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Nicht jede Frau denkt und handelt feministisch

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke; Foto: AP, Reuters

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Jede*r kennt sie, die #FreeMelania-Memes. Oder auch die #SaveMelania-Memes. Sie basieren auf Melania Trumps distanzierter Körpersprache gegenüber ihrem Mann und implizieren, wenn auch oft ironisch gemeint, dass sie von ihrem Mann und aus dem Weißen Haus befreit werden müsse. Melania Trump war schon immer Projektionsfläche. Vielleicht neigten auch gerade deshalb die Leute dazu, in ihr etwas Gutes sehen zu wollen. Melania, die wenig von ihrem Mann und noch weniger von seinen Positionen hält. 

In dieser Hoffnung steckt einerseits irgendwie Sexismus, da Melania Trump ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit abgesprochen wird. Andererseits ist da auch eine gehörige Portion Naivität. Die Unvorstellbarkeit, dass eine Frau freiwillig mit einem Sexisten wie Donald Trump zusammen sein mag. Donald Trump, dessen Wahlkampf 2016 daraus bestand, seine Gegnerin Hillary Clinton als „nasty woman“ zu diffamieren, der damit prahlte, Frauen an die Genitalien fassen zu können und dem mehr als 25 Frauen sexuellen Missbrauch vorwerfen.

Wer meint, dass es deshalb ein Paradox ist, wenn Frauen ihn unterstützen, denkt zu kurz.

Trumps Inszenierung als Beschützer vor vermeintlichen mexikanischen Vergewaltigern hat einen Nerv getroffen

Bei der Präsidentschaftswahl 2016 stimmten 41 Prozent der weiblichen Wählerinnen für Donald Trump, wobei Trump bei einer weiblichen Wähler*innenschaft besonders vorne lag: weiße Frauen. Die wählten ihn mit einer Mehrheit von 52 Prozent. Unter Latina-Frauen kam er auf 25 Prozent, bei Schwarzen Frauen gerade mal auf vier Prozent. Das ergaben Exit Polls, also Nachwahlbefragungen des Edison Research for the National Election Pools, welche von den großen Nachrichtensendern- und agenturen beauftragt wurde. 25 000 Menschen im ganzen Land befragte man dazu.

Für die 2020-Wahl ist es noch zu früh, um auf endgültige Daten über die Wähler*innen-Demografie zuzugreifen. Im Vorfeld der Wahl wurde eine Veränderung zu den 2016er-Zahlen prognostiziert, es erschien eine Vielzahl an Artikeln über weiße Frauen, die ihre Stimme für Trump bereuten. Die diesjährigen Exit Polls dürften durch die Pandemie und erhöhte Briefwahlen etwas verzerrt sein, geben aber dennoch Aufschluss über die verschiedenen Wähler*innengruppen. In den vorläufigen Daten wird wieder deutlich, dass mit 55 Prozent wieder mehr als die Hälfte der weißen Frauen für Trump gestimmt haben. Der bisherige Wert bedeutet sogar einen Anstieg im Vergleich zur vorigen Wahl. Auch bei Latinas und Schwarzen Frauen scheint Trump einige Prozentpunkte dazugewonnen zu haben, wobei Biden ähnlich wie Clinton 2016 beide Gruppen mit deutlichem Vorsprung gewonnen hat. Trump-Unterstützerinnen als Paradoxon? Fehlanzeige! 

Vielleicht fragen sich jetzt einige, warum ich immer wieder das Weißsein der Wählerinnen betone. Der Grund liegt nicht darin, weil ich Lust habe, dass mir „umgekehrter Rassismus“ oder Hass auf weiße US-Amerikanerinnen vorgeworfen wird, sondern weil es wiederholt weiße Frauen waren, die mit einer Mehrheit Trump unterstützen. Es ist ein Irrglaube, dass Identität gleiche Ideen und Ansichten formt, also dass Frauen automatisch gleich anti-sexistisch sind. Statt bei den weißen Wählerinnen zuerst an das Geschlecht zu denken, macht es auch durchaus Sinn, den Fokus auf die Ethnizität zu legen.

