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Jessica Bennetts Handbuch gegen Sexismus am Arbeitsplatz
Dieses Buch ist für Männer 21 Prozent teurer als für Frauen. So steht es auf dem Cover und so sagt Jessica Bennett es jetzt auch noch mal auf der Bühne. Der Moderator des Abends schaut sie verdutzt an. „Das ist natürlich nur ein Witz“, sagt sie dann. „Denn das ist ja illegal. Noch!“ Das Publikum lacht.
Jessica Bennett ist 35 Jahre alt, Autorin und Kolumnistin für die New York Times, und schreibt dort vor allem über Frauen und Feminismus. Im vergangenen Jahr bekam sie viel Aufmerksamkeit für ihr Porträt über Monika Lewinsky, 20 Jahre nach deren Affäre mit dem damaligen Präsidenten Bill Clinton. Gerade hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht: „Feminist Fight Club“. Untertitel: „An Office Survival Manual (For a Sexist Workplace)“. Momentan ist sie auf Tour, um es vorzustellen, war schon in Los Angeles, San Francisco, Seattle und Boston. Und bevor sie nach Montreal und London weiterreist, ist sie hier in Washington und lässt sich auf der Bühne der alten Synagoge „Sixth&I“ von Adam B. Kushner, Mitarbeiter der Washington Post, ausfragen. Auf den Holzbänken im Saal sitzen etwa 250 Menschen und hören ihr zu – darunter maximal 20 Männer.
Adam Kushner nennt Jessicas Buch „practical“. Und so ist es ja auch gedacht: als Nachschlagewerk für Frauen, die sich gegen Sexismus am Arbeitsplatz wehren wollen. Man findet darin zum Beispiel einen Leitfaden für erfolgreiche Gehaltsverhandlungen, weil Frauen immer noch weniger verdienen als Männer (bis zu 21 Prozent – was obigen Witz erklärt). Eine Sammlung der typischsten Fallen, in die Frauen im Büro tappen können, und wie man sie umgeht, von „entschuldigt sich zu oft“ bis hin zu dem Problem, bei selbstbewusstem Auftreten als „aggressiv“ oder „bossy“ zu gelten. Oder eine detaillierte Aufstellung „männlicher Feinde“ im Büro plus Taktiken, mit denen man sie bekämpfen kann – egal ob den mittlerweile schon bekannten „Mansplainer“, der Frauen gerne erklärt, was sie längst wissen; den „Manterrupter“, der seinen Kolleginnen in Meetings ständig ins Wort fällt; oder den „Himitator“, der eigentlich bloß wiederholt, was kurz vorher eine Frau gesagt hat, und danach denken alle, er hätte die Idee gehabt.
Den "Feminist Fight Club" gibt es wirklich: Frauen treffen sich und sprechen über ihre Probleme im Job
Der Ton des Buches ist dabei zum einen humorvoll, zum anderen laut und direkt – und dadurch angenehm unkorrekt, sodass sicher nicht jedem gefallen wird, was er oder sie da liest. Jessica Bennett hat auch nicht an Kraftausdrücken gespart. „Kämpferisch“ solle es klingen, sagt sie selbst. Gebrochen wird das durch die eher süßlichen Illustrationen: Frauen in allen Formen und Größen, kleine Tampons, krakelige Entscheidungsbäume oder eine Club-Karte zum selbst ausfüllen. Denn den namensgebenden „Feminist Fight Club“ gibt es wirklich: Jessica Bennett traf und trifft sich regelmäßig mit Freundinnen, um die Probleme, die sie im Job haben, zu besprechen, und sich gegenseitig zu helfen. Das Buch fasst ihre Erkenntnisse zusammen und ruft die Leserinnen dazu auf, mitzumachen. Sich auch zusammenzuschließen und Sexismus zu bekämpfen.
Der (oder zumindest ein) Feminist Fight Club
So wie der original Fight Club hat natürlich auch der Feminist Fight Club einen Regelkatalog.
Glückliche Clubmitglieder
Mitgliederausweis des FFC
Ob sie wohl ihre Tage hat? Mal überlegen...
Wer wann unterbricht.
Falls ein Mann sich nicht sicher ist, ob er "mansplainen" darf: Dieser Entscheidungsbaum hilft dabei, die richtige Antwort zu finden.
Lob annehmen für Fortgeschrittene
Wie man ein "Resting Bitch Face" richtig liest.
Das Buch
Eigentlich also klar, dass das Publikum in Washington zu mehr als 90 Prozent aus Frauen besteht. Schließlich ist das ein Buch nur für sie, und es geht darin allein um ihren Kampf, oder? „Nein“, sagt Jessica, „Männer sind für diesem Kampf extrem wichtig! Und sehr viele von ihnen wollen die Gleichberechtigung ja auch. Ihr Verhalten ist meistens nicht mal böse gemeint, sondern vollkommen unbewusst.“ Der heutige Sexismus im Job sei sehr subtil, sagt sie, und es gehe ihr vor allem darum, dass er erstmal allen Beteiligten bewusst wird, Frauen wie Männern. Das Buch enthält darum auch eine Liste mit Tipps für männliche Kollegen („How to have a dick without being one“), die nicht schwer umzusetzen sind – Frauen ausreden lassen zum Beispiel oder beim Sitzen die Beine schließen.
