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Warum verpacken Männer Geschenke oft so lieblos?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Männer,

Geschenke einzupacken, hat für mich etwas Meditatives. Das Geraschel des Papiers, das Hindrapieren des Geschenkes an die beste Stelle, das Schneiden und das Kleben, das Namendraufschreiben, und am Ende vielleicht noch ein Schleifchen zu schnüren. Das alles sind stupide Aufgaben, die mir Ruhe geben und am Ende dem Menschen Freude machen, der das Geschenk auspacken darf. Wenn man dabei Zeitungspapier und wiederverwendbare Stoffe benutzt, braucht man nicht mal ein schlechtes Gewissen zu haben. Win-win, finde ich. Aber nicht alle ticken so. Bei jedem Weihnachts- und Geburtstagsfest liegen da auch Geschenke unter dem Baum oder auf dem Gabentisch, die absolut lieblos verpackt wurden. Sie sehen aus wie traurige Knödel, die in sehr, sehr viel Papier eingewickelt und nur aus Versehen am Mülleimer vorbeigeschossen wurden. Jedes mal stellt sich irgendwann heraus, wer die armen Geschenke so hergerichtet hat: ein Mann. Spezifischer: ein Hetero-Mann.

Klar, nicht jeder Mensch und auch nicht jede Frau kann Geschenke ästhetisch verpacken, manchen fehlt dafür wohl das Auge, die Begabung, die Feinmotorik – whatever. Aber oft wirkt es auf mich, als läge der Grund für eure grausig verpackten Geschenke woanders: Ihr gebt euch einfach keine Mühe. Das Geschenkpapier sitzt locker, die Ecken sind nicht schön eingefaltet, dafür aber über und über mit Tesafilm bedeckt. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr das mit Absicht macht, um extra „unbeholfen“ zu wirken.

Ist das dieser Pragmatismus, mit dem ihr euch oft brüstet?

Wollt ihr damit vermeiden, dass auch ihr in die Geschenkeverpack-Maschinerie vor Familienfesten einbezogen werdet? Oder vertraut ihr wirklich nicht darauf, dass ein kurzer Streifen Tesa auch klebt? Habt ihr das Verpacken einfach nie gelernt? Eine Kollegin erzählte mir kürzlich von einem Freund, der sämtliche Geschenke einfach in Mülltüten wickelt. Könnt ihr euch erklären, warum? Ist das dieser Pragmatismus, mit dem ihr euch oft brüstet? Oder steckt dahinter eine geheime Kapitalismuskritik, die ihr euch nicht verbal zu äußern traut? 

Ich kenne sogar (mindestens) einen Mann, der ist sehr stolz darauf, dass seine Geschenke zuverlässig am oberhässlichsten verpackt sind. Mit geschwellter Brust schreitet er auf einen zu, mit dem Klumpen in der Hand, zu allen Seiten hängen hässlich hindrapierte Schleifchen herab, das Geschenkpapier sieht aus, als hätte er es vorher mit Absicht zusammengeknüllt. Jedes Jahr wird er dafür liebevoll von seiner Mutti belächelt (à la „hach, er ist einfach ein kleiner Chaot, mein Sohnemann – aber so ist das eben mit den Männern“) und jedes Jahr tut er also, als könne er es nicht besser. Dabei ist er künstlerisch nicht unbegabt.  

Wollt ihr euren Liebsten denn keine Freude machen, indem ihr euch Mühe bei der Verpackung gebt? Oder findet ihr, dass nur der Inhalt zählt und die Verpackung egal ist? Machen wir uns die Mühe vielleicht sogar umsonst?

Eure leidenschaftlichen Geschenkeverpacker*innen

Die Antwort:

Liebe Frauen, 

ich könnte die Antwort jetzt in wundervolles Worte-Geschenkpapier hüllen, die Ecken meiner Argumente an den Enden sanft und überall symmetrisch herunterdrücken und sie mit sorgsam ausgesuchten Adjektiven festkleben – wie Stücke von Tesa-Film, nicht zu groß, damit man sie nicht sofort wahrnimmt, aber auch nicht zu klein, sodass sie alle Seiten gut miteinander verbinden. Und während Norah Jones aus der Bluetooth-Box heraus einen melancholisch-kathartischen Musik-Flokati in meine Wohnung hineinjazzt, zwirble ich eine große Floskel-Schleife um das Geschenk und bringe sie mit der Schere zum Kräuseln – so, als würde ich versuchen, eine Motorsäge anzuwerfen. 

