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„Durch den Rauch konnte ich nicht richtig atmen“

Als Karina aus ihrem Masterstudium in Deutschland wieder zurück in die USA kam, merkte sie, wie sehr ihr die Hitze mittlerweile zusetzt.
Foto: Karina Alvarez

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der elften Folge berichtet Karina Alvarez, 28, aus Kalifornien, wie die Klimakrise in ihrer Heimat Ungleichheiten verstärkt – aber auch, wie Klimagerechtigkeit aussehen kann, wenn sie von der Gemeinschaft gelebt wird.  

„Viele der Umweltprobleme hier in LA wären auch ohne die Klimakrise vorhanden – aber sie sind dadurch viel extremer geworden. Vor zwei Jahren hatten wir hier sehr starke Waldbrände. In der Zeit konnten wir nicht raus, weder joggen noch spazieren gehen. Ich habe es trotzdem versucht, aber es ging einfach nicht: Ich konnte nicht atmen, meine Lungen taten richtig weh von dem Rauch in der Luft. Das habe ich so vorher noch nicht erlebt. Zwar gibt es Feuer und Waldbrände in Kalifornien schon sehr lange. Aber in den vergangenen Jahrzehnten wurden sie viel stärker

Auch die Hitze hat stark zugenommen. Aber erst seitdem ich aus meinem Masterstudium in Deutschland wieder zurück bin, merke ich, was die Hitze mit mir macht: Ich schlafe deutlich schlechter, seit es die vergangenen drei Jahre wärmer ist als früher – das hat auch Auswirkungen auf meine mentale Gesundheit, ich hadere viel mehr mit verschiedenen Problemen. 

Und während wir über Hitze sprechen, trage ich eine Jacke, weil es gerade so kühl ist – mitten im Juni! Das ist mir im Sommer noch nie passiert und geht nun schon ein paar Wochen so. Dieses Jahr ist ohnehin das verrückteste, das ich bisher in Sachen Klimakrise erlebt habe. Normalerweise sind die Sommer hier warm und die Winter auch mild. Aber dieses Jahr haben wir sowohl im Sommer als auch im Winter viele Stürme und unfassbar viel Regen erlebt, viel mehr als normalerweise. Die Stürme haben das Wasser am Strand hochgepeitscht und überall gab es Überflutungen, sogar in der Stadtmitte. Normalerweise nutze ich den ÖPNV, um zur Arbeit zu kommen, was in LA eher eine Ausnahme ist. Diesen Winter allerdings stand das Wasser im Hauptbahnhof an manchen Tagen bis zu 30 Zentimeter hoch. Wir wurden mit Golf-Carts gefahren, weil man nicht mehr durch das Wasser laufen konnte. Wir spüren, dass sich die Extremwetterereignisse häufen und stärker werden. 

Ich lebe mittlerweile in Pasadena, im Norden von LA, weil das in der Nähe meiner Arbeit liegt. Wir sind in der Nähe der Berge und man kann schwimmen gehen. Seitdem ich dort wohne, beschäftige ich mich viel mit dem Thema Klimagerechtigkeit: Hier gibt es viel mehr Hitzeschutz als bei meinen Eltern in Downey (im Süden von LA), wo viele Latinos leben. Es gibt dort weniger Bäume, viele Häuser haben keine Klimaanlage, die Menschen müssen den ÖPNV nutzen für den Arbeitsweg – auch bei 35 Grad müssen sie in der Hitze laufen und auf den Bus warten. Pasadena hingegen ist sehr weiß geprägt, hier sind die meisten krankenversichert, haben mehr Geld und können sich dementsprechend auch besser gegen Hitze schützen. Wie fast alles in den USA ist das ein Fall von red lining. Das bedeutet, manche Bezirke wurden und werden aufgrund von ethnischen Merkmalen abgegrenzt und diskriminiert. 

