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Wie wird mein Kosmetikbestand nachhaltig?

Illustration: Julia Schubert

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Wenn mir im Drogeriemarkt eine Gesichtscreme verspricht, all meine Versäumnisse und Sünden aus dem Gesicht zu bügeln, landet sie im Einkaufskorb. Später teilt sie sich eine immer voller werdende Badezimmer-Ablage mit einigen Dutzend anderen Tiegeln und Tuben, die ähnliche Wunder versprechen. 

Bei Lebensmitteln und meiner Kleidung habe ich es inzwischen geschafft, gedankenlosen Konsum zu begrenzen: Ich besorge mir wenige, dafür ökologisch und ethisch relativ bedenkenlose hergestellte Klamotten und verzichte weitgehend auf Verpackung. Nur bei all den Dingen, die im Badezimmer landen, scheint das kritische Bewusstsein in meinem Kopf zu verstummen. Das will ich ändern und mein Badezimmer ebenfalls vom Plastikmüll befreien – dem der Verpackungen, aber vor allem auch dem Plastik, das in den Produkten enthalten ist. Denn das Mikroplastik landet ungefiltert in unserem Gewässer und wird von Tieren und Pflanzen aufgenommen – und landet damit am Ende in unserer Nahrungskette. 

Schritt 1 – Bestandsaufnahme

Ich stelle mich an einem Montagabend der unschönen Aufgabe, meine Badezimmer-Besitztümer zu zählen. Es sind so einige: Ich bin stolze Besitzerin von drei Tagescremes, einer Nachtcreme, vier Seren, einer Augencreme, einem Gesichtspeeling, einer Waschcreme, mehreren Gesichtsmasken, drei Duschgels, einem Shampoo, drei verschiedene Körpercremes, einem Haut-Öl, drei Deos, vier verschiedenen Wimperntuschen, zwei Lippenstiften, zwei Kajalstiften, zwei Parfüms, einer Lidschattenpalette und zwei Make-Up-Fläschchen.

Einige dieser Gegenstände kann ich sofort aussortieren. Denn Kosmetika und Pflegeprodukte haben eine begrenzte Haltbarkeit. Man muss die nicht ganz so genau nehmen, wie es die Hersteller empfehlen, aber alles, was man rund ums Auge oder andere Schleimhäute anwendet, sollte man spätestens nach einem Jahr entsorgen. Cremes, Duschgels und Make-Up kann man einem Geruchstest unterziehen. Ist die Farbe verändert oder riecht es ranzig, sollte man das Produkt wegschmeißen.

Nun ist der Mülleimer relativ voll und ich fühle mich etwas leichter. Trotzdem: Bevor ich ganz auf die umweltfreundlichen Alternativen umsteigen kann, muss ich tun, wovor ich mich sonst drücke: Ich muss das Vorhandene aufbrauchen. Denn radikales Wegwerfen ist natürlich auch schlecht für die Umwelt.

Schritt 2 – Das ZIEHT sich

In den kommenden Wochen bin ich damit beschäftigt, die Produkte, die ich besitze, auch zu benutzen. Ich muss ehrlich zugeben: Es langweilt mich schon nach vier Tagen. Ich will Gesichtsmasken kaufen! Ich will ein Peeling kaufen! Ich will eine Gesichtscreme, die meine Erwachsenenhaut in einen Babypopo verwandelt. Ich will. Ich will. Ich halte mich zurück und schmiere mir die Creme drauf, die halt noch in der Tube ist.

Schritt 3 – Ersatz

Zuerst ist mein Shampoo aufgebraucht. Ich kaufe mir eine Haarseife im Biosupermarkt. Die ist zwar doppelt so teuer wie das Shampoo, das ich bisher immer benutzt habe. Aber ich stelle nach drei Wochen fest, dass die Seife immer noch fast genauso groß ist wie zu Beginn. Außerdem muss ich nicht mehr täglich waschen, meine Haare sehen länger frisch aus. Es wird mit der Zeit nur ein klein wenig fad, weil ich immer dieselbe Seife mit demselben Duft benutze. 

Als nächstes ist das Deo alle. Bisher habe ich immer eines von einer sehr bekannten deutschen Marke benutzt, das nach nichts gerochen und  gut vor Schweißausbrüchen geschützt hat. Es steckte aber natürlich in einer Plastikverpackung. Jetzt empfiehlt man mir im Unverpackt-Laden einen Deostick in einer Papphülle. Kaufe ich natürlich sogleich und wende ihn an – mit, sagen wir, mittelmäßigem Erfolg, was meinen Geruch angeht.