Politikwissenschaftlerin Jane Junn argumentierte in einem Paper von 2017, dass weiße Frauen in Sachen Geschlecht dem Mann benachteiligt sind, sie aber bezüglich „race“ Vorteile gegenüber Minderheiten genießen. Zwar sind sie als Frauen Sexismus ausgesetzt, erfahren aber als weiße Frauen weder institutionellen noch alltäglichen Rassismus. Junn meint, dass viele weiße Trump-Wählerinnen nicht an Gendergerechtigkeit, sondern stattdessen  an „ihrem Schutz“ und Unversehrtheit vor nicht-weißen Minderheiten interessiert seien. Trumps konstante Hetze gegen mexikanische Einwander, aber auch die Darstellung von Chinesen und Japanern als (wirtschaftliche) Gefahr, hätte dazu geführt, dass sich seine weißen Wählerinnen durch nicht-weiße Gruppen bedroht fühlten. Das bedeutet nicht, dass alle Trump-Wählerinnen eklatante Rassistinnen sind. Die Politikwissenschaftlerin schreibt allerdings, dass Trumps rassistische Rhetorik und unter anderem seine Inszenierung als Beschützer vor vermeintlichen mexikanischen Vergewaltigern einen Nerv bei Wählerinnen mit Ressentiments getroffen hat.

Das Patriarchiat wird ebenso von Frauen aufrechterhalten

Dieses Argument lässt sich auch mit einem Blick auf die Website der „Women For Trump!“ belegen. Dort heißt es, dass Donald Trump Frauen im ganzen Land eine sichere und empowerte Zukunft versprochen habe und dies einhielt. In einer Liste von Trumps Grundsätzen und Errungenschaften tauchen die Worte Sicherheit und Schutz gleich mehrmals auf. Die Frauen loben unter dem Punkt „Einwanderung“ die Grenzmauer, die Amerikaner*innen beschützen würde und bemerken, dass Trump sich für die Sicherheit ihrer Gemeinden einsetzen würde. 

In einer Studie von 2018 analysierten die Politikwissenschaftler*innen Mark Setzler und Alixandra Yanus die Zusammenhänge zwischen Trump-Wähler*innen und der Befürwortung rassistischer und sexistischer Ressentiments. Sie schreiben, dass es ein Fehler sei, Frauen als „monolithische liberale Wählergruppe“ sehen zu wollen, da Trump-Supporter*innen unabhängig des Geschlechts ähnlich starke rassistische und sexistische Einstellungen haben. Dies ergab sich aus Befragungen von 1062 Trump-Wähler*innen (516 Frauen, 546 Männer) und 1346 Personen (761 Frauen, 588 Männer), die sich für andere Kandidat*innen entschieden.

Eigentlich sollte dies keine Überraschung sein, denn das Patriarchat wird ja auch nicht ausschließlich von Männern, sondern ebenso von Frauen aufrechterhalten. Wir müssen einsehen, dass eben nicht jede Frau gleich feministisch denkt und handelt. Es gibt konservative Frauen, rechtspopulistische Frauen, rechtsextreme Frauen und das alles ist kein Widerspruch. 

Wenn es um Gleichberechtigung geht, gibt es noch so viel zu tun. Es sollte aber klar sein, dass nicht alle Frauen gleich Mitstreiterinnen sind und eine*n bei diesen Bestrebungen begleiten werden. Im Falle der Trump-Wählerinnen legen sie sogar eher Steine in den Weg.

Das ist vielleicht eine schmerzhafte Erkenntnis, aber wenn man das erstmal realisiert hat, lässt es sich differenzierter analysieren und es wird leichter, die verschiedenen Wähler*innengruppen und vor allem diese Wahlergebnisse besser zu verstehen.

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