Es gibt aus LA aber auch ein Beispiel, das sehr anschaulich zeigt, wie man Fehler aus der Vergangenheit wieder gutmachen kann: Eine schwarze Familie hatte Anfang des 20. Jahrhunderts Bruce’s Beach gekauft, damit dort während der damals herrschenden „Rassentrennung“ auch Schwarze Familien ans Meer konnten, sozusagen ein Club für die Black Community. Die Stadt beschlagnahmte das Land, angeblich um dort einen Park für die öffentliche Nutzung zu errichten – der aber nie gebaut wurde. 2022 gab die Stadt den Strand wieder an die ursprüngliche Besitzerfamilie zurück. So kann die Familie den Reichtum des Landes dennoch nutzen, das ihre Vorfahren vor so vielen Jahren gekauft hatten. Ich fand das spektakulär, weil ich hier zum ersten Mal mitbekommen habe, wie Reparationen in einer solchen Form gezahlt wurden. Denn in LA waren viele Latinos und Schwarze noch nie am Strand – obwohl sie nur 30 Kilometer davon entfernt wohnen. Sie können sich aber die Bustickets einfach nicht leisten oder haben kein Auto, um ans Meer zu fahren. Umweltgerechtigkeit in Form von Zugang zur Natur ist hier ein großes Thema.  

Früher litt ich unter Klimaangst, besonders während meines Bachelors in Umweltwissenschaften fühlte ich mich oft ohnmächtig. So oft dachte ich: „Unsere Eltern sollten uns eigentlich schützen, denn sie haben diesen Mist gebaut!“ Oft fühlte ich mich natürlich auch selbst schuldig, weil ich zu viel Fleisch esse oder zu viel Auto fahre. Mittlerweile habe ich meinen inneren Frieden gefunden, weil ich weiß, ich gebe jeden Tag mein Bestes. Wenn ich daran denke, einmal Kinder zu bekommen, dann setzt mir der Gedanke an die Klimakatastrophe schon zu. Aber ich versuche mir zu sagen: Du musst die Klimakrise nicht allein bekämpfen. Mir hat es geholfen, mit meinen Freund:innen darüber zu sprechen, wir teilen unsere Sorgen über die Klimakrise miteinander. In meiner Arbeit an der University of Southern California beschäftige ich mich viel mit dem Küstenschutz vor Klima- und Umwelteinflüssen. Dort habe ich viele Kolleg:innen, die teils seit Jahrzehnten in der Umweltbranche tätig sind.  Auch sie essen mal Fleisch oder nehmen das Auto. Das hilft mir zu verstehen, dass niemand perfekt ist und es auch nicht sein kann. Während meines Masterstudiums in Deutschland habe ich viele spannende umweltbewusste Menschen kennengelernt, die tolle Ideen und für mich neue Meinungen hatten. Es gibt unzählige Möglichkeiten und Wege, sich gegen die Klimakrise einzusetzen. Das finde ich trotz der schrecklichen Lage inspirierend.“ 

Mehr Informationen über die Klimakrise in Kalifornien 

Im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien zeigt sich die Klimakrise in verschiedenen Extremen: Expert:innen gehen davon aus, dass Hitzewellen und trockene Sommer länger andauern werden. Das fördert die Bildung von Smog, der sich direkt auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. Zudem könnte der Meeresspiegel an der kalifornischen Küste bis Ende des Jahrhunderts um rund anderthalb Meter ansteigen – mit massiven Folgen für die dicht besiedelte Küstenregion und die dortige Wirtschaft. Schon heute sind durchschnittliche Sommertemperaturen in Kalifornien im Vergleich zu 1896 um 1,8° Celsius gestiegen. Die Waldbrände von 2021 in Kalifornien waren von historischem Ausmaß: Mehr als 10 500 Hektar verbrannten in jenem Jahr – das ist etwa so viel wie die Hälfte der Landesfläche Hessens. Besonders war auch, dass die Waldbrandsaison sich nicht wie normalerweise auf etwa vier Monate konzentrierte, sondern es das ganze Jahr immer wieder brannte.  

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