Schritt 4 – Der Umstieg auf Bioprodukte

Alles, was ich aufgebraucht habe, will ich nun durch eine umweltfreundliche Alternative ersetzen. Das ist gar nicht so einfach: Denn wer konsequent auf Mikroplastik verzichten will, muss entweder lateinische Produktvokabeln pauken (Polyethylen,Polyprobylen, Plyethylenterephthalat, Nylon, Acrylates Copolymer, Polyquaternium, Plymethylmethacrylat) oder möglichst in Naturkosmetik investieren. 

Gemeinheit für Verbraucher*innen dabei: Begriffe wie „nachhaltig“ oder „bio“ sind nicht geschützt, können also auf jedem 08/15-Produkt kleben. Aussagekräftiger sind Biosiegel, wie Natrue oder BDIH. Sie geben an, dass in dem Produkt all das NICHT zu finden ist: Inhaltsstoffe auf Erdölbasis, Silikone oder Mikroplastik sowie Rohstoffe, die im Tierversuch getestet wurden. Auch synthetische Duftstoffe sind nicht in solchen Produkten.

Weil das so ein komplexes Thema ist, hole ich mir für den nächsten Schritt Hilfe von außen. Julia Keith ist Beauty-Bloggerin, die sich schon seit vielen Jahren hauptsächlich mit Naturkosmetik beschäftigt. Sie hebelt gleich mal mein erstes Bedenken aus, dass ich jetzt richtig viel Geld investieren muss: „Ich finde ja nicht, dass Naturkosmetik in Deutschland grundsätzlich teuer ist. Nirgends in der Welt gibt es so günstige zertifizierte Naturkosmetik wie in Deutschland.“ Das sind vor allem die Bio-Eigenmarken der größeren Drogeriemarktketten. Manche Marken-Cremes sind eine Investition, aber Julia findet, es lohnt sich trotzdem: „Als ich auf Naturkosmetik umgestiegen bin, war ich erstaunt, wie viel weniger ich gebraucht habe.“

Ein positiver Nebeneffekt der höheren Preise: Ich kaufe automatisch weniger Produkte, meine Ablage im Bad wird immer lichter – und meine morgendliche Laune besser. Trotzdem nervt mich, dass auch viele der Bio-Produkte weiterhin in einer Plastikverpackung verkauft werden.

Schritt 5 – selber machen

Wenn man möglichst weitgehend auf Plastikmüll verzichten will, muss man selbst Hand anlegen. Greenpeace empfiehlt Verbraucher*innen, ihre Kosmetik selbst herzustellen. Dann weiß man wirklich ganz genau, was drin ist und kann zudem weiter Plastikmüll reduzieren. Auch hier kann Julia helfen: „Wer ganz wenig Geld hat, kann einfach ein Bio-Öl aus dem Lebensmittelregal nehmen.“ Weil nicht jeder in der Trambahn Olivenöl-Aroma ausdünsten möchte, empfiehlt sie ein neutrales Sonnenblumenöl, das man ganz einfach mit einem ätherischen Öl beduften kann. Die gibt es in den meisten Naturkostläden in allen Geruchsrichtungen zu kaufen. Wer Cremes und Emulsionen selbst herstellen will, muss dagegen ein bisschen investieren, Glasbehälter kaufen, Öle, Wachspellets und andere Grundbestandteile im Naturkostladen kaufen – und sich mit der Herstellung von Cremes auseinander setzen. Seit einigen Jahren gibt es die Anleitungen mit schönen Bildern auf unzähligen Blogs und Websites.

Schritt 6 – Und jetzt?

Nach sechs Wochen „Grünes Badezimmer“-Projekt fühle ich mich ein bisschen klüger und sehr viel leichter. Statt einer überfüllten Ablage, die mir ein schlechtes Gewissen macht, sieht es inzwischen im Badezimmer sehr viel übersichtlicher aus. Die Naturkosmetik-Cremes bewirken leider auch keine Wunder, aber sie riechen gut. Ich habe gelernt, dass Naturkosmetik fast alles kann, was konventionelle Kosmetik leistet. Nur bei Sonnenschutz, Conditioner und wasserfestem Mascara sind die herkömmlichen Produkte der Naturkosmetik überlegen, weil sie synthetische Mittel einsetzen. Ich stelle auch fest, dass mein Geldbeutel nur minimal mehr belastet ist als vorher, denn ich kaufe tatsächlich sehr viel weniger, dafür überlegter ein. 

Die schönste Folge des Experiments ist aber tatsächlich, dass ich inzwischen durch einen Drogeriemarkt gehen kann, ohne automatisch etwas in den Einkaufskorb zu stecken. Denn jede Versuchung erstirbt spätestens bei der Lektüre der Inhaltsstoffe und der daraus resultierenden Frage: Will ich mir tatsächlich all diesen Mist ins Gesicht schmieren? Und der Erkenntnis: Nö, will ich nicht.

Dieser Text wurde zum ersten Mal am 25. Dezember 2019 veröffentlicht und am 7. Dezember 2020 noch einmal aktualisiert.

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