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Besonders schöne Menschen, seid ihr besonders glücklich?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe krass schöne Menschen,

wie geht es euch? Uns geht es ganz gut. Uns durchschnittlich schönen Menschen. Ja, wirklich, passt schon.

Aber viele von uns würden wahrscheinlich trotzdem, ohne auch nur mit ihren durchschnittlichen Wimpern zu zucken, „Ja“ sagen, wenn uns die gute Fee anbieten würde, uns überdurchschnittlich schön zu machen. Vielleicht ein bisschen weniger Speck hier und da oder ein paar mehr Kurven, vielleicht eine etwas schmalere oder markantere Nase, vielleicht einen eleganteren Kiefer oder höhere Wangenknochen oder – bitte, bitte – nur eine Prise mehr Ausdruck, mehr Geheimnis in den Augen, die unser Leben lang ihr Dasein unter durchschnittlichen Augenbrauen in durchschnittlichen Augenhöhlen gefristet haben. 

Aber sollten wir das wirklich wollen? Oder anders gefragt: Ihr Menschen, bei denen man als allererstes reflexartig denkt „Fuck, warum ist dieser Mensch so schön?“, seid ihr immer und ohne Einschränkungen glücklich mit eurer Schönheit?

Ein kurzer Einwurf: Es ist ja ziemlich verbreitet, alles und jeden als schön zu bezeichnen – was ja an sich auch ein legitimer Ansatz ist. Und oft wird betont, wie relativ und subjektiv Schönheit ist und sowieso ja eigentlich nur ein soziales Konstrukt. Auch das: bis zu einem gewissen Grad gut und richtig. Was aber auch stimmt, ist nicht nur, dass messbar und intersubjektiv gültig ist, was die meisten Menschen als schön empfinden. Sondern es stimmt auch, dass sich Schönheit zum Beispiel auch schon auf unsere Schulnoten und später auf unsere Karrierechancen auswirkt.

Werdet ihr auf eure Schönheit reduziert? Oder deshalb isoliert, beneidet oder angefeindet?

Gehen wir für diesen Text also mal von einer gnadenlosen Hierarchie der Schönheit aus: Wie lebt es sich ganz oben auf dieser Pyramide? Wo, von unten gesehen, fast schon keine Schwerkraft mehr gilt, wo gottgleiche Elben-Wesen ein immerwährendes Fest der Selbstakzeptanz feiern und wo aus riesigen Füllhörnern nie endende Ströme aus Likes, Follower*innen und guten Schulnoten sprudeln?

Oder verstehen wir da was grundlegend falsch? Übersehen wir bei all dem Glamour vielleicht die negativen Attribute, die euch wegen eurer krassen Schönheit zugeschrieben werden? Etwa: „Schöne Menschen sind nur wegen ihrer Schönheit erfolgreich und beliebt“ oder „Schöne Menschen sind oberflächlich, arrogant und naiv“.

Werdet ihr auf eure Schönheit reduziert? Oder deshalb isoliert, beneidet oder sogar angefeindet? Ist es vielleicht auch bei euch deshalb eher so ein „Ja, passt schon“ oder „Könnte besser sein“? Oder nehmt ihr euch am Ende gar nicht als schön wahr? Ich habe einen Bekannten, der so schön ist, dass ihm auf Partys immer wieder wildfremde Frauen ohne ein Wort zu sagen die Zunge in den Hals stecken. Für ihn ist das normal, er würde sich aber nie als besonders schön bezeichnen.

Und weil auf diese Frage ein krass schöner Mann und keine krass schöne Frau antwortet und sich die Lebensrealitäten da wahrscheinlich ziemlich unterscheiden, hier noch eine Präzisierung: Krass schöne Männer, wärt ihr manchmal gerne weniger krass schön? 

Eure Durchschnittsknilche

P.s.: Bitte sagt ja.

Die Antwort eines krass schönen Menschen:  

Liebe durchschnittlich schöne Menschen,

vorweg erst einmal danke, dass ihr uns so eine Frage stellt. Normalerweise hält man sich in unserer Gegenwart ja eher mit solch existentiellen Gesprächen zurück. Aber dazu gleich mehr.

Uns geht es auf jeden Fall gut hier oben. Die Luft riecht in diesen Höhen süßlich, etwas Testosteron übersprüht mit Davidoff. Und jeder, der behauptet, ihm würde es hier nicht gefallen, der lügt. Klar, auch wir haben unsere Probleme – unsere krass schönen Luxusprobleme. Wenn die Fee uns aber fragen würde, ob wir mit einem von euch tauschen wollten, dann würden wir ihr wahrscheinlich nur mit unserem krass schönen Zeigefinger auf unsere noch krass schönere Schläfe tippen.

