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„Die Leute sollen sich nicht schuldig fühlen, wenn sie masturbieren“

Michael und Thomas mit der Ussy. Das Sextoy soll Frauen nicht objektifizieren.
Foto: Anton Zirk

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Sie ist bunt, weich und schwerer, als man denkt: Michael (30) aus dem US-amerikanischen Atlanta und Thomas (34) aus Ulm haben die „Ussy“ entwickelt – wie sie sagen: „Der erste Masturbator mit Style!“ Der soll Sexspielzeug für Männer aus der Schmuddelecke holen, ohne Frauen zu Sex-Objekten zu degradieren. Wir haben mit den beiden über ihre Erfindung gesprochen. Und sie gefragt, was ihre Eltern dazu sagen.

jetzt: Heute schon masturbiert?

Michael: Ja. (Beide nicken.)

Mit der Ussy?

Michael: Ja, ich habe die da heute benutzt. (Zeigt auf die Ussy auf dem Tisch und lacht.) Aber keine Sorge, ich habe sie gut saubergemacht.

Thomas: Ich mach’s nur ab und zu mit Ussy. Wenn ich es mir selber mache, muss es meistens schnell gehen und sie braucht schon ein bisschen Vorbereitung: Du musst sie dir holen, brauchst ein bisschen Gleitcreme. Manchmal bin ich dafür zu faul.

Ist das Masturbieren mit Ussy immer besser?

Thomas: Das Kommen an sich auf jeden Fall. Es ist nicht wie eine Socke oder sich auf die Hand zu setzen, um das Gefühl einer fremden Hand zu haben. Es ist einfach was ganz anderes, ein drittes Ding.

Michael: Du kommst eben in etwas rein. Das ist ein schönes, warmes Gefühl.

Wie kommen zwei junge Männer dazu, zusammen ein Sextoy zu entwickeln?

Michael: Die Geschichte begann vor etwa vier Jahren. Meine damalige Freundin und ich hatten uns gerade getrennt und sie ist direkt mit meinem besten Kumpel zusammengekommen. Ich war total fertig, lebte in einer Bar und auch eine Weile bei Thomas. Eines Abends sagte ich zu ihm: „Ich brauche irgendeine Aufgabe, sonst drehe ich durch.“ Und dann sagte er: „Ich habe da seit einer Weile diese Idee.“ Noch in derselben Nacht habe ich zig verschiedene Designs gezeichnet.

Thomas: Als ich am nächsten Abend total nichtsahnend nach Hause kam, war der ganze Tisch voll mit Zeichnungen und Tonmodellen. Dann folgten ganz viele langweilige Abende, an denen wir nur am PC saßen und an den Feinheiten des Designs feilten. Das war eine Menge Arbeit. Wir wollten es sehr schlicht und abstrakt halten, aber gleichzeitig sollte es auch organisch aussehen.

Wie habt ihr die erste Ussy hergestellt?

Michael: Wir haben uns Silikon, eine Vakuumkammer mit Pumpe und drei große Spritzen besorgt, mit denen man eigentlich Öl umfüllt. Damit haben wir in meinem Wohnzimmer das Silikon in die Form gegossen.

Hat das sofort geklappt?

Michael: Nein, anfangs hatten wir immer wieder kleine Luftbläschen im Silikon. Die konnten wir natürlich nicht verkaufen. Das Silikon, das wir benutzt hatten, war außerdem noch zu hart. Thomas hat dann eine Firma in Süd-Berlin gefunden, die das für uns mit weicherem Silikon und ohne Bläschen gemacht hat.

„Das hört sich natürlich hervorragend an: Bio am Schwanz, super!“

Wann war das erste Mal, dass ihr gedacht habt: Geil, so kann das funktionieren?

Thomas: Gleich bei den ersten Prototypen! Die haben wir Freunden zum Testen gegeben und obwohl das Material da noch ein bisschen hart war, haben fünf von sechs gesagt: „Ja, das ist toll!“ Als wir dann die mit dem weicheren Silikon ausprobiert haben, war sofort klar, dass es super ist.

Warum eigentlich Silikon? Stichwort: Umweltfreundlichkeit.

Thomas: Viele Toys werben damit, dass sie Naturkautschuk mit drin haben. Das hört sich natürlich hervorragend an: Bio am Schwanz, super! Aber tatsächlich ist es so, dass Naturkautschuk unter dem Mikroskop an der Oberfläche porös ist, also kleine Löcher hat. Und wenn die nicht hundertprozentig trocken werden, dann fangen die schnell an zu schimmeln in diesem engen Kanal.

Die Ussy kann man dagegen ein Leben lang benutzen, versprecht ihr. Aber ehrlich: Will man das?

Michael: Klar, warum nicht? Du könntest sie deinen Kindern vererben. (Beide lachen.) Nein, im Ernst, es ist einfach sehr gutes Material und leicht zu reinigen mit Wasser und Seife. Theoretisch könnte man es sogar in den Geschirrspüler tun, nur die Chemikalien in den Tabs sind vielleicht zu aggressiv.