Mach ich aber nicht. Denn die Antwort – und das ergab eine repräsentative Umfrage, die ich selbst heute morgen unter 1001 Männer in der Münchner Fußgängerzone in natürlich gebührendem Corona-Abstand durchgeführt habe – ist ziemlich banal: Pragmatismus (und ein kleines bisschen Faulheit). 

Im Grunde geht es doch darum, den Inhalt des Geschenks durch das Geschenkpapier noch ein wenig länger vor den Augen des/der zu Beschenkenden zu verstecken, seine oder ihre Lust und Neugier zu steigern und den Akt des Beschenktwerdens noch intensiver zu machen. Genussverzögerung also. Je besser das Vorspiel ist, desto stärker ist der Höhepunkt. Soweit sind wir ganz bei euch. 

Wir wollen das Geschenk nicht schöner machen als den Inhalt

Aber was wir nicht wollen, ist, das Geschenk schöner zu machen als den Inhalt. Da sehen wir den Sinn nicht drin. Das ist wie bei einer guten Reportage, die nicht vom angeberischen Wortreichtum oder den fancy Sprachpirouetten ihrer Autorin lebt, sondern, im Gegenteil, von deren Zurückhaltung und der Fähigkeit, die Geschichte für sich selbst sprechen zu lassen. Selbst in den Hintergrund zu treten und ihr zu vertrauen. 

Das soll aber  keine Rechtfertigung für Schlamperei sein. Oder eine Entschuldigung für so respektlos eingepackte und mit massig Klebestreifen umwickelte Geschenke werden, die wirklich tendenziell eher von Männern kommen. Wo das Geschenk einem optisch ins Gesicht rülpst und danach „Schulz“ sagt. Jeder kann, ob er das nun gelernt hat oder nicht, schnell herausfinden, wie man ein Geschenkpapier so schneidet und faltet, dass die Ecken nicht zu kleinen Geschwulsten werden. Oder sich überlegen, ob man den Tesa nicht schon vorher in kleinen Streifen an die Tischkante anklebt, und nicht dann abreißt, wenn man eigentlich keine Hand mehr zur Verfügung hat. Perfekt muss das alles nicht sein – aber eben auch nie so wirken, als wäre einem der Empfänger des Geschenks komplett egal. 

Ich musste zwar sehr lachen, als ich in eurer Frage gelesen habe, dass es sich dabei womöglich auch nur um eine ausgefuchste Strategie unsererseits handelt, um nicht in die „Geschenke-verpack-Maschinerie“ eingebunden zu werden. Das wäre aber zu viel der Ehre. So hintersinnig  sind wir meistens nicht. Ich würde sogar behaupten, dass es sich dabei eigentlich nicht um eine „Maschinerie“ handelt. Das Wort weckt ja das Bild von harter Akkordarbeit, die eben geleistet werden muss. Stattdessen geht es wohl  mehr um einen exklusiven Geschenke-Verpack-Zirkel, zu dem wir nie eingeladen wurden. Was wir nun aber auch nicht bedauern. 

Noch lauter musste ich lachen, als ich mir den Grinch vorstellte, der seine Geschenke in Mülltüten packt. Wow, das ist wirklich hart. Kam aber unter den 1001 Männern, die ich heute morgen befragte habe, nicht vor. Wer bitte macht so was? Ist der Typ Müllwerker mit einer weirden Déformation professionnelle?

Also, lange Rede kurzer Sinn: Ja, wir wollen unseren Lieben eine Freude machen, aber eben lieber mit Geschenken, die ihnen wirklich gefallen, bei deren Auswahl wir nicht unsere Bedürfnisse in den Vordergrund stellen, sondern die der zu Beschenkenden. Und das kann auch mal in einer Geschenktüte drinstecken, die man nicht verpacken muss. Oder in einem simpel und trotzdem liebevoll verpackten Päckchen. Falls ihr unsere Geschenke aber trotzdem wieder nett bis super nett verpacken wollt, sind wir auch nicht beleidigt. 

Eure Männer

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