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Das Weihnachts-Sexperiment

Aufregender Sex auf Knopfdruck – kann das funktionieren? Unser Autor testet einen Sextoy-Kalender.
Foto: Adobe Stock; Bearbeitung: jetzt

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Auf eine Sache konnten sich meine Freundin und ich immer verlassen: Wir hatten Sex. Anna und ich sind seit mehr als drei Jahren zusammen und Sex war die Konstante in unserer Beziehung. Auch wenn es zwischen uns mal kriselte – im Bett verstanden wir uns immer gut. So gut, dass ich manchmal den verwegenen Gedanken hatte, dass das für immer so bleiben würde. Einmal die Woche Sex? Pah! Das war was für Langzeitpaare, die vor dem Einschlafen höchstens noch eine Serie gucken und sich zu Weihnachten Baumwollsocken schenken. 

Doch dann zogen wir nach dem Studium zusammen, fingen an zu arbeiten und das Unausweichliche geschah: Unsere Leidenschaft kühlte ab. Nach der Arbeit hatten wir die Wahl: Endlich mal chillen und eine Serie gucken oder pflichtschuldig unsere Körperteile aneinander reiben? Wir entschieden uns immer öfter fürs Chillen. Ohne es zu merken, wurden wir selbst zum bequemen Langzeitpaar. Einmal die Woche Sex? Viel zu anstrengend! 

Das Sexperiment

Dann stand auf einmal Weihnachten vor der Tür, das Fest der Liebe. Und meine Freundin beschloss, im Internet ein Produkt zu kaufen, das unsere Liebe wieder körperlicher machen sollte. Am 30. November liegt auf unserem Bett also ein riesiger Weihnachtskalender. Hinter den Türchen verbergen sich 24 Sexspielzeuge. So zumindest das Versprechen. 

Als ich den Kalender sehe, denke ich: Sind wir wirklich schon an dem Punkt in unserer Beziehung angekommen? Er strahlt für mich in etwa so viel Erotik aus wie der Musikantenstadl. Gemeinsam Sextoys auspacken, das ist doch was für Paare, die seit 30 Jahren verheiratet sind und in getrennten Betten schlafen. Für Spießer, die heimlich auf Swinger-Partys gehen. Der Kalender verspricht Sex auf Knopfdruck. Und ist damit maximal unsexy. 

Dann denke ich: Was wohl hinter dem ersten Türchen ist? 

Erste Woche: Vibrations! 

Es ist ein pinker Vibrator. Zum Auftakt also was für meine Freundin. Denke ich. Pflichtbewusst gehen wir ins Schlafzimmer und ziehen uns aus. Eine halbe Stunde später habe ich gelernt, dass ein Vibrator nicht nur die Klitoris massieren kann, sondern auch den Penisschaft. Das Vibrieren am Penis fühlt sich etwas ungewohnt an – seltsam maschinell – aber irgendwie auch aufregend. Nach dem ersten Sex seit Wochen liege ich erschöpft und zufrieden im Bett. In den nächsten Tagen sind wir wie verwandelt: Wir haben wie früher jeden Tag Sex, nur dass wir jetzt ganz andere Sachen ausprobieren. Dank des Heftchens, das Challenges auflistet, die wir im Bett meistern müssen. Zum Beispiel eine Beckenbodenmassage. Am vierten Tag machen wir eine Verschnaufpause – und packen ein neues Spielzeug aus: einen Penisring. 

Zweite Woche: Das tut weh!

Ein paar Tage später ziehe ich den Ring über den Penis – und gleich wieder ab. Zu schmerzhaft, zu eng. Penisring, das wird leider nichts zwischen uns! In den nächsten Tagen verfällt unser Liebesleben wieder in alte Muster. Ich muss viel arbeiten und es bleibt nur wenig Zeit für Sex. Am 9. Dezember öffnen wir zwei Türen auf einmal: Dahinter sind das zweite Gleitgel und ein Reinigungsset für Toys. Es scheint, als wäre nicht nur uns die Fantasie ausgegangen. Am Ende der Woche haben wir doch noch guten Sex. Spontan nach dem Kino, ganz ohne Penisring, Vibrator oder Augenbinde. 

Dritte Woche: Getrennte Betten

Ich fahre für eine Woche zum Arbeiten nach München, meine Freundin bleibt in Berlin. Zwischen unseren Betten liegen jetzt 585 Kilometer. Die Türen im Kalender bleiben also erstmal zu. Als wir telefonieren, öffnet Anna gleich vier auf einmal – dahinter verstecken sich ein Masturbationsei (wie benutzt man das nochmal?), Intim-Wash-Lotion (warum genau ist das jetzt ein Sextoy?), ein Anal-Plug („Vergiss es!“)  – und noch ein Penisring. Ich schlage vor, dass wir es mit Online-Sex probieren sollten. Man könnte ja wieder den Vibrator vom 1. Dezember aus der Schublade holen … Andererseits, es ist auch schon spät. Vielleicht lieber morgen. Oder nächste Woche. 

Vierte Woche: Weihnachten steht vor der Tür

Vier Tage vor Weihnachten sehen wir uns wieder – und fallen gleich übereinander her. Zeit, um das Sexspielzeug aus der Schublade zu holen oder den Kalender zu öffnen, bleibt da nicht. Unser Sex ist trotzdem (oder gerade deswegen?) intensiv und liebevoll. In den nächsten Tagen kuscheln wir lieber statt miteinander zu schlafen. Am 23. Dezember sitzen wir zusammen vor dem Kalender – und öffnen das 24. Türchen. Denn in einer Stunde muss ich den Zug zu meinen Eltern nehmen. 

Es ist ein Vibrationsei, zusammen mit einer Fernbedienung. Die muss aber erstmal geladen werden, und dafür haben wir jetzt leider keine Zeit mehr. Also stellen wir uns schnell noch ein paar Fragen aus dem „Wahrheit-oder-Pflicht“-Kartenset vom 23. Dezember. Die erste Frage, die ich meiner Freundin stelle: „Was törnt dich einfach immer an?“ Ihre Antwort: „Immer törnt mich gerade gar nichts an.“ Frühlingsgefühle hat der Weihnachtskalender also bei uns nicht geweckt. Es hat sich trotzdem gelohnt, ihn zu kaufen. Denn ein paar Mal hatten wir richtig guten Sex, wenn auch meist ohne Sexspielzeug. Aber vielleicht reicht ja schon das Wissen, dass man auf eine Augenbinde oder einen Vibrator zurückgreifen könnte, um in Stimmung zu kommen. 

Der Autor würde gerne anonym bleiben, ist der Redaktion aber bekannt.  

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