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„Viele fragen mich, wie ich Feministin und Katholikin gleichzeitig sein kann“

Fotos: Privat / Christine Schmidt, LokalPlus

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Immer mehr Menschen in Deutschland treten aus der Kirche aus. Vor allem junge Leute wenden sich ab: Zwischen 20 und 30 sind die Austrittszahlen besonders hoch. Drei Katholik*innen haben uns erzählt, was Glaube für sie bedeutet. Und warum sie trotz ihres Glaubens zum Teil an der Institution Kirche zweifeln.

„Ich möchte dafür kämpfen, dass die Kirche wieder ein Ort wird, an dem sich alle Menschen wohlfühlen können“

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Foto: Christine Schmidt, LokalPlus

Lukas Färber, 22, studiert Soziale Arbeit in Münster und ist in den katholischen Jugendverbänden KjG und KLJB aktiv

„Für mich ist die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens, dass wir alle Gottes Kinder sind. Das bedeutet, dass wir alle gleichwertig sind und jeder Mensch so angenommen werden soll, wie er ist. Leider macht die katholische Kirche oft das Gegenteil. Die Diskriminierung von LGBTQ-Personen oder Verbrechen wie die Missbrauchsskandale schockieren mich immer wieder. Es ist schrecklich, dass eine Institution, die eigentlich ein Schutzraum sein soll, Menschen diskriminiert oder missbraucht. Wegen solcher Probleme frage ich mich, warum ich noch in der katholischen Kirche bin. Gleichzeitig zeigen sie mir erneut, wie wichtig es ist, dass wir die Strukturen der Kirche ändern. Wenn die Kirche wieder die christliche Botschaft lebt, was sie ja an vielen Stellen auch schon tut, dann hat sie wirklich viel Potenzial. Dann kann sie ihre Reichweite nutzen, um gegen Diskriminierung einzutreten. 

Zurzeit ist die Kirche ein monarchisches System, in dem nur geweihte Männer Macht haben. Ich glaube aber, dass alle getauften Christ*innen fähig sind, die Kirche mitzugestalten und Entscheidungen zu treffen. Deshalb bleibe ich auch in der Kirche. Denn ich möchte dafür kämpfen, dass die Kirche wieder ein Ort wird, an dem sich alle Menschen wohlfühlen können. Was spricht denn dagegen, dass alle getauften Katholik*innen den Papst, oder noch besser eine Päpstin, wählen? Ich weiß, dass ich damit sehr vielen katholischen Grundsätzen widerspreche, aber mir ist es ein Anliegen, dass die katholische Kirche demokratischer wird. 

Ein gutes Beispiel dafür, dass Demokratie in der Kirche funktionieren kann, sind die Jugendverbände der katholischen Kirche. Unsere Leitung wird, egal ob auf Ortsebene oder auf Bundesebene, demokratisch und paritätisch gewählt. Das klappt total gut und wir können unseren Glauben so noch besser ausleben. Die Kinder und Jugendlichen lernen wie Demokratie funktioniert und können selbst Verantwortung übernehmen. 

Auch wenn ich oft zweifle und viel an der katholischen Kirche auszusetzen habe, möchte ich meinen Glauben, so lange es geht, nicht außerhalb der Kirche leben. Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen und der christliche Glaube hat immer eine Rolle gespielt. Besonders in schweren Zeiten merke ich, wie sehr mein Glaubensgemeinschaft mir hilft. Sei es ein Todesfall, eine Krankheit oder eine andere schwierige Situation: Ich weiß, dass ich nicht alleine bin, dass immer jemand da ist, der mich begleitet, dem ich vertrauen kann. Ich glaube, dass es ganz vielen jungen Menschen so geht. Nur, dass sie dieses Vertrauen meistens nicht mehr in Kirchen finden, sondern in anderen Dingen, zum Beispiel im Yoga oder in der Meditation oder einfach als Teil einer Bewegung.“

„Wenn eine schwierige Situation plötzlich doch ein gutes Ende nimmt, dann weiß ich, Gott ist da“

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Foto: Privat

Klara, 23, studiert Psychologie in Trier

„Glauben ist modern. Denn auch moderne Menschen sollten sich nicht nur über das Hier und Jetzt, sondern auch über die Zeit nach dem Tod Gedanken machen. Mich macht mein Glaube glücklich. Manchmal macht er mich so glücklich, dass ich singen und tanzen möchte. In anderen Situationen, wenn ich gestresst bin, gibt mein Glaube mir Ruhe und Frieden. Ich lebe meinen Glauben aktiv – nicht nur sonntags im Gottesdienst, sondern jeden Tag. Meistens beginne ich meinen Tag mit Beten. So kann ich bewusst und als Kind Gottes in den Tag starten. 

Unter der Woche treffe ich mich oft mit meinen Freunden zum Beten, zum Bibellesen oder zum Gottesdienst feiern. Manchmal untermalen wir unsere Gebete mit Musik, häufig kochen oder essen wir danach noch zusammen. Gott ist lebendig und deshalb soll auch mein Glaube lebendig sein. Im Alltag spüre ich Gott in vielen kleinen Situationen. Wenn ich zufällig Menschen treffe, dann glaube ich, dass das Gottes Vorsehung war. Oder wenn eine schwierige Situation plötzlich doch ein gutes Ende nimmt, dann weiß ich, Gott ist da. 

