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Die neue Hoffnung der finnischen Sozialdemokraten

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Das muss man erst einmal hinkriegen, was die finnische Sozialdemokratie da gerade vorexerziert: Im April mit hauchdünnem Vorsprung die Wahlen gewinnen, nach nicht einmal einem halben Jahr alt und verbraucht aussehen, in eine Regierungskrise hineinschlittern, Sturz des 57-jährigen Premierministers Antti Rinne inklusive - und dann über Nacht zumindest für einen Moment als „Partei der Zukunft“, so der finnische Rundfunksender YLE, dastehen. Und das alles wegen ihr: Sanna Marin, 34 Jahre alt.

Seit Sonntag ist Marin die neue Hoffnung der Sozialdemokraten und wohl in ein paar Tagen schon die neue Premierministerin Finnlands - die jüngste, die das Land jemals hatte, die jüngste amtierende der Welt dann. Tatsächlich sieht die ganze finnische Regierungskoalition zumindest auf dem Gruppenfoto mit einem Mal aus, wie man sich eine Regierung der Zukunft vorstellt: Alle fünf Regierungsparteien werden nun von Frauen angeführt, und vier der fünf Frauen sind noch keine 35 Jahre alt.

Sanna Marin selbst, die bislang Verkehrsministerin war, wischt derweil alle Fragen nach Alter und Geschlecht beiseite. Sie will schnellstmöglich an die Arbeit gehen. „Wir haben einiges zu tun, wenn wir das Vertrauen zurückgewinnen wollen“, sagt sie. Über Inhalte will sie reden, nicht über ihre Person. Politisch steht Marin für einen Linksruck in ihrer Partei: Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gleichheit und der Wohlfahrtsstaat waren in der Vergangenheit ihre Themen. Sie hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie als Sozialdemokratin grünen und linken Themen nahesteht. Marin lehnt einen Nato-Beitritt Finnlands ab und möchte das Land möglichst schnell von fossilen Brennstoffen befreien.

Eine "Familie voller trauriger Geschichten"

Die Politik insgesamt will sie wieder glaubwürdiger machen in Finnland. Wenn Sanna Marin Chancen hat, das hinzukriegen, dann auch wegen ihres Lebenslaufes. Sie ist keine Politikerin aus der Retorte, sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, schlug sich als Jugendliche mit vielen Jobs durch, finanzierte sich ihr Studium der Verwaltungswissenschaften selbst und war die erste in der Familie mit einem Universitätsabschluss. Sie machte ihn erst vor zwei Jahren.

Leicht hatte sie es nicht als Kind. „Wie bei vielen anderen Finnen ist meine Familie voller trauriger Geschichten“, schrieb sie 2016 in ihrem Blog. Die Mutter war im Waisenhaus aufgewachsen, der Vater Alkoholiker. Die Eltern trennten sich, als Sanna noch klein war. Mutter und Tochter zogen oft um, verließen Helsinki. Später verliebte sich die Mutter in eine Frau, Sanna Marin lebte fortan in einer Regenbogenfamilie. „Das Schweigen darüber war das härteste“, erinnert sie sich. „Man erkannte uns nicht als eine wahre Familie an oder als gleichberechtigt mit den anderen.“

Was kann Marin gegen den Vormarsch der Rechtspopulisten tun?

Dennoch spricht Sanna Marin von einer Kindheit „voller Liebe und Alltag“. Stur sei sie immer gewesen, eine mittelmäßige Schülerin nur, die gerne tanzte und Basketball spielte, mit einer Mutter, die immer hinter ihr stand und mit „Lehrern, die mich immer ermutigten und forderten“. Ihren späteren Erfolg im Leben, sagt sie, „verdanke ich dem finnischen Wohlfahrtsstaat“. Als sie 20 Jahre alt war, begann sie, sich politisch zu engagieren. „Die Sozialdemokratie war die offensichtliche Wahl“, schreibt sie. „Das Ziel war und ist es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“

Den Aufstieg der Rechtspopulisten in Europa verfolgt Sanna Marin mit Sorge. Tatsächlich ist die rechtspopulistische Partei der „Basisfinnen“ die große Gewinnerin der Schwäche der Regierung: Die Partei eilt in Umfragen von Rekord zu Rekord, während die Sozialdemokraten zuletzt auf Platz vier absackten. Finnland stecke „mitten in einer außerordentlichen Situation“, sagte Sanna Marin am Sonntag. Jetzt hat sie die Chance zu zeigen, dass sie dem Vormarsch der Rechtspopulisten mehr entgegenzusetzen hat als ihre Vorgänger.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien zuerst in Plan W, dem Frauenwirtschaftsmagazin der Süddeutschen Zeitung.

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