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„Sobald ich die Flammen sah, begann ich zu packen“

Foto: privat

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der 27. Folge berichtet Matt Breda wie schnell die Flammen sein Zuhause vernichteten, weshalb er besonders den Spirit seiner Nachbarschaft betrauert und warum er durch seine Outdoor-Hobbies relativ gut mit der Situation umgehen konnte.

„Der Strom ging in der Nacht zum 6. Januar aus. Ich wachte nachts auf, weil der Wind so laut war. Vor einem Jahr gab es ähnliche Stürme, aber dieses Mal war es anders. Das habe ich vor allem an meiner Hündin Freya gemerkt, sie war sehr unruhig und hat panisch geatmet, so habe ich sie noch nie gesehen. Sie ist normalerweise sehr ruhig und entspannt. Aber in dieser Nacht musste ich sie mit in mein Bett nehmen, um sie zu beruhigen. Morgens war der Garten vom Wind total zerstört. Tagsüber ging ich dann in die Kletterhalle, um dort das Internet zu nutzen und zu arbeiten, da wir zuhause aufgrund des Sturms keinen Strom mehr hatten.

Abends kochte ich mir etwas auf meinem Gaskocher, bevor es dunkel wurde. Als ich danach mit meiner Stirnlampe auf der Couch saß und las, schrieb mir mein Vermieter eine Nachricht, die Berge hinter dem Haus würden brennen. Er lebt nebenan. Ich blickte aus dem Fenster und konnte den orangenen Flammenschein sehen. Etwa zehn Kilometer hinter meinem Haus ist der Eaton Canyon, nach dem das Feuer auch benannt wurde: Eaton Fire.

Sobald ich die Flammen sah, begann ich zu packen, denn ich wusste, die Winde mit 150 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit würden die Flammen zu uns treiben. Innerhalb von 25 Minuten hatte ich all meine wichtigen Sachen in einen Sack gepackt: wichtige Dokumente, ein paar Klamotten und Hygieneartikel, Hundefutter und was ich an Essen im Kühlschrank hatte. Ich warf alles in meinen Truck, nahm Freya und wartete, bis ich sicher war, dass meine Vermieter, die ein wenig älter sind, auch sicher zu ihrem Auto gekommen waren. Ich habe noch einen Blick über die Schulter geworfen: Die Flammen waren da schon so nah, es war wie in dieser Fluchtszene vor dem Vulkanausbruch aus dem Film Dante’s Peak. Dann fuhr ich los.

Es war komplett surreal, überall sind Menschen in ihren Autos vor den Bränden geflohen, die ganze Zeit heulten Sirenen und Hubschrauber waren in der Luft. Ich fuhr zu Freund:innen ins Zentrum von LA, wo ich die Nacht im Gästezimmer verbringen konnte. Am nächsten Tag schrieb mein Vermieter mir, das Haus sei bis zum Grund abgebrannt. Da entschied ich, erst einmal zu meiner Mutter nach San Diego zu fahren. Hier bin ich seitdem. Mein Arbeitgeber schickte mir Ersatzequipment, damit ich von meiner Mutter aus arbeiten konnte. Ich habe mir direkt neue Kleidung gekauft und ein neues Surfbrett, weil das alte in meinem Haus war. Das klingt verrückt, hat mir in dem Moment aber Ruhe gegeben. Ich weiß auch, dass ich großes Glück hatte und sehr privilegiert bin – andere Menschen mit Familie oder in schwierigen finanziellen Verhältnissen haben es viel schlimmer. Ich wusste zu jedem Zeitpunkt, wohin ich gehen kann.

Normalerweise funktioniere ich auch unter Druck sehr gut. Ich klettere, surfe und verbringe insgesamt viel Zeit draußen in der freien Natur. Dank meiner Erfahrungen dort war ich die ganze Zeit über sicher, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Adrenalinkick fühlte sich also ein bisschen vertraut an. Aber es war schon eine sehr extreme Situation. Als ich von meinem Haus wegfuhr, hatte ich schon akzeptiert, dass ich wahrscheinlich nicht zurückkommen würde. Ich habe auf dem Papier nur materielle Verluste erlitten, aber mich schmerzt es sehr um diese Nachbarschaft. Wir waren eine wirklich enge Gemeinschaft, alle halfen sich gegenseitig, alle waren wertschätzend und unterstützend. So etwas wieder aufzubauen, ist sehr schwierig.

