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Joko und Klaas nutzen Primetime für Aufklärung über sexuelle Übergriffe

Foto: youtube / Männerwelten - Belästigung von Frauen | Joko & Klaas 15 Minuten Live

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Das Moderatoren-Duo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf konnte sich am Mittwoch in der Show „Joko und Klaas gegen ProSieben“ gegen seinen Sender durchsetzen. Der Gewinn, wie immer: 15 Minuten Primetime-Sendezeit auf Prosieben, die die beiden frei gestalten dürfen. Diesmal nutzten die beiden die Zeit aber nicht, um ihre Nasen einmal mehr in die Kamera zu halten, sondern um die fingierte Ausstellung „Männerwelten“ zu zeigen, in der es um sexuelle Übergriffe gegen Frauen geht. Eingeleitet wird das Programm durch eine Trigger-Warnung, die zu dem Zeitpunkt fast noch ironisch wirkt: „Die kommenden Minuten können auf empfindsame Zuschauer verstörend wirken.“

Im Anschluss führt Autorin und Moderatorin Sophie Passmann im Jonathan-Frakes-Style durch dunkle, mit schwarzen Stoffen vergehängte Räume. Die Ausstellung sei heftiger als Körperwelten und Foltermuseen, es werde „hart“, „bitter und für manche kaum zu glauben, aber wir müssen da jetzt gemeinsam durch“, so Passmann zu Beginn. 

Die Moderatorin trifft dann bei ihrem Rundgang einige der üblichen Joko-und-Klaas-Mitwirkenden: Palina Rojinski präsentiert etwa eine Dick-Pic-Bildergalerie, also Fotos von Penissen, die sie und Freundinnen ungefragt zugeschickt bekommen haben. Moderatorin Jeannine Michaelsen, Rapperin Visa Vie und Model Stefanie Giesinger lesen danach vor, wie einige Männer ihre Auftritte im Fernsehen und auf Instagram kommentieren: „Ihr Kleidungsgeschmack sagt F*** mich doch – Ihr Face sagt lass bruder (sic!)“, „Sie soll nicht immer so tun, als hätte sie Ahnung von Rap jeder weis si ist nur wegn Titten angestellt (sic!)“, “Ein weiteres Mädchen, dass nur gef**** werden will (sic!)” und und und. Schließlich halten Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes und Entertainerin Katrin Bauerfeind noch eine Lesung übergriffiger Chatverläufe ab. 

Auf Twitter trendete nach der Sendung der Hashtag #Männerwelten

Während das Programm mit dem üblichen lustig-haha-Gefühl startet, das man von Joko-und-Klaas-Sendungen kennt und erwartet, enden die 15 Minuten weniger reißerisch und eher ernst. Nachdem einige nicht-prominente Frauen über sexuelle Übergriffe an Bushaltestellen, auf Dates oder in der Wohnung eines Freundes durch einen Mitbewohner berichten, zeigt Passmann noch die Kleidungsstücke von Vergewaltigungsopfern. Ihre Botschaft: Egal, was eine Frau anhat, sie ist nicht mitverantwortlich dafür, vergewaltigt zu werden. Die 15 Minuten seien ein „kleiner Einblick in die Realität von Frauen“ und werden nicht die Welt verändern, schließt Passmann: „Denn leider ist Männerwelten eine Dauerausstellung.“

Auf Twitter trendete nach der Sendung der Hashtag #Männerwelten. Ein Großteil der Reaktionen fiel überaus positiv aus: Frauen wie Männer lobten, dass die Sendung Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema geschaffen hätte. Allein dafür habe die Crew einen Preis verdient. Respekt gab es auch dafür, dass die Frauen ihre teils traumatischen Erlebnisse so in der Öffentlichkeit teilten.

Auf Instagram postete Sophie Passmann über die Reaktionen, die sie persönlich erreicht hatten: Sie habe „noch nie so wenige unfreundliche Nachrichten nach einem feministischen Beitrag bekommen.” Das läge auch daran, wie der Beitrag gemacht worden sei, es habe weniger mit ihr zu tun „als mit den Menschen, die diese 15 Minuten geplant haben und wussten, wie viel man Primetime zumuten und wie man sagen kann, was man sagen will, ohne wie ein feministisches Proseminar zu klingen.“ Zum Abschluss dankte sie noch Joko und Klaas, weil die „einfach mal zuhause“ geblieben sind. 

Tatsächlich schafften die 15 Minuten sogar noch mehr: Sie lösten eine Debatte aus – und das ist ja am Ende genau das, was wohl auch jedes feministisches Proseminar erreichen wollen würde. Denn natürlich gab es zu dem Beitrag auch ein paar „Aber“: Kritik wurde vor allem geäußert, weil der Beitrag Stereotype über sexuelle Gewalt bestärke und der Vielschichtigkeit des Problems nicht gerecht werde. 

Zum einen sei etwa nicht angesprochen worden, dass vor allem nicht-weiße Frauen zum Ziel sexueller Übergriffe in Deutschland werden und auch andere Minderheiten wie queere und trans* Frauen komplett außen vor gelassen wurden. Auch die Zusammenarbeit mit der von Frauenrechtsorganisation „Terres des Femmes“, die die Kleidungsstücke der Vergewaltigungsopfer kuratiert hatte, wurde kritisiert, da diese 2018 in einer Petition ein Kopftuchverbot für Mädchen gefordert hatten.

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass der Beitrag sexuelle Gewalt als etwas darstelle, das vor allem von außen und durch fremde Personen passiere: Eine Vielzahl der Übergriffe finde aber im eigenen Freundeskreis, in der Familie oder durch den eigenen Partner statt. Auf Twitter fasste das die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming folgerndermaßen zusammen:

Trotz all der Aufmerksamkeit und der konstruktiven Debatten, die durch den Beitrag ausgelöst wurden, gab es auch ein wenig Frustration in den sozialen Medien: Darüber, dass viele Zuschauer*innen offenbar überrascht von dem Inhalt der Sendung waren. Manche schreiben, es sollte doch längst bekanntes Problem sein, dass gerade Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, Angriffen in den sozialen Medien ausgesetzt sind und dass die meisten Frauen selbst Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen gemacht haben. Aber offenbar braucht es dann doch ein Format mit einer Reichweite wie der von Joko und Klaas, um diese Erkenntnis der breiten Masse zu vermitteln.

mpu

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