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Lesben, wie fühlt sich Sex mit einem Mann für euch an?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Lesben,

diese Frage richtet sich an diejenigen von euch, die schon mal mit einem Mann geschlafen haben: Wie war das? Ich frage euch als Hetero-Mann, der noch nie mit einem Mann Sex hatte. Wie merkt man, dass man gerade nicht nur mit dem falschen Menschen, sondern mit dem falschen Geschlecht im Bett liegt? Wie kommt man als unerfahrener, junger Mensch darauf, dass sich der Sex komisch anfühlt, weil das da im Bett ein Sexpartner und keine Sexpartnerin ist? Wie oft dachtet ihr vielleicht, dass ihr nur noch nicht „den Richtigen“ gefunden habt? Ich stelle mir das vor eurem Coming-out unglaublich schwer vor.

Wenn ich als Hetero daran denke, mit einem Mann zu schlafen, dann gibt es viele Dinge, die mich daran einfach nicht reizen. Und da denke ich nicht an das Offensichtlichste: den Penis. Ich denke an Männerbärte, Männerbrüste, Männerbäuche, Männerwaden und Männergeruch. Nicht, dass ich das alles eklig finde. Es macht mich einfach nicht an. Geht euch das auch so? Gibt es konkrete Körperteile, Verhaltensweisen, Gerüche, die ihr an Männern auf sexueller Ebene abstoßend findet? Und, wenn ihr dann mit einem Mann geschlafen habt: Was genau fühlte sich falsch an?

Hattet ihr trotzdem Spaß am Sex?

Der Körper hat ja so seine Mechanismen beim Sex. Viele von uns wissen, was sie wollen und brauchen, was uns anmacht, wo wir berührt werden wollen. Nehmen wir mal an, der Mann, mit dem ihr geschlafen habt, hätte diese Hebel gefunden, war liebevoll, aufmerksam und zärtlich. Hattet ihr dann trotzdem Spaß am Sex? Oder schließt sich das im Nachhinein für euch kategorisch aus, weil es eben Sex mit einem Mann war? 

Und abschließend: Wo ist der Unterschied zu ganz normalem schlechten Sex? Denn manchmal läuft es im Bett eben nicht, ganz unabhängig vom Geschlecht des Sexpartners oder der Sexpartnerin. Vielleicht habt ihr ja auch schon mal mit einer Frau geschlafen, mit der der Sex nicht perfekt war. Was fühlte sich dabei anders an als bei dem Sex mit einem Mann? Wir sind sehr gespannt.

Eure Heteros

Die Antwort:

Liebe Heteros,

ich bin ehrlich: Ihr macht euch mit dieser Frage nicht beliebt. Manche von uns lesbischen Frauen haben lange gebuddelt, um all die unangenehmen Sexerfahrungen mit Männern erdkerntief zu vergraben, und jetzt soll ich die Schaufel wieder in die Hand nehmen? 

Euer Glück ist, dass mich das Ergebnis selbst neugierig macht. Wie merkt man das als Lesbe, ganz konkret, dass man da mit dem falschen Geschlecht die Laken teilt? Bisher habe ich das für mich so formuliert: Sex ist mit Männern schlecht, mit Frauen gut; Aber das ist natürlich wahnsinnig unpräzise. Ich hatte immerhin auch wirklich schlechten Sex mit Frauen.

Also zurückerinnern. Ich habe mit mehreren Männern geschlafen. Jeweils nur einmal, und nach jedem Mal dachte ich: Es war grausam. Von der Existenz anderer sexueller Lebensweisen hatte ich in meinem Dorf wenig mitbekommen, weshalb ich vermutete, es läge eben an diesem speziellen Mann, und dann eben an diesem anderen speziellen Mann, und so weiter. 

Der Sex mit einem Mann war für mich mehr ein technischer Prozess

Dass ich mich erst zuschütten musste, um einem Mann überhaupt näher kommen zu können, und dass mich dann so vieles abstieß: der Geruch (immer ein bisschen herber, schweißiger), der Bart, die Bewegung; das habe ich als normales Fremdeln mit Neuem und Nacktem empfunden. Zwar löste die sexuelle Handlung teilweise etwas in mir aus, Stichwort: erogene Zonen. Ich würde die Reaktion auf diese Berührungen jedoch als leidenschaftslose Erregung bezeichnen. Ich kenne das sonst zum Beispiel so von Freunden, wenn die beim Kuscheln und Streicheln plötzlich aufschreien: NICHT DA, nicht das Ohrläppchen, das macht mich an. Der Sex war für mich also mehr ein technischer Prozess als Spaß.

Klar, liebe Heteros, man könnte jetzt meinen, wenn die Technik nur ausgefeilt genug ist, der Mann liebevoll, aufmerksam, zärtlich ist, dann könnte es ja trotzdem Spaß machen oder zumindest okay sein, nur ist da noch etwas Anderes, Entscheidendes: es fühlte sich für mich unnatürlich an, im Sinne von: biologisch so nicht vorgesehen. Vielleicht lässt es sich damit vergleichen, wie manche Menschen in den ersten Wochen oder Monaten von ihrem Hörgerät sprechen und sagen, es sei fremd, komisch, unangenehm, störend. Ich sehe mich, wenn ich zurückdenke, mit einem verwirrten Gesicht stöhnen, und immer verkrampfter und trockener werden, weil mein Kopf sowas fragt wie: WAS SOLL DAS? WAS IST DAS DA BITTE? DAS GEHÖRT DA NICHT HIN. DAS STIMMT IRGENDWIE NICHT. Natürlich ist der Mann kein Gerät, das langfristig in einem verhaftet bleibt; und deshalb muss man sich zum Glück an die Verbindung auch nicht gewöhnen; man kann es ganz einfach mit einem anderen Geschlecht probieren.

Das erste Mal mit einer Frau, ich erinnere mich hier sehr gern, da knisterte etwas, schon ohne Berührung, da war Leidenschaft, die nur durch Duft und Vorstellung passierte. Der Sex war wahnsinnig vorsichtig, fast schon verklemmt, und dementsprechend schlecht, aber er fühlte sich richtig an, organisch, irgendetwas griff ineinander. Und auch wenn es mit einer Frau mal zäh war, man sich eher notdürftig zusammen tat, so ganz leidenschaftslos, war das Richtig-Gefühl immer noch da. 

Vielleicht lässt sich also zusammenfassen: Ich habe Frauen im Bett nie als Fremdkörper empfunden. Männer schon.

Nun, liebe Heteros, ich hoffe, dass ich euch mit meiner Antwort etwas weiterhelfen konnte. Auch wenn wir Lesben keine homogene Masse sind, deren Erfahrungen alle deckungsgleich sind, hoffe (und vermute) ich, dass sich die ein oder andere Lesbe in meiner Beschreibung wiederfinden kann.

Eure lesbischen Frauen

Anmerkung der Redaktion: Unsere Autorin spricht zwar offen über Sex, will aber nicht, dass alle im Internet lesen können, was sie im Bett schon so erlebt hat. Deswegen bleiben unsere Autor*innen hier anonym, sind der Redaktion aber bekannt.

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