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Wie integriert man weitere (Sex-)Partner in die Beziehung?

Illustration: Julia Schubert

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„… und mein Mann, der ist hier auch irgendwo unterwegs.“ Der Typ auf der Party hatte mich zwar nur gefragt, woher ich die Gastgeberin kannte — aber bevor er mich ein weiteres Mal unauffällig an der Schulter berührte, sollte er lieber die Fakten kennen, dachte ich. Das oberste Gebot in einer offenen Beziehung ist Ehrlichkeit, und die hört nicht bei meinem Mann auf, sondern gilt genauso für alle, mit denen ich in Kontakt komme. Also flechte ich schnellstmöglich mal mehr, mal weniger geschickt die Info ins Gespräch ein, dass es da schon jemanden in meinem Leben gibt. Und achte darauf, dass das mit der offenen Beziehung nicht komplett unter den Tisch fällt. Sonst wirkt das eilige Thematisieren meines Verheiratetseins nach dem inoffiziellen Flirt-Kodex der westlichen Welt eher wie eine Ausladung als eine bloße Information. Mein Mann hält es ganz genauso.

Verheimlicht wird also nichts, und jeder der Beteiligten weiß, woran er ist. Die Reaktionen auf diese Info fallen aber trotzdem sehr unterschiedlich aus — und zwar vor allem je nach Geschlecht. Während die meisten Männer, denen ich von meinem Beziehungskonzept erzähle, darauf anspringen wie unser Nachbarshund auf meinen Unterschenkel, ziehen Frauen nach der Offenbarung meines Mannes in den meisten Fällen enttäuscht von dannen. Ich weiß, auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden hier alle Klischees über „Männer wollen Sex, Frauen eine Beziehung“ bestätigt. Aber ganz so einfach ist das nicht. Schließlich leben wir noch immer in einer Welt, in der ein „zu viel“ an gelebter Lust eine Frau zur Schlampe degradiert, einen Mann aber zum Frauenheld emporhebt.

Ich will Intimität, intellektuellen Austausch, Berührung. Das macht die Sache kompliziert

Dass aber Vögeln mit jemandem, den man kennt und mag, eine Million Mal besser ist als der besoffene Ausrutscher auf der Clubtoilette, unterschreibe ich sofort. Darum habe ich so gut wie nie One-Night-Stands oder dezidierte Sexdates, sondern nur längergehende Affären und Freundschaften mit Benefits. Ich will Intimität, ich will intellektuellen Austausch, ich will Berührung. Das macht die Sache manchmal echt kompliziert. Denn auch wenn jeder, den ich date, weiß, worauf er sich da einlässt — keine gemeinsame Zukunft, keine Exklusivität, wenig Zeit — so ganz kontrollieren lassen sich Gefühle am Ende doch nicht. Da war zum Beispiel M., der anfangs mega entspannt war, am Ende aber an dem Gedanken, dass wir nie heiraten und Kinder kriegen würden, verzweifelte. Oder B., der nach ein paar Wochen „Alles oder nichts“ forderte, weil er das Dazwischen nicht mehr ertrug. Klar, dass es dann ziemlich schnell auf „Nichts“ hinauslief.

Letztlich sind das aber Entwicklungen, die nur mittelbar an meinem Beziehungsmodell liegen. Denn dass Intentionen sich verändern, man sich plötzlich (und möglicherweise unpassend) ver- oder entliebt, das sind Dinge, die zwischen zwei Menschen immer passieren können. Und in den meisten Fällen geht das bei mir auch gut: Manche Liebhaber bleiben mir als Freunde erhalten, andere lösen sich wie von selbst in Wohlgefallen auf, wenn wir satt voneinander sind. So wahnsinnig oft passiert das aber auch nicht. Denn auch wenn „offene Beziehung“ erstmal nach Verfügbarkeit und Rumgebumse klingt: Für ständige Neuzugänge habe ich schlicht keine Zeit.

Seit über einem Jahr gibt es außerdem L., und mit ihm die erste, wirklich verbindliche Beziehung in all der Zeit. Da probieren wir gerade noch rum, wie es uns allen damit gutgehen kann. Mein Mann und er kennen sich über unseren gemeinsamen Bekanntenkreis und sind zum Glück entspannt miteinander — ohne sich im Geringsten als Konkurrenz zu betrachten. Ich hingegen komme regelmäßig an meine Grenzen, wenn es darum geht, auch für L. eine „gute“ Freundin zu sein, ihn zu unterstützen oder mit ihm Zeit zu verbringen. Und dann ist da noch die sensible Frage, inwiefern wir uns noch weitere Abenteuer erlauben können. Ich will die maximale Offenheit in alle Richtungen, L. möchte am liebsten exklusiv in unserer jetzigen Dreier-Konstellation bleiben — ein Konflikt, der so oder so ähnlich auch in jeder anderen Beziehung auftauchen könnte.

Und weil wir bis auf erlaubte Spontanknutschereien die Frage noch nicht abschließend für uns beantwortet haben, habe ich mit dem Typ auf der Party am Ende zwar rumgemacht, ihm aber Einhalt geboten, als er das Thema „Hotel“ anschnitt. Seine Freundin saß übrigens zu Hause und wusste von nix. „Ich glaube, ihr müsst mal reden“, sagte ich zum Abschied. Und ich hoffe sehr, sie haben es getan.

Andere im Spiel? So bleibt es fair:

1. Regel Nummer eins: Absolute Ehrlichkeit, und zwar in alle Richtungen! Nichts ist verletzender, als nach einer leidenschaftlichen Verquickung zu hören, dass das Objekt des Verlangens — ooops — bereits vergeben ist. Also besser gleich sagen, was Sache ist, als nachher das Arschloch zu sein.

2. Die Abmachungen mit dem Partner gehen vor. Immer. Manche Menschen werden sich an euren Regeln vorbeischlängeln oder sich zur Nummer Eins aufschwingen wollen. Kommuniziert von Anfang an klar, was geht und was nicht, und zieht notfalls die Reißleine.

3. Jemand will mehr, obwohl das nicht drin ist? Dass es schwierig wird, kann immer passieren. Kein Grund, sich Vorwürfe zu machen. Aber auf jeden Fall einer, den anderen eine Runde in den Arm zu nehmen und einfach nur da zu sein. Geteiltes Leid ist schließlich … ach, ihr wisst schon.

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