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„Ich träume davon, Kinder zu haben, die plötzlich wieder verschwinden“

Illustration: Federico Delfrati

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Als Manuela vor sechs Jahren schwanger wurde, glaubte sie an ein Wunder. Mit ihrem Verlobten Philipp wollte sie unbedingt eine eigene Familie gründen, jedoch hatten ihr die Ärzte bereits in jungen Jahren gesagt, sie sei unfruchtbar. Nachdem sie leichte Übelkeit und andere erste Schwangerschaftsanzeichen feststellte, folgte die Schockdiagnose: Der Embryo hatte sich im Eileiter eingenistet und musste sofort raus. „Innerhalb einer Stunde lag ich auf dem OP-Tisch, weil mein Eileiter kurz davor war zu platzen, was zu inneren Blutungen geführt hätte. Die Ärzte konnten den Embryo leider nicht mehr entfernen, ohne den ganzen Eileiter heraus zu nehmen. Es hat mich damals fertig gemacht, dass das, was ich mir so lange und so sehr gewünscht habe, mich hätte umbringen können“, erinnert sich die heute 33-Jährige.

Die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Eileiterschaft liegt bei einem bis zwei Prozent. Frauenärztin Cosima Brucker vom Klinikum Nürnberg erklärt: „Anzeichen, die auf eine Eileiterschwangerschaft hindeuten können, sind beispielsweise Schmierblutungen oder Unterleibsschmerzen an der Stelle des linken oder rechten Eileiters. Es gibt aber auch Fälle, in denen Betroffene keine dieser Symptome feststellen. Auch der Schwangerschaftstest wird bei einer Eileiterschwangerschaft positiv ausfallen.“ Wichtig ist daher, frühzeitig einen Frauenarzt aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen. Denn: „Wird eine Eileiterschwangerschaft zu spät diagnostiziert, kann der Eileiter platzen und im schlimmsten Fall innere Blutungen hervorrufen. In diesem Fall kann das dazu führen, dass ein Eileiter herausgenommen werden muss. Aber auch wenn einer der beiden Eileiter durch eine Operation entfernt wurde, ist es noch möglich, auf natürlichem Wege schwanger zu werden“, so Brucker.

Der Verlust ihres Kindes zerstörte ihre Beziehung

Nach dem Verlust ihres Kindes fiel Manuela psychisch in ein tiefes Loch. Der Eileiter, der ihr noch blieb, war zu beschädigt, um erneut auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Das Risiko einer weiteren Eileiterschwangerschaft wäre zu groß, sagten ihre Ärzte. Durch Manuelas Depressionen und die Trauer, mit der sie und ihr damaliger Verlobter zu kämpfen hatten, ging schließlich auch ihre Beziehung in die Brüche. „Wir haben uns immer öfter gestritten, weil wir beide der Situation nicht gewachsen waren. Nach der Trennung hat mir die ganze Situation den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe mich in eine psychologische Klinik einweisen lassen. Ich hab mich gefühlt wie ein Stück Müll. Ich dachte, dass ich nicht einmal das, wofür ich als Frau auf der Welt bin, hinbekomme.“

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Dieses Bild zeigt Manuela wenige Wochen nach der Entfernung ihres Embryos und ihres geplatzten Eileiters.

Foto: privat

Auch Bianca kennt dieses Gefühl. Gleich zwei ihrer Kinder hat die 29-Jährige bei aufeinanderfolgenden Eileiterschwangerschaften verloren. Eines in der sechsten und eines in der neunten Schwangerschaftswoche. Für Bianca und ihren Mann, die sich unbedingt Kinder wünschten, brach damit eine Welt zusammen. „Ich dachte, das gibt es doch gar nicht, dass man zweimal hintereinander so ein Pech haben kann.“

Frauen, die schon einmal eine Eileiterschwangerschaft hatten, sind einem höheren Risiko ausgesetzt