Natürlich habe auch ich manchmal an meinem Glauben gezweifelt. Es gab Momente, da habe ich Gott nicht mehr gehört, da fiel mir das Beten schwer. In solchen Situationen habe ich mir dann vorgestellt, wie es wäre, ohne meinen Glauben zu leben und gemerkt, dass ich es nicht könnte. An der Kirche zweifle ich auch manchmal. Andere Kirchen, Freikirchen zum Beispiel, gestalten ihre Gottesdienste lebendiger als die katholischen Kirche. Sie spielen Popsongs mit christlichen Inhalten und beziehen die Gemeinde in die Gestaltung des Gottesdienstes mit ein.

Aber trotz meiner Kritik fühle ich mich sehr wohl in meiner Kirche. Auch wenn Frauen von bestimmten Ämtern der Kirche ausgeschlossen sind, fühle ich mich nicht ausgeschlossen. Was viele als ungerecht sehen, nehme ich nicht als ungerecht wahr. Denn ich fühle mich nicht in meinem Glauben eingeschränkt, nur weil ich keine Priesterin werden kann. Es geht darum, zu Gott zu finden und andere Menschen zu Gott hinzuführen. Welche Position ich dabei innehabe, ist zweitrangig. Außerdem gibt es biblische Grundlagen dafür, warum Männer Priester und Bischöfe werden können und Frauen nicht. Aber trotzdem habe ich die Frage, ob Frauen Priesterinnen werden sollten, für mich noch nicht abschließend beantwortet. Das ist ein Prozess, ein Dialog. Wenn aber ab morgen Frauen Priesterinnen werden dürften, dann würde mir es erstmal schwer fallen, dass zu akzeptieren. Ich müsste zu Gott beten und herausfinden, ob ich das annehmen kann.“

„Für mich ist Politik ein Teil vom Glauben“

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Foto: Privat

Daniela Ordowski, 27 Jahre, studiert Politikwissenschaften im Bachelor und ist Bundesvorsitzende der katholischen Landjugend

„Ich bin Feministin. Viele fragen mich, wie ich Feministin und Katholikin gleichzeitig sein kann. Das ist auch nicht immer einfach. Ich bin oft wütend und fassungslos. Aber ich glaube fest daran, dass mein Glaube sich mit Feminismus und Gleichberechtigung zusammendenken lässt. Denn, wenn man seinen Glauben wirklich lebt, dann bedeutet das für mich, dass man Ungerechtigkeiten nicht einfach so stehen lassen kann und dass man politisch aktiv werden muss. Deshalb setze ich mich für die Rechte von Frauen in der katholischen Kirche ein. 

Für mich ist Politik ein Teil vom Glauben. In unseren Jugendverbänden leben wir das auch. Natürlich beten wir auch manchmal zusammen, aber in unserem Glauben geht es vor allem ums Handeln. Wir setzen uns für die Rechte von Kindern und Jugendlichen ein, machen uns für den Klimaschutz stark und ermutigen junge Menschen ihre Umwelt aktiv mitzugestalten. Lebensnahe Themen sind mir sehr wichtig, auch im Gottesdienst. Wenn ich das Gefühl habe, dass nicht mein Leben angesprochen wird, dann bringt mir das nichts.

Doch leider sehen die Mächtigen in der katholischen Kirche das anders. Sie halten an uralten Strukturen fest und lassen zu, dass die Kirche ausschließt und diskriminiert. Es gibt so viele Ungerechtigkeiten in der Kirche. Deshalb zweifle ich sehr oft an meiner Kirche, ständig eigentlich. Kritik ist wichtig und sollte als Möglichkeit des Wachstums und als Zeichen der Liebe gesehen werden. Stattdessen sagen mir Menschen ganz oft, dass ich mit meinen Ansichten gar nicht katholisch sein kann. Doch diese Macht hat niemand, niemand kann mir meinen Glauben absprechen. Deshalb würde ich sagen, dass ich zwar gläubig bin, aber nicht sehr religiös. Ich glaube an Gott und mir ist mein Glaube sehr wichtig, aber in der Institution Kirche an sich habe ich unglaublich viel Kritik. Es gibt mittlerweile viele Jugendliche, die Glaube und Religion voneinander trennen. Mein Glaube wird immer bleiben, aber, ob ich der Kirche als Institution für immer treu bleibe, weiß ich nicht.

Momentan möchte ich aber in der Kirche bleiben und aktiv sein. Wenn alle Leute gehen, die Reformen voranbringen wollen, dann wäre es noch viel schlimmer. Die Leute in der Kirche, die Kritik üben, müssen bleiben und lauter werden. Traurigerweise gibt es sehr viele Menschen, die Veränderungen wollen, die aber von einer sehr lauten Minderheit übertönt werden. Doch Veränderung muss es jetzt geben und nicht erst in 50 Jahren.“

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