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„Die Empörung motiviert uns nur noch mehr zum Kämpfen“

In vielen Teilen Venezuelas ist derzeit das Trinkwasser knapp.
Foto: Fernando Llano/AP

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Erst ein paar Tage ist es her, dass Venezuela den längsten und größten Stromausfall in der jüngsten Geschichte des Landes erlebt hat. Noch immer sind Teile des Landes ohne Elektrizität und die Menschen kämpfen mit Wasser-, Medikamenten- und Nahrungsmittelknappheit. Währenddessen geht der politische Machtkampf zwischen Präsident Nicolas Maduro und dem selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó weiter. Ersterer macht die USA für den Blackout verantwortlich. Ihm zufolge hätten diese eine Cyberattacke gestartet. Letzterer sieht die Schuld eindeutig bei Maduro und seiner Regierung.

Die schwierige Situation für die Menschen und die damit einhergehenden Proteste in Venezuela gehen jedenfalls weiter. Wir haben zwei junge Menschen gefragt, wie sie die Lage gerade erleben, was sie in dieser Situation tun können und was sie sich von der internationalen Gemeinschaft erhoffen.

„Meine Kampfgräben sind die venezolanische Straße und das Parlament“

Oskar Patiño, 25, ist Anwalt und Aktivist für Menschenrechte in Caracas. Er berät unter anderem die innenpolitische Kommission des Parlaments in Venezuela.

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Foto: privat

„Der Blackout war einfach empörend, ärgerlich und erniedrigend. Wie kann es sein, dass ein Land mit so vielen Ressourcen im Dunkeln und ohne Wasser bleibt? Man hat Menschen gesehen, die Wasser aus Abwasserbecken gesammelt haben, das Essen ist in den Kühlschränken verrottet und gleichzeitig wurde geplündert. Doch trotz all dieser negativen Eindrücke hat mich das nicht im Geringsten entmutigt, weiter gegen dieses System zu kämpfen. Ich setze auf die Opposition und Juan Guaidó und darauf, dass mit ihm endlich ein Wandel kommt. Und auch die Mehrheit der Venezolaner möchte weiter für diesen Wandel kämpfen. Dennoch gibt es viel Verunsicherung und in Teilen von Caracas herrscht Verzweiflung. Ich kann nicht aus erster Hand über das Landesinnere sprechen, aber diese Situation und dieses Chaos, das wir gerade in der Hauptstadt erleben, mussten andere Teile des Landes schon zuvor in den letzten zwei Jahren durchmachen. Noch nie hat die politische Lage die Wirtschaft und das soziale Leben so sehr beeinflusst wie jetzt. Bis jetzt ist die normale Versorgung mit Strom und Wasser nicht in allen Teilen von Caracas wiederhergestellt – egal ob in armen oder reichen Vierteln. Doch wie gesagt: Die Empörung motiviert uns nur noch mehr zum Kämpfen.

Der Wandel wird aber noch Zeit brauchen. Aber natürlich müssen wir weitermachen. Deswegen beteilige ich mich auch an den friedlichen Demonstrationen: gestern, heute und immer. Denn wir müssen unsere Menschenrechte immer weiter einfordern. Als Berater der Nationalversammlung möchte ich diese Prozesse verbessern, damit die einzige demokratische Institution des Landes den Umständen gerecht wird. Meine Kampfgräben sind die venezolanische Straße und das Parlament.

Von der internationalen Gemeinschaft erwarte ich, dass sie den Druck auf Maduro beibehält und seine Regierung weiter nicht akzeptiert. Auch sollten mehr Sanktionen verhängt werden und Offizielle der Regierung Maduros im Ausland für ihre Korruptheit und ihre Vergehen gegen Menschenrechte zur Rechenschaft gezogen werden.“

„Venezuela durchlebt gerade eine historische Krise und wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um da durchzukommen“

Frederica Davila, 24, Ärztin aus Caracas.

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Foto: privat

„Die letzten Tage und Wochen waren eine unglaublich schwere Zeit für unser Land. Wir mussten Tage ohne Strom auskommen und noch immer sind Teile des Landes und sogar Caracas von der Elektrizität ausgeschlossen. Hinzu kommt noch die Wasserkrise, die wir gerade haben. Menschen baden im Fluss und trinken sogar das Wasser daraus. Als Ärztin befürchte ich, dass nun große gesundheitliche Probleme auf uns zukommen, wie zum Beispiel das Ausbrechen von Hepatitis A. Ich bin als Ärztin Teil einer Organisation, die ihr Bestmögliches tut, um sauberes Trinkwasser und Medizin, die ebenfalls sehr knapp ist, an die Menschen zu verteilen.

Ich sehe aber noch kein Ende für diese Krise. Und wie soll ich das auch, wenn es immer noch nicht überall Strom und Wasser gibt? Auch gehen die Probleme ja weiter: Das Gesundheitssystem bricht zusammen, genauso wie die flächendeckende Versorgung mit Lebensmitteln. All diese Dinge funktionieren nicht und doch gehören sie zu der elementaren Grundversorgung eines jeden Menschen.

Ich glaube, Venezuela durchlebt gerade eine historische Krise und wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um da durchzukommen. Ich und meine Kollegen versuchen Krankenhäuser in der Beschaffung von Medikamenten, Wasser und Lebensmitteln zu unterstützen. Ich kann zu den Protesten nicht viel sagen, da meine Organisation zu hundert Prozent unpolitisch ist. Medizin kennt keine Farbe. Wir versuchen jedem die Hilfe zu geben, die er oder sie braucht – egal welche politische Ausrichtung ein Mensch hat.

Der internationalen Gemeinschaft möchte ich eigentlich nur Danke sagen. Wir erfahren so viel Unterstützung und Mitgefühl für Venezuela. Das zeigt mir, dass es auch schöne Dinge in der Krise gibt. Das sind die Menschen aus der ganzen Welt, die uns kontaktieren und fragen, wie sie helfen können."

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