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Bisexuelle Frauen, sind Dates mit Frauen besser als Dates mit Männern?

Ist es mit Frauen einfacher, bei Dates über tiefgründige Themen zu sprechen?
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe bisexuelle Frauen,

auf Tiktok sehe ich immer mehr Videos von Frauen, die von ihrer ersten Verabredung mit einer Frau erzählen und absolut überrascht sind. Die Date-Partnerinnen hatten oft einen Plan für das Treffen, haben das Restaurant ausgesucht oder ein ganzes Picknick vorbereitet. Einer Userin wurden sogar Blumen mitgebracht. 

Ich selbst könnte mir zwar auch vorstellen, Frauen und non-binäre Menschen zu daten, hatte aber bisher nur Dates mit heterosexuellen cis Männern. Manche davon waren ganz gut, andere enttäuschend. Mir hat noch nie ein Typ bei einem Date Blumen geschenkt (nicht, dass ich das erwarten würde) – und meist musste auch ich entscheiden, was wir beim Treffen machen. Ist das mit Frauen wirklich anders?

Ist es anders, mit einem Mann oder einer Frau zu flirten?

In den Videos erzählen die Userinnen oft auch, dass sie zu Frauen beim Daten viel schneller eine enge Bindung aufbauen und sie offen über ihre Emotionen sprechen konnten. Wenn ich mit Männern hin und her schreibe, geht es oft darum, was man gerade so macht, um Lieblingsserien oder darum, was in der Welt los ist. Mir persönlich fällt es normalerweise auch leichter, mit Frauen über Gefühle zu sprechen. Erlebt ihr das bei Dates auch so? Und decken sich die Beschreibungen der Frauen auf Tiktok auch ansonsten mit euren eigenen Erfahrungen? Ist es anders, mit einem Mann oder einer Frau zu flirten? Unterscheidet sich die Kommunikation bei Männern und Frauen beim Daten sehr? Oder sind das alles nur Stereotype? Erzählt doch mal von euren Erfahrungen.

Eine heterosexuelle Frau (die sich in ihrer Sexualität noch unsicher ist und viele Fragen hat)

Die Antwort: 

Liebe heterosexuellen Frauen,

über diese wirklich spannende Frage habe ich mich schon häufiger unterhalten. Aber eben nicht mit euch Heteros – sondern vor allem mit bisexuellen Freundinnen. Auf die Gefahr hin, ein bisschen zu pauschalisieren, teile ich mit euch meine subjektiven Erfahrungen. 

Ich war ziemlich perplex, als ich die Schilderungen über Dates mit Frauen gelesen habe: Pläne, vorbereitete Picknicks, ausgewählte Restaurant? Das kenne ich so nicht. Im Gegenteil: Meine Freundinnen und ich ärgern uns meistens eher darüber, dass das Gegenüber so selten die Initiative ergreift. Das geht los bei den Dating-Apps. 

Fast immer musste ich die Frauen anschreiben und um ein Treffen bitten, weil von ihnen nach dem Match einfach nichts kam. Bei den Dates war es ähnlich: Ich wurde angeflirtet, aber der erste Kuss ging von mir aus, genauso wie der Vorschlag, noch mit nach Hause zu gehen. Ich weiß nicht – Vielleicht bin ich genau die Frau, von denen deine Tiktok-Community schwärmt. Aus meiner Perspektive war das aber nicht so toll. Ich hatte oft eher das unangenehme Gefühl, die Frau die ganze Zeit von mir und dem Date überzeugen zu müssen.

Ich habe den Verdacht, dass hier nicht nur Schüchternheit, sondern ein altes Klischee eine Rolle spielt: Frauen wollen sich erobern lassen. Hauptsache nicht leicht zu haben! Einmal habe ich eine Frau nach einem ziemlich heißen Date gefragt, ob sie noch mit zu mir will. Sie druckste daraufhin ziemlich lange herum. Es steht natürlich jedem frei, immer Nein zu sagen. Aber ich hatte den Eindruck, dass sie auch Spaß und Lust hatte – und von mir überredet werden wollte. Darauf hatte ich aber gar keine Lust, wir sind dann beide getrennt nach Hause gegangen. 

Männern gegenüber bringe ich oft eine Grundskepsis mit

Diese Art von Zurückhaltung habe ich bei Männern noch nie erlebt. Die reagieren oft begeistert, fast dankbar, wenn ich diejenige bin, die nach dem ersten Kuss fragt oder anspricht, ob wir uns wiedersehen wollen. Oft ist es daher leichter für mich, Männer zu daten. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass man über Dating-Apps oft Frauen trifft, die nicht lesbisch oder überzeugt bisexuell sind, sondern noch nicht genau wissen, was sie wollen?

Aber Männer haben auch einen deutlichen Nachteil. Ihnen gegenüber bringe ich oft eine Grundskepsis mit und überprüfe: Versteht er Feminismus, ist er Queers gegenüber offen, kann er mit Emotionen gut umgehen, behandelt er mich respektvoll? Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist das für mich ein Ausschlusskriterium. Bei Dates mit Frauen frage ich sowas eher nicht ab. Ich gehe davon aus, dass wir gewisse Erfahrungen eben teilen, zum Beispiel in Bezug auf Sexismus. 

Mit Frauen erlebe ich, genau wie du es beschreibst, außerdem eine viel offenere Kommunikation und meist auch einen respektvolleren Umgang miteinander. Eine Frau, die ich getroffen habe, hat zum Beispiel direkt angesprochen, dass sie nichts Langfristiges sucht, aber Lust hätte, mich weiter zu treffen. Dann haben wir zusammen überlegt, unter welchen Bedingungen das für uns beide okay wäre. Ich hatte die ganze Zeit das angenehme Gefühl, dass sie meine Bedürfnisse mitdenkt.

Auch das Flirten und die Rollenverteilung sind anders. Bei Dates mit Männern schleichen sich immer wieder Mechanismen ein, die die Rollen unbewusst definieren oder auch bewusst zum Flirten genutzt werden – auch von meiner Seite, wie ich zugeben muss. Ich verhalte mich bei Dates mit Männer zum Beispiel viel tollpatschiger und unsicherer als sonst. Mir fällt auch auf, dass ich meine Erfolge dann oft kleinrede, um meinem Gegenüber kein schlechtes Gefühl zu geben. Andersherum merke ich aber, dass Männer oft flirten, indem sie sich über mich lustig machen oder mein Wissen in Frage stellen.

Generell fällt beim Flirten und bei Dates mit Frauen meine Sorge weg, in eine ungleichberechtigte oder stereotype Rollenverteilung zu rutschen. Zwei Frauen müssen bei einem Date miteinander eben keine vorgegebenen Geschlechterrollen erfüllen oder aktiv vermeiden. Wer zahlt? Wer gibt wem die Jacke, wenn es kalt wird? Wer küsst wen zuerst? Ganz egal! Und darin steckt so verdammt viel Freiheit. 

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Daten!

Eure bisexuellen Frauen

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