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Hetero-Frauen, fühlt ihr euch von lesbischen Anmachen belästigt?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Hetero-Frauen,

eigentlich macht es ja Spaß, eigentlich hat man ja nichts zu verlieren – und trotzdem ist es immer ein kleines Wagnis, jemanden anzuflirten. Was, wenn die andere Person mich nicht mag? In einer exklusiven Beziehung ist? Mich abweist? Wenn das jemand mitbekommt? Diese Gedanken kennen wir wahrscheinlich alle.

Bei mir kommt aber noch ein weiterer dazu, nein, eigentlich denke ich ihn sogar vor all den anderen Gedanken: Steht sie überhaupt auf Frauen? Dass das nicht so ist, ist allein statistisch betrachtet ja relativ wahrscheinlich, es sei denn, ich bin in einer queeren Bar oder wir haben ein Match auf Tinder. Herausfinden kann man das meistens nur, wenn man den Schritt trotzdem geht und die Frau, die man gut findet, anspricht oder ihr sonst irgendwie zeigt, dass man sich für sie interessiert. Und ich frage mich: Liebe Hetero-Frauen, wie ist das für euch, wenn wir euch anflirten? Unangenehm, ein Kompliment, verwirrend – oder checkt ihr das gar nicht, weil ihr es nicht erwartet?

Viel mehr hält mich die Sorge ab, euch unangenehm zu sei

So wie neulich im Zug: Sie musste nach München, genau wie ich, also haben wir uns ein Bayern-Ticket geteilt. Ich hab sie angelächelt, ihr ein bisschen länger in die Augen gesehen, wollte ihr ein Kompliment machen. Sie hat kurz zurück gelächelt – und sich die Kopfhörer in die Ohren gesteckt.

Nicht, dass ich mich oft trauen würde, einfach so ganz offensiv eine Frau anzuflirten. Ein Lächeln, ein wenig Smalltalk, das bekomme ich meistens hin. Mehr eher nicht. Ein bisschen liegt das daran, dass ich kaum Übung habe. Mein Outing ist noch nicht lange her. Viel mehr hält mich aber die Sorge ab, euch unangenehm zu sein. Wie vermutlich die meisten nicht-hetero Frauen und noch mehr nicht-hetero Männer habe ich zu oft gehört: „Ich hab kein Problem damit, wenn du homosexuell bist – solange du mich in Ruhe lässt.“

Ich will nicht aufdringlich sein. Klar könnte man sagen: Diejenigen, die ein Problem damit haben, von jemandem des gleichen Geschlechts angeflirtet zu werden, sind es doch sowieso nicht wert. Das stimmt ja irgendwie auch. Aber: Wenn ich in ihren Augen das Klischee der nervigen Lesbe erfülle, die von allen Frauen was will, tut das trotzdem weh. Außerdem weiß ich als Frau, wie es ist, wenn mir jemand zu nahe kommt. Und das möchte ich niemandem antun. Zugleich habe ich kein Problem damit, von Männern angeflirtet zu werden. Im Gegenteil, wenn es keine plumpe Anmache ist, freue ich mich über ihr Interesse und ihren Mut. Und es tut mir zwar leid, wenn ich sie abweisen muss – aber ich finde nicht, dass sie dann dumm dastehen.

Also: Ich weiß, ihr reagiert nicht alle gleich – aber sagt doch bitte, meine Sorgen sind unberechtigt?

Alles Liebe,

eure nicht-Heteros

Die Antwort:

Liebe Lesben und Bis,

eure Frage macht mich ein bisschen traurig, wegen des Gedankens relativ am Ende: Dass du fürchtest und noch mehr von euch fürchten könnten, „das Klischee der nervigen Lesbe“ zu erfüllen. Mir wäre nie eingefallen, euch so zu bezeichnen. Ich bin in meinem Leben sechsmal von Frauen angeflirtet worden. Fünf dieser Momente waren sehr nett. 

Ich glaube, es kommt immer ganz auf die Art an, wie man anflirtet beziehungsweise wie man angeflirtet wird. Ich fühle mich in der Regel ziemlich geschmeichelt, wenn ihr mich ansprecht – viel mehr, als wenn es Männer tun. Es ist einfach schön, von einer anderen Frau irgendwie als besonders attraktiv, besonders charismatisch oder sonst irgendwie toll bewertet zu werden. Mir geht es zumindest so. Auch, weil ich festgestellt habe, dass Frauen oft Ähnliches schön finden wie ich oder ihnen die gleichen Dinge wichtig sind wie mir. Sie loben mich nicht dafür, dass ich „so klein und süß“ sei, wie es Männer wirklich oft getan haben. Sie mögen – so behaupten sie es zumindest in solchen Moment – eher meine Art, meine Ausstrahlung. 

