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Wie ist ein Alltag ohne Google?

Google ist praktisch, sammelt aber auch überdurchschnittlich viele Daten. Deswegen will unsere Autorin ein paar Tage verzichten.
Illustration: FDE

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Google ist mächtig. Zum Beispiel, weil sich durch den Konzern das Wort „googlen“ etabliert hat, das als Synonym für „im Internet recherchieren“ mittlerweile sogar im Duden steht. Oder, weil Google mit Abstand den größten Marktanteil weltweit hat und mit täglich 12,4 Milliarden Suchanfragen die meistgenutzte Suchmaschine ist. Und: weil Google sich seinen User:innen erfolgreich als die scheinbar einzige Option verkauft. Egal, ob es um E-Mails, Wegbeschreibungen oder den Kalender geht  – wie bei wahrscheinlich allen sogenannten Digital Natives dominiert Google auch mein Leben. Und dass ein Großkonzern sich nicht aus Großherzigkeit dazu entschließt, Freund und Helfer der User:innen zu sein, ist klar.

Denn mit Facebook und Apple gehört auch Google zu den Datensammler-Konzernen schlechthin und ist selbst da ganz vorne mit dabei: Im Ruhezustand fragt Google bei einem Android-Telefon gut 40 Mal pro Stunde Daten ab, im Vergleich dazu sind es bei Apple-Geräten im Ruhezustand etwa vier. Das heißt: Nur, weil die Dienste von Google und Co. vermeintlich nichts kosten, sind sie nicht gleich gratis. Statt mit Geld, bezahlen wir User:innen mit unseren Daten - und nehmen das, mehr oder weniger bewusst, in Kauf. Schon ein komisches Gefühl, zu wissen, dass die persönlichen Daten heutzutage reines Geld sind. 

Sich als alternativlos darstellen und eine Bindung durch Zwang stärken – im Prinzip hat Google da gefühlt eine ganz ähnliche Manipulationsstrategie wie ein toxischer Boyfriend. Ist es dann vielleicht an der Zeit, sich zu trennen? Oder zumindest für eine Beziehungspause?

Ich möchte herausfinden, ob ich im Alltag auch ohne Google klarkomme. Also starte ich einen Selbstversuch: vier Tage ohne Google. Kann ja nicht so schwer sein, schließlich gibt es mittlerweile ausreichend Alternativen … 

Tag 1: „Google mal!“

Ich beginne damit, zu scannen, wie groß meine Abhängigkeit ist und merke: Ein Großteil meiner oft genutzten Apps gehört Google. Tagtäglich begleiten mich unter anderem Google Maps, Google Docs und auch Youtube, seit 2006 ebenfalls Teil von Google. Ich starte mit einer radikalen Aufräumaktion – verbanne alles, was auch nur ansatzweise auf Google zurückzuführen ist, von meinem Smartphone und schließe die noch offenen Google Docs auf meinem Laptop. Auch mein Mail-Konto gehört zu Google, also stelle ich eine Abwesenheitsnotiz ein. 

Ganz nebenbei: Ich kann von Glück reden, dass ich ein iPhone besitze, denn das Betriebssystem Android gehört ebenfalls zu Google. Und vier Tage ohne Smartphone wären einfach ziemlich unpraktisch. 

Statt Google Maps verwende ich von nun an Apple Karten und statt meiner regulären Suchmaschine kommen nun Ecosia und DuckDuckGo zum Einsatz. Neben ihrer Funktion als Google-Ersatz, sollen die beiden Suchmaschinen einen positiven Nebeneffekt haben: Ecosia wirbt damit, für jede Suchanfrage einen Baum zu pflanzen und DuckDuckGo verspricht, keine persönlichen Informationen zu sammeln. Für kurze Zeit fühle ich mich befreit, ein Aufatmen. 

Kurze Zeit später, auf dem Weg zur Arbeit  wächst meine Sehnsucht nach Google dann auf einmal – manche Dinge weiß man eben erst zu schätzen, wenn man sie mal nicht mehr hat.

