

Was sagen Sie Menschen, die kritisieren: Wenn man noch mal 53 Flüchtlinge zusätzlich aufnimmt, das kostet ja noch mehr Geld?

Zuerst: Menschenrechte kosten eben Geld! Und ich finde es falsch zu sagen: Die Menschen haben sich ja selbst in Seenot gebracht. Wir retten ja auch Menschen, die zum Beispiel von einer Lawine verschüttet werden. Das passiert oft auch selbst verschuldet. Zudem fordern wir, dass die Kosten genauso gehandhabt werden wie bei den Menschen, die nach dem Schlüssel verteilt werden. Sprich: Dass der Bund uns dabei unterstützt, wenn wir zusätzliche Geflüchtete aufnehmen.

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