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„Ich habe sechs Jahre gewartet und empfinde das als Privileg“

Sophie (links oben) wartet seit fünf Jahren auf einen Studienplatz, Elisa und Dominik haben ähnlich lange Wartezeiten bereits hinter sich und studieren nun Medizin.
Fotos: privat

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Medizinstudenten

Sophie (links oben) wartet seit mehr als fünf Jahren auf einen Studienplatz, Elisa und Dominik haben ähnlich lange Wartezeiten bereits hinter sich.

Fotos: privat

Wer nicht gerade eine 1,0 im Abi hat, hat kaum eine Chance, direkt nach der Schule Medizin zu studieren. Aber zumindest hat er oder sie bisher die Möglichkeit, auf einen Studienplatz zu warten. Momentan bedeutet das noch: Bis zu siebeneinhalb Jahre Wartezeit anhäufen und dann endlich garantiert studieren dürfen. Viele nehmen das für ihren Traum vom Medizinstudium in Kauf, 20 Prozent der Medizinstudenten werden bisher über Wartesemester angenommen.

Nun soll der Zugang zum Medizinstudium in Deutschland aber reformiert und die Wartesemesterquote abgeschafft werden. Stattdessen soll die Abiturbestenquote genau wie Tests noch wichtiger werden, zudem wird voraussichtlich eine zusätzliche Eignungsquote eingeführt.

Doch was bedeutet das für die Menschen, die seit Jahren auf ein Medizinstudium warten? Und was halten solche davon, die gerade nur deshalb Medizin studieren können, weil sie sich so lange geduldet haben? Wir haben mit drei von ihnen über die Änderungen gesprochen. 

„Es ist utopisch, ein absolut faires Auswahlverfahren zu generieren“

Dominik, 31, aus Freiburg ist bald Arzt und hat dafür genau so lange gewartet wie studiert.

dominik

Dominik wünscht anderen die gleiche Chance, die er auch bekommen hat.

Foto: privat

„Ich habe sechs Jahre auf meinen Studienplatz gewartet und empfinde das als Privileg: Ich konnte während des Wartens sicher sein, dass ich trotz meines 2,2-Abiturs früher oder später Medizin studieren darf. In anderen Ländern ist das nicht möglich. Es hat mir schließlich auch nicht geschadet in der Zwischenzeit zu reisen, eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu machen und dann damit Geld zu verdienen. Inzwischen stehe ich kurz vor dem zweiten Examen, wenn alles nach Plan läuft, bin ich spätestens 2020 Arzt.

Natürlich fragt man sich trotzdem manchmal, ob sich das Warten lohnt oder gelohnt hat. Zum einen natürlich während des Wartens, zum anderen, wenn es im Studium hart zugeht und man an sich und seinem Erfolg zweifelt. Am Ende ist mir aber immer klar: Es gibt nichts Passenderes für mich. Auch für andere sollte das Privileg „Wartesemester“ weiterhin erhalten bleiben.

Ich verstehe allerdings auch, dass es schwierig ist, ein gutes Auswahlverfahren zu erdenken. Es ist sogar utopisch, ein absolut faires Auswahlverfahren zu generieren. Da muss man sich nämlich erstmal fragen: Was ist eigentlich ein guter Arzt? Und bei der Antwort kommt es sehr auf die Perspektive an.

Patienten halten vermutlich andere Dinge für wichtig als die Kollegen oder die Leute aus dem Labor. Es sind ja unfassbar viele verschiedene Qualitäten von Nöten, um ein guter Arzt zu sein. Und die abzudecken, ist schwer – für einen Abiturienten mit 1,0 ebenso wie für jemanden, der schon lange aus der Schule raus, dafür aber reifer ist. Es ist also verdammt kompliziert, abzuschätzen, wer in der Zukunft zu welchen Leistungen imstande ist.

Ich glaube, dass die Eignungstests, die jetzt etwas schwerer gewichtet werden sollen, schon aussagekräftig sein können, weil sie einigermaßen objektiv sind. Aber andere Qualitäten wie soziale Fähigkeiten können nicht ausreichend erfasst werden – obwohl man die natürlich ebenso braucht. Generell glaube ich, dass solange man von der inneren Einstellung her nicht am Studium verzweifelt, es jedem absolut möglich ist, sich da durchzukämpfen. Der Weg darf meiner Meinung nach also niemandem grundsätzlich verbaut werden.“

„Ich habe Angst, dass ich kurz vor dem Ziel aus dem System aussortiert werde“

Die Krankenschwester Sophie, 23, wartet seit mehr als fünf Jahren auf einen Studienplatz.

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Mit 23 arbeitet Sophie schon seit fünf Jahren in der Klinik. Studieren will sie trotzdem noch – auch wenn sie sich dafür erstmal finanziell wieder einschränken muss.

