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„Ich kann Korallen kein Pflaster aufkleben und alles ist gut“

Frida liebt es, zu tauchen. Doch die sterbenden Korallen brechen ihr Herz.
Foto: Yetlanezi Sanchez

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Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert.

In der sechzehnten Folge berichtet Frida Sanchez, 28, aus Mexiko. Sie erzählt, warum so viele Tiere, die sie vom Tauchen kennt, verschwinden, und warum sie Zusammenhalt für das wichtigste Mittel gegen die Klimakrise hält.

„Ich habe viel Zeit an Küsten und unter Wasser verbracht. Dort sieht man schon sehr viele Auswirkungen der Klimakrise. Tierarten wie Tigerhaie, die normalerweise zumindest zeitweise in tropischen Meeren leben, ziehen weiter nach Norden. Sie versuchen, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Für viele bedeutet das: Abwandern und bessere Orte zum Jagen und Aufziehen der Jungen zu suchen. Andere Tiere können nicht einfach weiterziehen, zum Beispiel Korallen. Immer mehr von ihnen bleichen durch die höheren Wassertemperaturen aus. Zum Teil können sich Korallen von der Bleiche erholen, aber das dauert lange. Wenn an einem Ort die Temperatur sehr stark zunimmt, werden die Algen, mit denen die Korallen eigentlich in einer Symbiose leben, zum Feind.

Normalerweise versorgen die Algen die Korallen mit Nährstoffen und geben ihnen ihre Farbe. Aber durch wärmere Wassertemperaturen produzieren sie statt Zucker und Sauerstoff schädliche Sauerstoffradikale. Die Korallen stoßen die Algen dann ab, um sich zu schützen, bleichen in der Folge aber aus. So verlieren die Korallen ihren wichtigsten Nahrungsgeber, sie werden wesentlich anfälliger für Krankheiten. Ein wenig wie bei uns Menschen: Wenn wir uns nicht gesund ernähren, werden wir krank und mit der Zeit kann es schlimmer werden, wenn wir keine ärztliche Hilfe bekommen.

Korallen sind wie ein Wald unter Wasser. Sie schaffen Lebensraum für fast ein Viertel aller Wasserlebewesen. Die tropischen Ozeane sind richtige Hotspots für Biodiversität, viele Tier- und Pflanzenarten gehen durch die Klimakrise verloren. Letztlich hat das auch schlimme Auswirkungen auf die Menschen, die an den Küsten wohnen. Viele von ihnen leben vom Fischfang. Wenn die Fische abwandern, verschwindet ihre Nahrungs- und auch ihre Lebensgrundlage. Das vergessen wir so oft: Am Ende trifft uns die Klimakrise genauso hart wie andere Tiere, denn wir sind Teil eines ganzen Systems. Wir Menschen brauchen Sauerstoff. Die Ozeane produzieren ihn. Die Natur – und ganz besonders die Ozeane – erfüllen fast alle unserer lebensnotwendigen Bedürfnisse. Wir brauchen die Natur und ganz besonders die Ozeane, nicht nur, um uns zu ernähren. Das Meer produziert einen großen Teil des Sauerstoffs, den wir atmen. 

Auch außerhalb des Meeres fallen mir Veränderungen auf. Meine Familie lebt in Mexiko City. In den vergangenen Jahren sind die Jahreszeiten durcheinandergeraten. Meine Oma spricht sehr viel über die Veränderungen. Sie baut seit Jahrzehnten Pflanzen in ihrem Garten an und merkt, wenn es zu trocken ist oder zu nass. Die Hitze ist intensiver als sonst, die Winter sind stärker geworden. In der Regenzeit fällt viel mehr Regen als normalerweise und führt zu starken Überschwemmungen. Sie treffen vor allem diejenigen, die in schlecht gebauten Häusern in den ärmeren Vierteln leben. Teils stand das Wasser so hoch auf den Straßen, dass wir weder in die Arbeit noch zur Schule gehen konnten. Viele Menschen hier beschäftigt auch der steigende Preis für Tortillas. Das mag wie ein kleines, lokales Problem wirken, aber es hängt mit der Klimakrise zusammen. Weil die klimatischen Bedingungen sich ändern, ist es schwieriger für die Landwirt:innen, Mais anzubauen. Diese größeren Zusammenhänge sind vielen hier nicht klar. In großen Städten wie Mexiko City hat man kaum direkten Zugang zur Natur und spürt die Klimakrise dann eher an solchen Begleiterscheinungen.

Klimaerwärmungen gab es schon viele in der Erdgeschichte – aber die Menschen verschnellern die derzeitige Erwärmung sehr. Die heutige Klimaerwärmung geht auf den Menschen zurück. Für mich bedeutet das, wir können genauso drastische Veränderungen bewirken, die nicht nur unser Überleben, sondern auch das von vielen anderen Lebewesen sichern. Um zu verstehen, was auf dem Planeten passiert, müssen wir andere Perspektiven einschließen – etwa indigene Sichtweisen und die von betroffenen Communities, besonders aus dem globalen Süden. Sie leben seit Jahrtausenden im Einklang mit der Natur, die Welt kann davon viel lernen.

Als ich mit dem Tauchen anfing, hat mich das für immer verändert. Unter Wasser fühle ich mich wie auf einem anderen Planeten. Die Wesen dort sind so beeindruckend! Ich fühle mich machtlos, wenn ich sehe, wie die Klimakrise die Korallen zerstört, ihren Lebensraum. Der Verlust dieser Habitate bedeutet, dass noch mehr Arten verloren gehen, die Ozeane sich noch mehr verändern können. Ich frage mich, ob die Korallen in der Lage sein werden, diese Klimakatastrophe zu überleben.  Ich kann ihnen nicht einfach ein Pflaster aufkleben und alles ist wieder gut. Oft frage ich mich, wie wir uns fühlen würden, wenn jemand unser Haus einfach zerstören würde und wir obdachlos dastünden. Dieser Vergleich hilft mir, das Problem besser zu verstehen.

Die Hoffnung zu verlieren, kann auch nicht die Lösung sein. Ich will die Erde und all ihre Lebewesen besser verstehen lernen. Man sollte immer neugierig bleiben. Und wir brauchen viel mehr Kollektivismus. Wir alle sind Teil dieser existenziellen Krise und nur gemeinsam können wir etwas daran ändern. Wenn wir uns mit anderen austauschen, uns gegenseitig zuhören und Alternativen suchen, können wir uns der Klimakrise, diesem riesigen Monster, entgegenstellen.“

Mehr Informationen über die Klimakrise in Mexiko

Stürme sind in Mexiko an und für sich keine Besonderheit. Aber wärmeres Wasser und wärmere Luft führen dazu, dass es öfter zu besonders starken Stürmen kommt. 2023 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Außerdem war der Ozean vor Mexiko durch El Niño noch einmal wärmer, ein Wetterphänomen, durch das sich das Strömungssystem des Pazifiks umdreht. Der Osten wird dann warm und feucht, der Westen trocken. Im Oktober zerstörte Hurrikan Otis große Teile der mexikanischen Westküste, mindestens 27 Menschen kamen um. Neben stärkeren Stürmen sorgt die Klimakrise in der Region für mehr Dürren und Waldbrände.

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