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Was kann ich gegen das Bienensterben tun?

Illustration: Katharina Bitzl

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Es ist gar nicht so lange her, da konnte man über keine Freibad-Wiese barfuß laufen, ohne mindestens einen Bienenstich abzubekommen. Das tat zwar gemein weh, gehörte aber andererseits zu einem gelungenen Sommertag. In den letzten Jahren ist es allerdings immer ruhiger geworden auf den Freibad-Wiesen, in den Sträuchern und den Blumenbeeten am Balkon. Denn: Ein großer Teil der Bienen, Schmetterlinge und anderer Insekten sind mittlerweile ausgestorben. 

Das hat verschiedene Gründe: Die Honigbienen leiden besonders unter der Varroa-Milbe, die in den 1970er Jahren nach Europa eingeschleppt wurde. Aber auch andere Krankheiten und Parasiten schwächen die Bienen. Noch schlechter sieht es für die Wildbienen aus, die ebenfalls für einen Großteil der Pflanzen-Bestäubung unverzichtbar sind. Offizielle Stellen melden, dass ungefähr die Hälfte der Wildbienen-Arten in Deutschland vom Aussterben bedroht sind. Und alle Insekten leiden nachweislich unter der Monokultur der konventionellen Landwirtschaft und unter dem großzügigen Gebrauch von Pestiziden und Insektiziden. 

Das Sterben der Insekten war eine leise Angelegenheit, die aber noch ziemlich laute Folgen nach sich ziehen wird. Denn 80 Prozent unserer heimischen Pflanzen müssen von Bienen bestäubt werden, um Früchte zu tragen oder Samenstände zu entwickeln. Ohne Bienen würde im Obst- und Gemüseregal also gähnende Leere herrschen: keine Äpfel, keine Zitronen, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln, Karotten, Mangos, Lauch – nicht mal die für unsere Generation unverzichtbaren Avocados wären mehr zu haben. 

Das Bundesagrarministerium beziffert die Arbeitsleistung von Bienen pro Jahr auf ungefähr zwei Milliarden Euro. Weil Bienen so wichtig für uns sind, werden sie in der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt. Das Landwirtschaftsministerium fördert unter anderem Streuobstwiesen, Feldgehölze und andere Landschaftselemente mit hohem ökologischem Nutzen und es unterstützt Bauern finanziell, wenn sie Acker- und Dauergrünland umwandeln oder blütenreiche Saaten anbauen.

Der Apfelsaft, den wir Deutsche literweise trinken, sollte von Streuobstwiesen stammen

Aber auch als Stadtbewohner kann man seinen kleinen Beitrag dazu leisten, Bienen und Insekten zu schützen und zu unterstützen. Das fängt schon beim Einkaufen an. Denn wer Bioprodukte kauft, unterstützt Bio-Landwirte. Die verzichten beim Anbau auf Pflanzenschutzmittel, also Pestizide und Neonikotinoide, die möglicherweise mitverantwortlich sind für das Bienensterben. Außerdem achten Biobauern beim Anbau auf die Fruchtfolge und säen Klee oder andere Zwischensaaten an, um den Boden wieder mit Nährstoffen zu versorgen. Deren Blüten sind wiederum Futter für die Insekten. Wer Fleisch konsumiert, sollte welches aus Freilandhaltung kaufen, denn die Weidehaltung fördert Insekten. Und der Apfelsaft, den wir Deutsche literweise trinken, sollte von Streuobstwiesen stammen, die ebenfalls ein Paradies für Insekten sind.

Und natürlich ist es auch wichtig, den richtigen Honig zu kaufen, nämlich den vom lokalen Imker. Jörg Lämmer ist Vorsitzender des Münchner Bienenzuchtverein, einem der größten Imkerverein in Deutschland. Er erklärt, warum heimischer Honig nicht nur gut für die Bienenpopulation ist, sondern auch für diejenigen, die ihn sich aufs Brot schmieren: „Lokaler Honig hat mehrere Vorteile für den Verbraucher. Er wird nach dem Lebensmittelgesetz behandelt – man weiß also, dass man ein reines Produkt isst. Gnz wichtig ist zudem, dass bei unserem Honig keine genmanipulierten Pollen enthalten sind. Argentinien und Mexiko, Chile und Uriguay sind die Hauptlieferanten für Importhonig, dort wird viel genmanipulierter Soja angebaut und die Pollen landen dann im Honig.“ Allerdings können deutsche Imker gerade mal ein Drittel des Bedarfs in Deutschland decken, weshalb Lämmer empfiehlt, bei ausländischem Honig auf ein Bio-Zertifikat zu achten.