Foto: privat

„Ich habe im Abi 2013 eine 2,4 geschrieben – wollte und will aber trotzdem Medizin studieren. Deshalb muss ich insgesamt vierzehn Semester auf einen Studienplatz warten, elf davon habe ich schon hinter mir. Ich habe die Zeit genutzt, um eine Krankenpflegeausbildung zu machen, seit zwei Jahren arbeite ich im Uni-Klinikum. Und jetzt soll es also diese Änderung geben, die sich auf meinen Fall entweder gut oder schlecht auswirken könnte.

Ich habe einerseits Angst, dass ich jetzt, so kurz vor dem Ziel, aus dem System aussortiert werde. Dass ich egal, wie lange ich schon warte, einfach nicht mehr anfangen darf. Das wäre für mich ein übler Schlag. Denn seit ich 2004 die Nachrichten über den Tsunami in Südostasien im Fernsehen gesehen habe, gibt es für mich keine andere Option, als Ärztin zu werden und so Leuten zu helfen. Ich warte also fast schon mein ganzes Leben darauf.

Andererseits finde ich grundsätzlich gut, dass das Auswahlsystem geändert wird. Es wäre schließlich wichtig, die beruflichen Qualifikationen mehr mit einzurechnen. Im Moment bekommt man mit der Krankenpflegeausbildung nur 0,1 vom Abi-Schnitt abgezogen. Auch die zwei Jahre Berufserfahrung, in denen ich viel über den Umgang mit den Patienten und Medizin gelernt habe, haben mir nicht geholfen, die Wartezeit zu verkürzen. Das funktioniert dann ja vielleicht besser über die zusätzliche Eignungsquote, die jetzt wichtig werden soll.

Wenn die tatsächlich viel ausmacht, könnte mir die Änderung sogar nutzen. Ich hoffe also, dass ich durch die Änderung vielleicht schon dieses Jahr im Wintersemester reinkomme. Dass mir die lange Wartezeit also doch noch anerkannt wird und gleichzeitig meine Berufserfahrung hilft.

Sollte ich jetzt wegen der Neuerung tatsächlich keinen Platz bekommen, würde ich wahrscheinlich weiterhin Krankenschwester bleiben. Ich liebe es ja, im Krankenhaus zu arbeiten und habe mir auch nie Gedanken gemacht, ob es da noch was außerhalb der Medizin geben könnte, das gut zu mir passt.

Ich ärgere mich deshalb auch immer wieder, dass die Abi-Note fürs Medizinstudium so wichtig ist. Auch weil ich von Ärzten immer wieder höre, wie schwachsinnig das System ist, dass sie selbst ja damals auch kein so gutes Abi hatten. Ich glaube zwar schon, dass sich viele mit 1,0 leichter tun mit dem Umfang eines Medizinstudiums. Aber das Ganze ist ja auch eine Frage der Motivation. Und die habe ich auf jeden Fall.“

„Durch Fleiß und Motivation kann man es schaffen“

Elisa ist 27 und in Halle aufgewachsen. Dort studiert sie nun im fünften Semester Medizin, vierzehn hat sie darauf warten müssen.

elisa

Elisa fühlt jetzt mit denen, deren Wartezeit eventuell aberkannt wird.

Foto: privat

„Ich wusste schon immer, dass ich Medizin studieren will. Aber mir war in der Schule noch nicht so ganz bewusst, dass man dafür überall Einsen braucht und wie lange man warten muss, wenn man die nicht hat. Als ich in die Oberstufe kam, war es auch noch nicht so dramatisch: Ich rechnete mit drei bis vier Jahren. Dann wurde die Wartezeit aber immer länger, lief mir quasi vorne weg. Am Ende habe ich nach meinem Abi sieben Jahre als Rettungsassistentin überbrücken müssen. Das hat zwar Spaß gemacht, aber ich fühlte mich manchmal unterfordert.

Jetzt bin ich im fünften Semester Medizin und kann sagen: Das Warten hat sich gelohnt. Denn ich weiß, wo ich hinarbeite. Zwar ist gerade noch alles sehr naturwissenschaftlich und stressig, aber durch Fleiß und Motivation kann man es schaffen. Später wird es dann endlich praktischer.

Ich befürchte trotzdem, dass die Abiturnoten durch die Änderung mindestens gleich wichtig bei der Auswahl bleiben, vermutlich aber noch wichtiger werden. Und das ist schade, denn man findet ja nicht alleine über die Abiturnote heraus, wer geeignet ist. Noten und dass man direkt aus der Schule kommt, helfen vielleicht in der Vorklinik, in der Schulfächer wie Physik oder Biologie wichtig sind. Die einen kommen halt direkt vom Schreibtisch, andere hatten sieben Jahre Lernpause – das darf man nicht vergessen.

Aber da kann man mit Motivation durchkommen – und nach den ersten zwei Jahren kommt es auch auf ganz andere Dinge an, da hat die Abinote kaum mehr Aussagekraft. Denn in der Klinik wird mir vermutlich auch die Berufserfahrung helfen, allein schon im Patientenkontakt. Nur weil man ein guter Naturwissenschaftler ist, ist man also nicht automatisch auch guter Arzt.“

Und wie viel verdient man so in der Medizin?

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