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Ugander müssen jetzt Steuer für soziale Netzwerke zahlen

Illustration: Katharina Bitzl

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Im März dieses Jahres schrieb der ugandische Präsident Yoweri Museveni einen Brief an seinen Finanzminister Matia Kasaija. Darin beklagt er sich, dass über die sozialen Netzwerke zu viel Klatsch und Lügen verbreitet würden. Auch über ihn. Seiner Ansicht nach würde eine neue Steuer dabei helfen, das zu unterbinden und die Sicherheit im Land aufrecht zu erhalten.

Dann ging alles ziemlich schnell. Schon im Mai verabschiedet das Parlament das neue Gesetz, das die Nutzung aller sozialen Plattformen mit Nachrichtenfunktion besteuert. Seit dem 1. Juli ist es in Kraft. Jeder, der beispielsweise Whatsapp, Facebook, Twitter oder auch Tinder weiterhin nutzen möchte, muss pro Tag 200 Uganda-Schilling bezahlen. Das sind umgerechnet ungefähr vier Eurocent. Nur wer bezahlt, kann weiterhin auf alle sozialen Netzwerke zugreifen. 

Den Daten der Weltbank zufolge verdient ein Ugander im Durchschnitt 630 US-Dollar im Jahr, das sind 52,50 US-Dollar oder etwa 45 Euro im Monat. Deshalb sind 200 Schilling pro Tag nicht für alle Ugander erschwinglich. Ritah, 26, ist Besitzerin eines Kiosks in Kampala und kann es sich nicht leisten, die Steuer zu bezahlen. „Ich verdiene 300.000 Schilling (Anm. d. Red.: ca. 66 Euro) pro Monat. Diese Steuer ist für mich viel Geld. In meinem Laden kann man für den gleichen Betrag zum Beispiel eine kleine Packung Erdnüsse oder zwei Schachteln Streichhölzer kaufen“, sagt sie. Sie und viele ihrer Freunde sind deshalb ab sofort offline. 

ritah

Rita hat einen Kiosk in Kampala. Für sie ist die Steuer viel Geld.

Foto: privat

Die Einführung der Steuer war für sie ein Schock. „Sonntagmorgen bin ich aufgewacht und mein Handy funktionierte nicht. Obwohl ich am Tag zuvor viel Datenvolumen gekauft habe. Dann habe ich realisiert, dass es wegen der neuen Steuern ist“, erzählt Ritah. „Wir dachten alle nicht, dass die Steuer wirklich eingeführt wird. Wir dachten, die Regierung lügt, redet nur. Das passiert hier oft. Ich finde, die Steuer sollte wieder abgeschafft werden. Die Regierung ist nur geldgierig, alle anderen Erklärungen sind ein Vorwand.“ Ritah nutzt die sozialen Medien, um mit ihrer Familie und ihren Freunden in Kontakt zu bleiben. Dazu ist sie vor allem auf Whatsapp angewiesen. 

Die Presse- und Meinungsfreiheit in Uganda ist seit Jahren stark eingeschränkt

Ritah ist nicht die einzige, die nicht an die Erklärung des Präsidenten glaubt. Viele Ugander teilen ihre Meinung und bezahlen die Steuer aus Protest gegen das neue Gesetz nicht. So zum Beispiel Jey, 27, Unternehmer und Filmemacher in Kampala – obwohl er sie sich mit einem Einkommen zwischen einer und zwei Millionen Schilling (also etwa 220 bis 440 Euro) pro Monat leisten könnte. „Es gibt keinen Grund für diese Steuer. Sie ist kompletter Unsinn“, sagt Jey. „Das Gesetz wurde erlassen, ohne dass es näher erklärt oder gerechtfertigt wurde. Ich glaube, dass die Regierung uns Ugander davon abhalten möchte, dass wir miteinander reden.“

jey

Jey glaubt, dass die Regierung die Menschen in Uganda davon abhalten möchte, miteinander zu sprechen,

Foto: privat

Die Presse- und Meinungsfreiheit in Uganda ist seit Jahren stark eingeschränkt, im Presssfreiheits-Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ steht das Land auf Platz 117 von 180. Soziale Netzwerke galten bisher weitgehend als die einzigen Räume, in denen freie Meinungsäußerung möglich war. Durch das neue Gesetz unternimmt die Regierung nach Ansicht vieler Ugander den Versuch, nun auch online zu zensieren. „Durch die Steuer sind wir wie China oder Nordkorea“, beklagt sich Jey. „Wir Ugander sind nicht mehr online. Manche, weil sie gegen die Steuer protestieren. Andere, weil sie es sich nicht leisten können.“

Auch Esther, 25 und Projektmanagerin, zahlt wie Jey aus Protest nicht. „Der Präsident weiß selbst, dass diejenigen, die schlecht über ihn sprechen und dadurch tatsächlich zur Gefahr für ihn werden könnten, die Steuer bezahlen können. Denn ich glaube, wer Datenvolumen kaufen kann, kann auch die Steuer bezahlen“, sagt sie. „Sie ist vielmehr ein Versuch, unsere Freiheiten einzuschränken als eine finanzielle Belastung.“ Sie hat nicht vor, die Steuer in Zukunft zu bezahlen – und hat sich einen VPN-Klienten herunter geladen, mit dem sie anonym surfen kann. 

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