Ihr sagt, euch war wichtig, dass die Ussy Frauen nicht zum Objekt macht.

Thomas: Deshalb haben wir sie auch so abstrakt gehalten. Es gibt viele Sextoys, die haben zum Beispiel Haare oder Hautfalten. Es gibt sogar Eins-zu-Eins-Abgüsse von bekannten Pornodarstellerinnen. Nach dem Motto: „Wenn du dieses Toy fickst, fickst du diese Frau.“ Genau das wollten wir vermeiden.

Aber die Ussy sieht schon sehr nach Vagina aus, findet ihr nicht?

Thomas: Klar, ein Masturbator ist natürlich immer irgendwie ein Kanal für den Penis. Aber wir haben versucht, mit dem Design möglichst weit von der Vagina wegzukommen. Bei Dildos löst man das ja sehr elegant, denen kannst du jede Form geben. Wir wollten es aber auch nicht zu spielzeugmäßig machen, mit Ohren oder so. Es sollte auch nicht aussehen, als würdest du einen Delfin penetrieren.

„Wir haben Angst, dass sie aus Versehen in die Schmuddelecke abrutscht“

Der Name ist auch sehr nah dran an „Pussy”.

Michael: Aber er ist eine künstlerische Abwandlung von „Pussy“, er dekonstruiert diesen oft negativ verstandenen Begriff und verwandelt ihn in etwas ganz Neues. Das war unsere Idee. Aber da ist jetzt auch unsere Awareness größer. Das nächste Toy bekommt vielleicht einen anderen Namen.

Welches Feedback habt ihr von Frauen bekommen?

Thomas: Viele Frauen lieben es. Eine hat mir geschrieben: „Ich wünschte, ich hätte einen Penis, um es auszuprobieren.“

Michael: Was die Form betrifft, gab es wirklich überhaupt keine negativen Kommentare von Frauen. Wir haben im Prozess auch immer mit Frauen gesprochen, meine Freundin zum Beispiel hatte großen Einfluss darauf, wie wir die Ussy bewerben und promoten.

Ihr werbt mit dem Slogan „The first Masturbator with style“. Hat die Männerwelt ein Sextoy-Problem?

Michael: Viele Männertoys sind hässlich oder sehen aus, als wären sie für Perverse. Wir wollten etwas, das gut aussieht. Die Leute sollen sich nicht schuldig fühlen, wenn sie masturbieren. Ich glaube, die meisten Männer haben Angst, dass sich Leute lustig machen oder es so wirkt, als würden sie niemanden abbekommen. Dabei masturbieren viele jeden Tag, vom Teenager bis zum Rentner.

Bisher gibt es die Ussy nur in ein paar Shops und im Internet. Warum?

Thomas: Das sind hauptsächlich kleinere Shops, die sexpositiv sind und zum Beispiel auch Workshops anbieten. Wir versuchen, die Ussy von Läden fernzuhalten, in die du deine Mutter nicht mitnehmen würdest. Wir haben Angst, dass sie aus Versehen in die Schmuddelecke abrutscht. 

Michael: Wir hatten auch schon Angebote von großen Sextoy-Firmen, aber denen geht es nur ums Geld. Es heißt immer: „Können wir das für das 2.5-fache verkaufen?“ Nein? Danke, kein Interesse.

„Wenn die Nachbarn fragen, was ich mache, sagen sie einfach: Michael ist Künstler“

Trotzdem habt ihr schon den Sextoy-Ritterschlag bekommen: Die Ussy wird bald im „Museum of Sex“ in New York zu sehen sein, dem vielleicht renommiertesten Sex-Museum der Welt. Wie habt ihr das hinbekommen?

Michael: Im Herbst war ich in New York, um Freunde zu besuchen. Ich dachte: „Wie geil wäre es, wenn die Ussy im Museum of Sex stünde?“ Also bin ich mit der Ussy da reinmarschiert und habe nach dem Manager gefragt. Der hatte wirklich kurz Zeit und fand sie toll. Er sagte: Schick mir doch mal ein paar. Jetzt wird sie ab Mai dort im Shop ausgestellt und verkauft.

Was sagen eigentlich Mama und Papa dazu, dass ihr einen Masturbator entwickelt?

Thomas: Meine Eltern finden es gut, dass ihr Sohn was Selbstständiges macht. Was ich mache, ist nicht so wichtig, solange es mir Spaß macht.

Michael: Meine Eltern waren erst mal so „Michael, what are you doing!?“ Die Menschen in den Vororten von Atlanta sind noch nicht so aufgeschlossen wie in Berlin. Aber als ich ihnen den Ansatz erklärt habe und dass es nicht sexistisch ist, dass wir was Positives machen, war es okay. Wenn die Nachbarn fragen, was ich mache, sagen sie einfach: Michael ist Künstler.

Habt ihr die Ussy euren Eltern mal gezeigt?

Thomas: Ja, die Reaktionen waren eher verhalten: „Passt. Gut. Danke.“ Wie wenn du einen richtig beschissenen Kaffee machst. So „Danke, aber … nein danke.“

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