Denn ich stelle fest: Google Maps kennt die besseren und schnelleren Wege – im Gegensatz zu Konkurrent Apple Karten. So wird mir die Verbindung, die ich normalerweise auf Empfehlung von Google Maps wähle, von der Apple-Alternative nicht einmal angezeigt – dabei weiß ich ganz genau, dass außer der S-Bahn auch noch Busse und Straßenbahnen fahren. Um trotzdem schnellstmöglich nach Hause zu kommen (und das ist definitiv nicht mit der S-Bahn!), bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf mein eigenes Erinnerungsvermögen zu verlassen und analoge Verkehrspläne zu lesen.

„Hallo, kennst du Daniel Hope? Google mal!“ – diese Nachricht lese ich in meiner Mittagspause auf dem Sperrbildschirm meines Smartphones und muss kurz schmunzeln. Mein Opa möchte mir seine neuesten musikalischen Entdeckungen mal wieder nicht vorenthalten. Ich „google“ auf Ecosia. Aber Ecosia kommt einfach nicht an Google ran. Zwar finde ich heraus, wer Daniel Hope ist (ein irisch-deutscher Geiger). Doch später stoße ich an Grenzen: Nach meinem Feierabend will ich diverse Ramen-Restaurants abtelefonieren, um irgendwo einen Tisch zu reservieren – da fehlt mir die stets so selbstverständlich da gewesene „Anruf“-Funktion von Google. Stattdessen muss ich jede Website einzeln anklicken, nach der Telefonnummer suchen und sie in das Nummernfeld meines Smartphones kopieren. Ein äußerst umständliches und zeitintensives Prozedere, wenn man es gewohnt ist, einen Anruf mit nur einem Klick zu erledigen.

Umso überraschter bin ich noch am ersten Tag von DuckDuckGo: Zwar fehlt auch hier die von mir häufig genutzte „Anruf“-Funktion, dafür gibt es passende Suchergebnisse, einen Shopping-Button – und wenn ich ein Restaurant suche, werden mir Öffnungszeiten, eine Kartenvorschau und die Adresse angezeigt. Trotzdem: „Googlen“ mit DuckDuckGo fühlt sich irgendwie wie Fremdgehen an - es heißt ja nunmal nicht „DuckDuckGoen“ ...

Tag 2: Die erste Niederlage

Ich möchte Apple Karten weiterhin eine Chance geben und beschäftige mich intensiver mit der App. Langsam baue ich Vertrauen auf. Ganz daran glauben, dass tatsächlich nur die S-Bahn fährt, kann ich jedoch noch immer nicht. Also plane ich meinen Arbeitsweg weiterhin auf eigene Faust und sitze auch an diesem Morgen in genau der Tram, die Apple Karten mir vorenthalten hat.

Den Arbeitsweg habe ich also schonmal bewältigen können - ohne Google. Ich fühle mich sicher vor der Datenkrake. Es scheint nicht unmöglich, sich davon frei zu machen. Wie schnell sich Google aber in mein Leben schleicht, ohne, dass ich es bemerke, zeigt sich kurz darauf: Eine Kollegin schickt mir einen Link zu einem Dokument, in das ich reinlesen soll. Ohne darüber nachzudenken, öffne ich ihn und eine halbe Stunde später fällt mir auf *Trommelwirbel*: Das war ein Google Doc. Mist. Ich versuche, mir einzugestehen, dass ich schon am zweiten Tag gescheitert bin, entscheide mich aber dann dazu, es einfach auf meine Kollegin zu schieben: Das war auch echt eine fiese Falle! 

Tag 3: Der Endgegner

Bisher komme ich ganz gut aus ohne Google. Ich freunde mich mit den Alternativen an, habe keine großen Sehnsüchte mehr. Gerade als ich zu glauben beginne, größer und stärker als Google zu sein, treffe ich auf den Endgegner: Youtube. 

Ich möchte für eine Recherche ein Video nachschauen, das ich einige Tage zuvor gesehen habe. Wie ich sonst an diese Information kommen soll - keine Ahnung. Das könnte mir lediglich mein Youtube-Verlauf verraten. An dieser Stelle merke ich: Es ist und bleibt unmöglich, die weltgrößte Videoplattform zu ersetzen. Ich muss also schlichtweg ohne auskommen und verschiebe meine Recherche gezwungenermaßen zeitlich ein wenig nach hinten. 