Aber nicht nur als Verbraucher kann man bienenfreundlich sein, sondern den Tieren auch ganz aktiv helfen. Wer einen Balkon, ein Fensterbrett oder gar einen Garten hat, kann Pflanzen anbauen, die besonders viel Nektar enthalten und daher gut für Bienen sind. Das sind zum Beispiel Kräuter wie Oregano, Salbei oder Thymian. Aber es gibt auch viele Blumen, die den Bienen nützen: ungefüllte Rosen (gefüllte Blüten haben grundsätzlich keine Pollen), wilder Wein, Maiglöckchen, Malve, Sonnenblumen, Astern und Herbstanemonen werden von Bienen bevorzugt angeflogen. Jörg Lämmer schränkt allerdings ein: „Wir bewerben diese bienenfreundliche Anpflanzung, das ist auch gut für die Wildbienen, die anders sammeln als Honigbienen und nehmen, was sie kriegen können. Aber Honigbienen haben von bienenfreundlicher Balkonbepflanzung nichts, weil sie anders sammeln: Die gehen immer nur auf eine Blütenart pro Sammelflug – und die muss dann in Massen dastehen, damit sie da rangehen. Das lässt sich auf dem Balkon schwer realisieren.“ 

Man darf Bienenstöcke da aufstellen, wo Bienen üblich sind – und das ist überall der Fall

Aber auch wenn der Balkon zu klein zur Ernährung eines ganzen Bienenvolkes ist: Wenn man möchte, kann man dort ein Volk beherbergen. Jörg Lämmer erklärt, was dafür nötig ist: „Man kann Bienenstöcke auf Garagen, Hausdächern und Balkonen aufstellen, die Aufstellfläche für einen normalen Bienenstock ist 40 auf 60 Zentimeter. Die einzige Norm, die es für die Bienenhaltung gibt, lautet: Man darf sie dort aufstellen, wo Bienen üblich sind – und das ist überall der Fall.“ Wichtig ist, dass der Stock zumindest teilweise beschattet ist, ansonsten gibt es keinerlei Einschränkungen. „Bienenhaltung ist wirklich überall in Ordnung, denn so eine Biene hat einen Flugradius von drei Kilometern. Selbst wenn Sie also in einer Betonwüste leben, finden die Bienen garantiert Nahrung auf ihrem Flug.“ 

Allerdings sollte man unbedingt einen Kurs besuchen, bevor man sich ein Bienenvolk anschafft. In Jörg Lämmers Bienenzucht-Verein gibt es derzeit 50 sogenannte Jungimker. Die bekommen im Lauf der zweijährigen Ausbildung ein eigenes Volk, das aber in der Ausbildungszeit auf dem Vereinsgelände stehen bleibt. So können die Jungimker vor Ort Rat von erfahrenen Ausbildern einholen und am Lehrbienenstand sehen, wie die einzelnen Arbeitsschritte funktionieren. Nach Abschluss der Ausbildung können die Jungimker dann ihr Volk mit nach Hause nehmen oder auf einem benachbarten Grundstück stehen lassen.

Viel kann man mit solchen Maßnahmen natürlich nicht erreichen – auf dem Balkon lässt sich weder die intensive Landwirtschaft, der Pestizidgebrauch, Flächenfraß oder Klimawandel umkehren. Aber man kann durch sein Konsumverhalten und kleine Änderungen im Garten oder auf dem Balkon immerhin dazu beitragen, dass die verbliebenen Bienen und Insekten genügend Nahrung bekommen. 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde zum ersten Mal am 12. April 2018 veröffentlicht und am 30. Juni noch einmal aktualisiert.

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