Auch wir mussten erst darauf hingewiesen werden, dass wir diese Eigenschaft haben

Ja, es kommt schon gelegentlich vor, dass wir plötzlich eine bis eben noch fremde Zunge in unserem Hals spüren. Obwohl man das sicherlich für ein – sagen wir – forsches Kompliment halten kann, bringt es uns auch des Öfteren zum Nachdenken: Sind wir es denn überhaupt nicht wert, dass man diese Zunge auch bei uns für das herkömmliche verbale Vorspiel verwendet – egal, wie trivial es manchmal auch sein mag? Wenn man sich dann doch einmal mit uns austauscht, das übliche „Und was machst du so?“ hin und her schiebt, hört man nichts selten ein verwundertes: „Echt, du liest?“ Ja – und nicht nur Whatsapp-Nachrichten! Ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass wir schönen Männer nicht im Entferntesten so oft auf unser Äußeres reduziert werden wie unser Pendant, die krass schönen Frauen.

Trotzdem enden wir in solchen Nächten oft als Trostpflaster auf der schwitzigen Haut einer frisch Getrennten. Da ihre große, riesengroße Liebe sie verlassen hat, sucht sie nach einer Ablenkung, einer Bestätigung für ihr angeknackstes Ego. Was kann ihr da gelegener kommen als ein schöner Mann, der ihr gebrochenes Selbstwertgefühl wieder zusammenleimt? Aber mal ehrlich: Es gibt Schlimmeres. Oder wie es Jim Levenstein in dem Kultfilm American Pie bereits formulierte: „Oh mein Gott, sie hat mich benutzt. Ich wurde benutzt. Ich wurde benutzt! Cool!“

querfrage krisha text

Unser Autor Krisha arbeitet als Model und Journalist.

Foto: Grit Siwonia

Wenn wir an solch einem Morgen danach Frühstück ans Bett zaubern, stößt das des Öfteren auf Unglauben. „Das meint er bestimmt nicht ernst,“ spricht ihr Blick alsdann. „Der sieht viel zu gut aus, um nett zu sein.“ Falls es dann doch klappt, und wir mit einer „Durchschnittlichen“ zusammenkommen, weil auch wir irgendwann erkennen, dass das Äußere bei weitem nicht alles ist (und schöne Menschen bestimmt nicht besser im Bett sind), heißt es wiederum: „Was macht so einer denn mit der da?“

Ein „heute nicht“ aus dem Munde eines Türstehers kennen wir nur vom Hörensagen

Auch wir finden uns nicht immer gleich schön, auch wir mussten erst darauf hingewiesen werden, dass wir diese Eigenschaft haben. Auch wir kennen diese Momente, in denen wir vor dem Spiegel stehen, nicht verstehen können, weshalb man an uns so attraktiv findet, während wir unsere wachsenden Geheimratsecken machtlos beäugen. Genauso wie wir die Augenblicke haben, in denen wir uns selbstverliebt in die Augen schauen, weil uns der Post-Shower-Wet-Look besonders sexy macht, und wir am liebsten Herzen mit unserer Zunge in den beschlagenen Spiegel schlecken würden. Ja, auch bei uns liegt Schönheit im Gemütszustand des Betrachters.

Aber hey: Alles in allem geht es uns echt gut. Ein „heute nicht“ aus dem Munde eines Türstehers kennen wir nur vom Hörensagen. Wir müssen auch nicht darum bitten, Gruppenfotos wegen uns noch einmal schießen zu lassen. Und Schönheitsneid unter Männern gibt es dank des Patriarchats kaum.

Wohl stimmt es auch, dass wir einer der Gründe sind, warum Fotos auf Bewerbungen nicht mehr allzu gern gesehen sind. Denn sicherlich haben wir bei dem ein oder anderem Jobinterview aufgrund unserer Erscheinung Vorteile genossen. Ob wir uns deswegen schlecht fühlen? Nein. Jeder bringt seine Vorzüge mit: Die eine ist humorvoll oder eloquent, der andere ist mit jemandem im Vorstand verwandt und wieder ein anderer bringt gerne Geschenke zum Vorstellungsgespräch mit.

Ja, ihr lieben durchschnittlich schönen Menschen, auch wir haben Probleme, wie alle anderen auch. Die haben nur nichts mit unserem Aussehen zu tun. Unsere Schönheit verschont uns nicht vor Schicksalsschlägen – sie macht uns den Alltag aber meistens trotzdem ein bisschen leichter. Weniger krass schön wollen wir deswegen eigentlich nicht sein. Bitte verurteilt uns nicht dafür. Und reduziert uns nicht nur auf unser Äußeres. Schließlich können wir nichts dafür. Nur unsere Eltern. Und die Genlotterie. Ja, okay: ein bisschen auch die Hautcreme von Biotherm.

Eure krass schönen Männer

Anmerkung der Redaktion: Krisha ist seit 16 Jahren als Model tätig – unter anderem für Marken wie Puma, Swatch und Thierry Mugler. Außerdem ist er promovierter Philosoph und arbeitet als Journalist in Deutschland und Indien.

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