Dann, noch eine Versuchung: „Ein Haus bauen mit Freunden – Felix verwirklicht seinen Traum im Westerwald“, spoilert  ein Link, den mir mein Freund auf Whatsapp schickt. „Guck dir das später mal an“, rät er mir, während wir mal wieder in gemeinsamen Vorstellungen unseres potenziellen Traum-Hauses schwelgen. Wir sind beide kleine Hobby-Architekt:innen und schauen uns dementsprechend gerne schicke Häuser im Internet an, um unseren Träumen zumindest ein Stück weit näher zukommen. Ungeduldig und gespannt auf die Video-Empfehlung meines Freundes will ich den Link direkt öffnen, als ich gerade noch rechtzeitig sehe: Es ist ein Youtube-Video, natürlich. Na gut, dann verzichte ich eben darauf, mir Felix’ Traum im Westerwald anzusehen.

Schließlich lasse ich mich nach einem Google-freien, anstrengenden Tag auf mein Sofa plumpsen – alle Aufgaben sind genauso erledigt wie ich. Das Einzige, was meiner Gehirnaktivität jetzt noch gerecht werden kann, ist etwas Trash-TV. Ich schalte meinen Fernseher ein, bereit  dazu, mich von den übergriffigen Umstylings bei „Germany’s next Topmodel“ berieseln zu lassen. Dann fällt mir auf:  Mein Fernseher läuft mit dem Betriebssystem Android. Und Android gehört zu Google. Meinen Fernseher kann ich also direkt wieder ausschalten. Stattdessen bleibt mir nur noch mein Laptop, ein Apple-Gerät, um den Abend mit Heidi und ihren angehenden Topmodels ausklingen zu lassen.

Tag 4: Die Postfach-Explosion

Der letzte Tag meines Selbstversuchs stellt mich vor keine großen Herausforderungen mehr. Ich konnte Youtube widerstehen und meinen Fernseher ausgeschaltet lassen. Brav suche ich ausschließlich mit DuckDuckGo nach dem nächsten Pizzalieferdienst und nutze die Shopping-Funktion, um nach neuen Sneakern Ausschau zu halten. Auf Youtube zu verzichten, ist zwar nach wie vor ungewohnt – denn ich nutze die Plattform viel und gerne, vor allem, um mir Reportagen anzuschauen. Aber ich halte tapfer durch.

Am späten Abend erkläre ich meinen Selbstversuch offiziell für beendet und checke um kurz nach Null Uhr erstmals seit vier Tagen noch schnell meine GoogleMails. Mein Postfach explodiert. Das klingt jetzt wichtiger, als es ist. Tatsächlich sind die meisten Mails irgendwelche Newsletter, die ich vergessen habe abzubestellen – ein nie endendes Projekt. 

Als ich mir am nächsten Tag die Youtube-App, als GoogleMaps, GoogleDocs und den Google-Browser wieder auf mein Handy lade, muss ich mir eingestehen, dabei eine gewisse Erleichterung zu empfinden. Eine Erleichterung, die offenbart, dass ich abhängiger von Google bin, als ich es mir erhofft hätte. An eine Suchmaschine wie DuckDuckGo könnte ich mich eventuell langfristig gewöhnen, vielleicht würde ich auf Dauer auch eine für mich passende Google-Maps-Alternative finden. Aber will ich das auch? Außerdem: ohne GoogleMail, Google Docs und Youtube geht’s für mich wirklich nicht. All diese Funktionen sind schon zu stark mit meinem Alltag verwachsen. Und damit bin ich voll auf die Marketing-Strategie des Konzerns reingefallen: Google als die einzige zuverlässige Option zu verkaufen und User:innen an sich zu binden. Obwohl ich das selbst erkenne, macht es mir erschreckend wenig Sorgen – obwohl  toxische Beziehungen (egal ob zum Boyfriend oder zum Browser) doch eigentlich niemals gut sind.

Dieser Artikel gehört zum Themenschwerpunkt „Googles Schatz“. Die gesamte Recherche und Links zu weiteren Artikeln finden Sie hier.

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