Ich denke, man muss da als Flirter*in einfach in der Lage sein, das Risiko in Kauf zu nehmen

Ich bedanke mich in solchen Situationen für das Kompliment und Interesse und gebe, falls nötig, zu erkennen, dass ich leider nicht an etwas Tieferem interessiert bin. Ich hatte meistens den Eindruck, dass die Frauen das sofort akzeptiert haben und es auch okay war für sie. Nur einmal war mir die Anmache einer Frau zu aufdringlich – und das lag sicher nicht daran, dass sie lesbisch war, sondern daran, dass sie mit 17 Jahren noch sehr unerfahren, sehr betrunken und sehr verliebt in mich war. Sie bedrängte mich dabei aber eben auch nicht körperlich, sondern bat mich einfach wirklich inständig, es doch nur einmal mit ihr zu versuchen. Sie tat nichts, was mich degradiert oder entwürdigt hätte, wie ich es aus Erfahrungen mit Hetero-Männern kenne, Stichwort: sexuelle Belästigung. Die Bitten der jungen Lesbe brachte mich lediglich in die unangenehme Situation, sie stark zurückweisen zu müssen. Und das tat mir sehr leid.

Ich glaube, das ist tatsächlich eine Gefahr: dass du jemanden in die Verlegenheit bringen könntest, dich abweisen zu müssen. Aber das geht ja grundsätzlich jedem Menschen so beim Flirten, oder? Ich denke, man muss da als Flirter*in einfach in der Lage sein, das Risiko in Kauf zu nehmen, die Abfuhr wegzuwinken und zu sagen: „Ah, kein Problem. Wäre natürlich schön gewesen, aber so ist's auch nicht schlimm. Schönen Tag dir noch.“ Charmantes Lächeln, Abgang, Situation entschärft. Natürlich gibt es auch homophobe oder homofeindliche Frauen, die dich vielleicht deutlich harscher abweisen würden, als ich es täte. Das darf man nicht verschweigen. Ich glaube und hoffe aber, dass das zumindest unter den jungen Frauen die Minderheit ist und du da wirklich Pech haben müsstest, um an eine solche Frau zu geraten. Ist das naiv?

Oft checken wir Hetero-Frauen gar nicht, dass ihr uns überhaupt anmacht 

Ich habe jedenfalls, um deine Frage besser zu beantworten, mal in meinem Freundinnenkreis herumgefragt. Dort habe ich tatsächlich nicht viele gefunden, die überhaupt schon mal von Lesben angeflirtet worden sind – oder nicht viele, die es gemerkt haben. Ich denke, du beschreibst mit deiner Anekdote aus der Bahn etwas, das wirklich oft vorkommt: Dass wir Hetero-Frauen nicht checken, dass ihr romantisches Interesse an uns haben könntet. Und falls es uns doch in den Sinn kommt, fragen sich viele aber auch: „Bilde ich mir das nun ein?“ oder „Meint sie das so, wie ich es verstehe?“ Die Angst, etwas als Flirt einzuordnen, was in Wahrheit nicht so gemeint war, ist bei vielen von ihnen auf jeden Fall da. Ich glaube ganz ehrlich, ich hätte deinen Flirtversuch in der Bahn auch nicht als Anflirten verstanden. Ich deute Lächeln und freundliche Blicke unter Frauen immer eher wie eine Art Verschwesterung in bestimmten Situationen. Ich habe einfach von mir aus nicht den Hintergedanken, dass zwischen uns beiden was gehen könnte. Bei Männern ist das anders – entweder, weil ich selbst Interesse habe oder weil ich schon oft genug erlebt habe, wie sich deren Interesse ausdrückt.

Ich würde daraus mal ableiten, dass es sich vielleicht lohnen würde, doch noch etwas offensiver zu sein, als nur auf Blickkontakt und eine freundliche Unterhaltung zu setzen. Vielleicht müsstest du deine Absichten deutlicher machen, auch, wenn das noch mehr Mut braucht. Natürlich ohne plumpe Sprüche oder Aufdringlichkeiten – aber dazu neigst du ja offensichtlich sowieso nicht. 

Ich denke jedenfalls, dass vor allem diejenigen Heteros sagen: „Hauptsache, du lässt mich in Ruhe“, die noch nie wirklich von Lesben angemacht worden sind. Die Angst vor dem Fremden haben, davor, in die Verlegenheit zu kommen, mit einer neuen Situation umgehen zu müssen, die sie noch nicht kennen. Die Situationen selbst sind dabei gar nicht so unangenehm, wie manche denken – im Gegenteil.

Eure Hetero-Frauen

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