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Lesben, macht ihr euch weniger Gedanken um eure Intimbehaarung?

Sind lesbische Frauen weniger beeinflusst vom männlichen Blick und deswegen auch entspannter, was ihre Vulvahaare angeht?
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Lesben,

ich fang mal ganz direkt an: Ich habe das Gefühl, ihr seid beim Thema Intimfrisur schon weiter als wir Hetero-Frauen. Wenn meine Hetero-Freundinnen erzählen, dass sie sich vor spontanen Dates noch schnell Rasierer kaufen müssen, um bloß nicht unrasiert im Bett zu landen, klingt das für mich alles andere als entspannt. Ihr dagegen seid laut meinen queeren Freundinnen viel experimentierfreudiger und lässiger. Einige rasieren sich im Intimbereich gar nicht mehr: „Man hat plötzlich so viel mehr Zeit und so viel weniger Rasurpickel“, sagt ihr dazu nur. Auch Farben wurden in meinem Nicht-Hetero-Freundinnenkreis schon ausprobiert, wobei mir von blauen Schamhaaren abgeraten wurde: „Sieht aus wie Schimmel“. 

Ich als Hetero-Frau dagegen mache mir viele, wahrscheinlich sogar zu viele, Gedanken um meine Intimbehaarung. Die Idealvorstellung einer komplett glatt rasierten Vulva kursiert noch immer in den Köpfen vieler junger Frauen herum – in den Köpfen meiner Freundinnen und mir auf jeden Fall. Viele Menschen assoziieren mit Körperbehaarung Schmutz, Geruch und Unreinheit. Dabei ist ein kompletter Kahlschlag nicht unbedingt hygienischer als wild wachsende Haare im Intimbereich. Denn fehlt das Schamhaar, können sich Bakterien und Pilze leichter vermehren und Schmutz einfacher in die Vagina eindringen.

Ist es für euch dennoch schwierig, euch vom männlich geprägten Schönheitsideal zu lösen? 

Oft höre ich aber den Satz: „Die Typen mögen es halt am liebsten komplett glatt.“ Keine Ahnung, wie wichtig es  Männern ist, dass wir glatt rasiert sind. Ich glaube, es ist einfach Geschmacksache. Tatsache ist: Ich rasiere mich nur für die Männer. Denn mein Spaß im Bett hängt definitiv nicht von der Anzahl der Haare in meinem Intimbereich ab. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass es beim Sex zwischen zwei Frauen viel entspannter zugeht?

Ihr Lesben wisst nämlich ganz genau, wie viel Stress und wie viele Nacken-Krämpfe für eine Rasur im Intimbereich draufgehen. Lasst ihr es deswegen einfach – weil euch der männliche Blick egal ist? Oder sind meine queeren Freundinnen nicht repräsentativ? Ist es für euch dennoch schwierig, euch vom männlich geprägten Schönheitsideal zu lösen? 

Erzählt doch mal und gebt uns gerne etwas von eurer Gelassenheit ab.

Eure Hetero-Frauen

Die Antwort:

Liebe Hetero-Frauen, 

vielleicht ist meine Frauenauswahl nicht punk genug, aber mir ist noch nie ein roter Busch entgegengeschlagen, als ich eine Unterhose heruntergefummelt habe – auch kein grüner, gelber, oder blau-schimmliger. Die waren immer all natural, die Büsche. Aber es waren eben schon viele, also Naturbüsche, und viele stoppelige Vulven, und allerlei interessant frisierte (samt meiner eigenen). Müsste ich eine Quote nennen von Vulvaglatzen, die mir untergekommen sind, waren das vielleicht 35 Prozent. Heißt das also, wir Nicht-Heteras sind ultralässige Intimhaarqueens?