Derartige Fälle sind auch Gynäkologin Cosima Brucker bekannt: „Frauen, die schon einmal eine Eileiterschwangerschaft hatten, sind einem fünf bis zehnfach höherem Risiko ausgesetzt, dass die befruchtete Eizelle wieder im Eileiter stecken bleibt. Ebenso können Endometriose oder Chlamydien dazu führen, dass eine Eileiterschwangerschaft auftritt. Besonders häufig sind Frauen zwischen 30 und 40 Jahren davon betroffen.“

Im Gegensatz zu Manuela und Philipp, deren Beziehung dem Verlust ihres Kindes nicht standhalten konnte, sind Bianca und ihr Mann in dieser Zeit stärker zusammengewachsen. Obwohl sie gleich zweimal einen harten Schicksalsschlag erlitten haben, lassen sie sich nicht von ihrem Kinderwunsch abbringen. Nachdem der einzige Eileiter, der ihr nach der OP blieb, mit einer Kontrastmittellösung untersucht und für Embryonen unpassierbar erklärt wurde, entschieden sie sich für den Weg der Reagenzglasbefruchtung.

„Bei dieser Methode werden die Eizellen direkt in die Gebärmutter gepflanzt, um den Weg durch den Eileiter zu umgehen“, sagt Brucker. Doch auch bei diesem Vorgang kann es zu Komplikationen kommen: „Das Risiko ist bei der künstlichen Befruchtung zwar weniger hoch, weil die befruchteten Embryonen den Eileiter nicht mehr passieren müssen, trotzdem gibt es aber Fälle in denen sie wieder in den Eileiter zurückwandern, obwohl sie sich bereits in der Gebärmutter befinden.“

Bianca und ihr Mann halten endlich ein gesundes Kind in den Armen

Neun Monate später, im November 2015, konnten Bianca und ihr Mann ihr erstes gesundes Kind in den Armen halten. „Das war wirklich ein überwältigendes Gefühl, dass es endlich geklappt hat“, erzählt Bianca. Und ein paar Jahre später kann sie sich sogar doppelt freuen: Ganz ungeplant bekam ihr Kind noch ein Geschwisterchen. Und das sogar auf natürliche Weise, durch den laut Ärzten verschlossenen Eileiter. „Ich konnte es gar nicht fassen. Das Thema mit der natürlichen Schwangerschaft war für mich ja schon abgehakt.“

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Obwohl die Ärzte Bianca gesagt haben, sie könne auf natürlichem Wege keine Kinder mehr bekommen, ist sie wieder Mutter geworden.

Foto: privat

Während Bianca heute ihr Mutterglück genießt, ist Manuela kinderlos geblieben. Inzwischen lebt sie mit einem anderen Mann zusammen. Auch Phillip, ihr Ex-Verlobter hat eine neue Freundin und ist sogar Vater geworden. Sechs Jahre sind vergangen, seit Manuela ihr Kind durch eine Not-OP am Eileiter verloren hat.  Doch an die Zeit denkt sie auch heute noch oft zurück. „Manchmal habe ich Albträume. Ich träume dann davon, schwanger zu sein und Kinder zu haben, die plötzlich wieder verschwinden“, sagt Manuela.

„Manchmal habe ich Albträume. Ich träume dann davon schwanger zu sein und Kinder zu haben, die dann plötzlich wieder verschwinden.“

Mit ihrem neuen Freund will sie es trotzdem noch einmal versuchen und sich, wie Bianca, künstlich befruchten lassen. Aber der Weg dorthin ist steinig: „Nur verheiratete Paare bekommen einen Zuschuss von der gesetzlichen Krankenkasse, wenn sie sich für künstliche Befruchtung entscheiden. Außerdem hat man nur drei Versuche, mit finanzieller Unterstützung schwanger zu werden. Wenn es dann nicht funktioniert, zahlt man immer wieder, für jeden neuen Versuch. Obwohl die gesetzlichen Krankenkassen rund 50 Prozent der Kosten übernehmen, kann das mit bis zu 4000 Euro pro Zyklus, abhängig von der Methode der künstlichen Befruchtung, ziemlich teuer werden“, so Manuela.

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