Man merkt Jessica während des Gesprächs auf der Bühne an, dass sie nicht als verbitterte Männerhasserin rüberkommen will. Gegen diesen Vorwurf hat sie sich in ihrem Buch doppelt abgesichert. Zum einen: mit Humor. „Ein Begriff wie ‚Manterrupter‘ ist natürlich lustig gemeint und eine Vereinfachung für eine sehr komplexe Verhaltensweise“, sagt Jessica. „Ich weiß, dass nicht jeder Mann ein ‚Manterrupter‘ ist – und nicht jeder, der anderen ins Wort fällt, ist ein Mann.“ Sie habe die Erfahrung gemacht, dass ein humorvoller Umgang mit dem Thema sehr viel konstruktiver sei als ein bierernster. Zum Beispiel neulich, als sie zum Essen eingeladen war: Da hat ein älterer Mann, der Donald Trump unterstützt, ihr Buch in die Hände gekriegt, es lange angeschaut – und dann darüber gelacht, dass es für Männer angeblich teurer ist. So ist sie mit ihm und anderen am Tisch ins Gespräch gekommen. Am Ende des Abends hat er angeboten, ihr einen Lesungstermin in seinem örtlichen Buchladen zu organisieren.
Jessicas zweite Absicherung: Recherche. Sie hat Statistiken, Studien und wissenschaftliche Literatur zum Thema gesammelt. Egal ob „Frauen werden doppelt so oft unterbrochen wie Männer“ oder „Frauen machen sich im öffentlichen Raum körperlich kleiner als Männer“ – jede Behauptung belegt sie mit einer Fußnote, insgesamt sind es etwa 300. „Wenn mir jemand nicht glaubt, was ich schreibe, dann sage ich: Schau im Anhang nach!“
Der aktuelle Wahlkampf, sagt Jessica, sei "Sexismus auf der ganz großen Bühne"
Wer keine Lust hat, im Anhang nachzuschauen, kann aber auch einfach den aktuellen Präsidentschaftswahlkampf beobachten. Der ist nämlich, sagt Jessica, „Sexismus auf der ganz großen Bühne!“ Donald Trump verkörpere nahezu jeden einzelnen im Buch aufgelisteten „Feind“. Zum Beispiel den „Manterrupter“ beim TV-Duell vergangene Woche, als er Clinton 51 Mal ins Wort fiel (und sie ihm 17 Mal). Oder den „Menstruhater“, als er nach einer heftigen Befragung durch die Fox-Moderatorin Megyn Kelly sagte: „She has blood coming out of her eyes, blood coming out of her wherever“.
An Hillary Clinton hingegen könne man die typischen Probleme belegen, mit denen vor allem erfolgreiche Frauen im Job zu kämpfen haben – und die Jessica ebenfalls in ihrem Buch aufzählt: Dass man ihr einerseits vorwirft, „zu kalt“ zu sein (und sich wünscht, sie würde mehr lächeln), aber wenn sie leidenschaftlich wird, gilt sie plötzlich als „schrill“. Ehrgeiz, der bei Männern erwünscht ist, wird bei ihr in „zu ambitioniert“ umgedeutet. Und dann noch die ständige Diskussion, ob sie dem Präsidentenamt gewachsen sei. „Bei aller berechtigten Kritik an ihr, muss man sagen: Sie ist wahnsinnig qualifiziert“, sagt Jessica. „Trotzdem halten viele sie für ungeeignet – was wieder mal zeigt, dass Frauen das Doppelte leisten müssen, um die gleiche Anerkennung zu kriegen wie Männer.“ Nach der Debatte schrieb Jessica übrigens einen Artikel für die New York Times: „Hillary Clinton will not be manterrupted“. Er wurde auf Clintons Facebook-Seite geteilt.
Am Ende spricht Jessica noch über zwei weitere Feinde, auf die Frauen in ihrem Kampf für Gleichberechtigung treffen können. Zum einen: auf eine andere Frau – denn auch die kann die gleichen, unbewussten Vorurteile haben wie ein Mann. Zum anderen: auf sich selbst. Weil Frauen dazu neigen, sich selbst zu sabotieren. Zum Beispiel, indem sie ihre Erfolge runterspielen („Das war doch keine große Sache“) oder Lob an Kollegen und Kolleginnen weitergeben („Ohne XY hätte ich das nie geschafft“). „Wir haben eben gelernt, bescheiden und demütig zu sein“, sagt Jessica. „Ich kann auch nur sehr schlecht Komplimente annehmen.“ Sie macht eine kurze Pause. Und sagt dann: „But I also wrote a fucking book!“