Ich weiß noch, als vor meiner Vulva zum ersten Mal Haare wilderten – für mich war das gar nicht abstoßend oder merkwürdig, die Haare gehörten einfach dazu – da sagte meine Schwester im Badezimmer zu mir: Gott, wie siehst du denn aus? Das ist ja eklig. Rasier dich mal. Ich weiß noch, wie tief beschämt ich war. Wie dumm, nicht zu erkennen, was anscheinend für alle anderen ganz logisch war: Intimhaare sind eklig. Ich habe die Tür zugehauen, hektisch herumrasiert und ganz schön viel geblutet. Danach habe ich mich für lange Zeit nicht mehr herausgetraut, wenn die Vulva nicht aalglatt war. Bei meinem ersten Mal war ich aalglatt. Beim ersten Mal mit einem Mann. Beim ersten Mal mit einer Frau auch. 

Auch als ich schon länger wusste, dass ich auf Frauen stehe, als ich mich als Lesbe bezeichnete, habe ich strikt die Vulva zum Babypopo geraspelt. Nur weil ich jetzt mit Frauen schlief, war es ja nicht okay, eklig zu sein; wobei eklig ja nur ein unscharfer Überbegriff war für unrein, schmutzig und unhygienisch. In der Zeit hätte ich für ein Spontandate sicherlich mein letztes Kleingeld für pinke Plastikrasierer vor die Drogerie-Kassiererin geschüttelt. Es war also nicht so, dass in dem Moment, wo ich meine Schönheit nicht mehr dezidiert an Cis-Männer ausrichtete, mein Schönheitsbegriff ad-hoc ins wanken kam. Das passierte erst später.

Mit der Uni und den Techno-Partys umgaben mich immer mehr Leute, die sich die Kippen selbst drehten, Vulven an Klotüren malten und den Kapitalismus canceln wollten. So auch die Frauen, mit denen ich schlief. Heteronormative Schönheitsideale sind in diesen links-feministischen Kreisen genauso unbeliebt wie SUVs und Geschlechternormen (an der Stelle angemerkt: Es gibt auch Männer mit haarigen Vulven, und stoppeligen, und glatten). Je öfter ich Frauen mit wildem Intimhaar sah und berührte, umso entspannter wurde ich; deren Intimhaar gegenüber, aber auch gegenüber meinem eigenen. Heute bin ich völlig befreit von der Buschscham (und dem Buschshaming). Die Betonung liegt hier auf dem ich, nicht alle Nicht-Heteras gehen zur Uni und mögen Techno.

Die Männer werden sich schon dran gewöhnen, wenn ihr die Haare sprießen lasst 

Wenn ich an die 35 Prozent Vulvaglatzen zurückdenke, dann waren das zumeist Frauen mit bilderbuchhaftem Hetero-Umfeld. Ich denke, für Nicht-Heteras aus diesen stark heteronormativen oder einfach weniger progressiven Kreisen ist es immer noch schwer, die Vulva mit Stolz buschig zu tragen. Gerade für bi- oder pansexuelle Frauen, die auch auf Cis-Männer stehen, aber auch für Lesben. Mir wurde von einer Cis-Frau der Intimhaarekel beigebracht, dafür braucht es keinen Mann. Auch der weibliche Blick ist infiziert vom männerzentrierten Hetero-Denken. Um aus dem Denkmuster auszubrechen, sind Vorbilder wichtig (zumindest war es bei mir so), und die fehlen leider oft in weniger progressiven Blasen.

Also, liebe Hetero-Frauen, nein, ich befürchte, nicht alle von uns sind ultralässige Intimhaarqueens. Aber sicher sind bei uns mehr zu finden als bei euch. Ideal wäre eine Welt, in der alle Menschen mit Vulva schamlos diesem Club der ultralässigen Intimhaarqueens beitreten können. Denn es ist sehr gemütlich hier, weniger Brennen, Pickel, Stress. Also kommt, ihr Heteras, die Männer werden sich schon daran gewöhnen.

Bis dahin, gutes Sprießen,

eure lesbischen Frauen

 

*Unsere Autorinnen wollen aus verschiedenen Gründen lieber anonym bleiben, sind der Redaktion aber bekannt. 

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