Häufig auftretende Umweltschäden werden zum Teil nicht mehr versichert

Aber es erfüllt mich gerade auch mit Hoffnung zu sehen, dass viele Menschen dort am Aufbau arbeiten und zusammenhelfen, diesen schönen Ort zurückzubringen. Ich suche gerade nach Möglichkeiten, wie ich am besten beim Wiederaufbau vor Ort mitmachen kann. Aber auch aus der Ferne kann man helfen, es gibt viele Organisationen, die zum Beispiel gezielt Spenden für Betroffene mit einem geringeren Einkommen sammeln.

Die Hauptursache für diese Brände, die Klimakrise, ist für mich seit Langem ein Thema und ich versuche, in meinem persönlichen Handeln so viel wie möglich zu tun. Also den Müll zu trennen, nichts Neues kaufen, zu kompostieren. Aber das hat kaum einen Effekt, wenn große Unternehmen weiterhin das Klima zerstören. Wir erleben die Folgen davon hier in der Region immer wieder. Als kurz vor den Bränden die Warnung kam, dass sehr starke Santa Ana Winde erwartet werden, war ich nicht überrascht. Denn diese Dinge passieren immer häufiger. Es ist beängstigend, so etwas zu erleben und wie das unser ganzes Leben beeinflussen wird. Versicherungen hören mittlerweile auf, Umweltschäden zu versichern, wenn sie in der jeweiligen Gegend zu oft vorkommen. Meine Sachen waren nicht versichert, aber ich habe schnell Katastrophenhilfe von der staatlichen Katastrophenbehörde erhalten. Vielen meiner Nachbar:innen gehörten ihre Häuser und die Versicherungen übernehmen zwar einen Teil der Schäden und des Wiederaufbaus, aber es wird nicht alles decken, was verloren ging.

In den ersten Tagen nach den Bränden war unsere lokale Kongressabgeordnete sehr proaktiv,  aber ich habe keinen direkten Support erhalten oder so. Sowohl die Trump-Regierung als auch der kalifornische Gouverneur haben das Desaster für ihre politischen Zwecke ausgeschlachtet, das war zu erwarten. Mit der politischen Lage in den USA wird kollektives, globales Handeln noch wichtiger werden. Ich glaube, niemand kann sich vorstellen, wie es sich anfühlt, bis man es erlebt. Darüber lesen oder hören oder die Bilder zu sehen ist nicht das Gleiche, wie es zu erleben. Globale Zusammenarbeit gegen die Klimakrise erfordert sehr viel Koordination. Wir alle teilen uns diese Erde, wir alle hängen in der Klimakrise mit drin, egal ob wir es merken oder nicht.“

Mehr Informationen über die Brände in Kalifornien

In der Metropolregion von Los Angeles an der Westküste der USA sind Anfang Januar 2025 die bisher verheerendsten Waldbrände in der Geschichte des Staates Kaliforniens ausgebrochen. Die größten Brandherde waren in den Stadtteilen Palisades, Eaton und Hurst. 180 000 Menschen waren zwischenzeitlich auf der Flucht. Mindestens 27 Menschen sind gestorben. Innerhalb weniger Tage waren 96 Quadratkilometer verbrannt, mindestens 15 900 Häuser wurden von den Flammen zerstört. Der Gesamtschaden wird auf bis zu 150 Milliarden Dollar geschätzt. Auslöser für die Waldbrände waren starke Santa-Ana-Winde, die für die Region typisch sind. Durch die Klimakrise werden Extremwetter wie Stürme allerdings häufiger und heftiger. Klimaforscher:innen sagen, das Ausmaß der  Brände in LA hängt damit zusammen.

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